• 18.02.2013 17:53

  • von Dieter Rencken & Roman Wittemeier

McLaren Applied Technologies: Das dritte Standbein

Abseits der Formel 1 hat sich McLaren in zwei weiteren Bereichen etabliert: Automobilbau und Technologie - Das erfolgreiche Drei-Säulen-Modell in Woking

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 hat in den vergangenen Jahren viele private Teams kommen und gehen gesehen. Nur wenige haben sich über die Jahrzehnte voller Krisen und Hindernisse halten können. Ein Beispiel für Durchhaltevermögen, gute Entwicklung und Anpassungsfähigkeit ist McLaren. Das Team aus Woking zählt immer noch zu den "Big Names" der Szene. Im Gegensatz zu vielen Konkurrenten steht die Mannschaft finanziell stabil da.

Titel-Bild zur News: McLaren MTC Woking

Woking: Hinter den Mauern des McLaren Technologie Centre lagern viele Ideen Zoom

Der Schlüssel für die Sicherung des Status liegt in der Anpassungsfähigkeit. McLaren-Boss Ron Dennis hat es verstanden, sein Unternehmen nicht allein vom Erfolg in der Königsklasse abhängig zu machen. Der Brite baut seine Geschäftstätigkeiten auf drei Säulen auf: Rennsport in der Formel 1, Sportwagenbau und Technologie. Der Automotive-Bereich nahm mit dem McLaren MP4-12c Schwung auf, das jüngste Kind P1 soll diesen Weg erfolgreich fortsetzen.

Die perfekte Verknüpfung aller Tätigkeiten bietet die 2004 gegründete McLaren Applied Technologies (MAT). Das Unternehmen unter Leitung von Geoff McGrath bündelt Wissen und Erfahrungen der Gruppe. Die Erkenntnisse und Technologien helfen nicht nur bei der Lösung von Formel-1-Problemstellungen oder beim Bau von Hochleistungs-Sportwagen, sondern auch in der Generierung neuer Einnahmequellen. "Wir haben unzählige Lösungen und Technologien in unseren Schubladen", sagt McGrath.

Formel-1-Ansätze in anderen Bereichen gefragt

MAT macht aus Formel-1-Wissen bare Münze. Ideen aus der Königsklasse sorgen für Lösungen unter anderem in den Bereichen Medizin, Consumer-Produkten oder Sport. Die Einnahmen fließen nicht nur auf die Konten von MAT, deren Umsätze sich in den vergangenen drei Jahren jeweils verdoppelt haben, sondern auch indirekt wieder in den Formel-1-Betrieb. Der Einsatz von vorhandener Technologie und deren Anwendung abseits des Motorsports kann jene Lücke schließen, die der Abschied vieler Großsponsoren aus der Formel 1 gerissen hat.

"Sponsoring und Werbung - all dies hat sich erheblich verändert", sagt McGrath. Der Brite betont, dass die Zeiten von reiner Werbebotschaft auf Fahrzeugen vorbei sei. "Für die Partner muss sich ein Mehrwert in anderen Bereichen ergeben." Ein Beispiel sei die Zusammenarbeit zwischen McLaren und dem Pharma-Riesen Glaxo-Smith-Kline, der mit der Marke Lucozade auf den Formel-1-Boliden vertreten ist. Der Konzern und McLaren arbeiten in Sachen Technologie eng zusammen.

Bei jener Kooperation gehe es nicht nur um die Anwendung von vorhandener Technologie, die zu anderen Zwecken abseits der Formel 1 genutzt werde, sondern unter anderem auch um die Ansätze bei Problemlösungen. McLaren habe aufgrund der besonderen Anforderungen in der Königsklasse gerade in diesem Bereich erhebliche Kenntnisse und unschlagbare Ansätze. "Wir sind ein Technologieunternehmen und verkaufen Performance. So erkläre ich es immer", sagt McGrath. "Und für Performance zahlen die Leute das beste Geld."

Wachstum: MAT legt bei Umsatz und Gewinn erheblich zu

Der Erfolg gibt dem MAT-Boss recht. Die Mitarbeiterzahl ist in den vergangenen Jahren rasant angestiegen, die Dienstleistungen, die Technologie und das Wissen aus Woking ist am Markt gefragt. "Die Formel 1 bringt ungeheuer teure Technologien hervor, die abseits des Sports nicht kommerziell genutzt werden. Wir haben dermaßen viele Lösungen und Technologien in den Schubladen, weil sie aus Gründen der Regularien beispielsweise in der Formel 1 nicht mehr angewendet werden dürfen. Dieser Dinge kann man sich doch bedienen, sie nutzen."

Der Nutzen für die Partner liege auf der Hand, betont der MAT-Geschäftsführer: schnellere Lösungen, ohne selbst viel Geld in Forschung investieren zu müssen. "Wir haben diese Technologien ja bereits. Die Herausforderung ist jeweils nur, diese Dinge an andere Umfelder möglichst schnell anzupassen", sagt er. Sobald solche Lösungen gefunden seien, gehe man den nächsten Schritt. Es werden Patente angemeldet auf Lösungen, die ihren Ursprung im Formel-1-Betrieb hatten.

Lucozade

Technolgiepartnerschaft mit Glaxo-Smith-Kline: Lucozade auf dem Heckflügel Zoom

Bei neuen Entwicklungen in der Königsklasse verzichtet man auf den speziellen Schutz durch das Patentrecht oftmals. "Weil es in der Formel 1 oft nicht praktikabel ist. Das liegt in der Natur der Sache", erklärt McGrath. Bei der Nutzung dieser Ideen beispielsweise im Bereich Medizin hole man eine entsprechende Anmeldung aber oft nach. Wie viele Patente mittlerweile den McLaren-Stempel tragen, wird nicht offen kommuniziert - es dürften viele sein.

Fußballer mit Überlastungsschutz

An einem anderen Beispiel wird deutlich, wie wichtige Technik aus der Formel 1 in anderen Bereichen sinnvoll genutzt werden kann. Gemeinsam mit dem Fußballverein FC Chelsea und dem britischen Rugby-Verband führte man Versuche durch, die ihre Grundlagen in der Telemetrie aus der Königsklasse haben. Mit winzig kleinen Geräten werden Belastungen von Sportlern an ein Rechensystem übermittelt. Die Computer analysieren, wie weit der jeweilige Sportler noch an seinen Grenzen gehen kann, bevor die Gefahr einer Verletzung zu groß wird.

Es funktioniert so ähnlich wie die Überwachung der Rennmotoren im Formel-1-Auto. "Die Philosophie ist die gleiche", erklärt McGrath. "Wie in einem Rennen messen wir die gesamten Daten während des Betriebs. Diese Daten werden für strategische Entscheidungen genutzt. 'Wie lange sollte ein Spieler auf dem Platz bleiben?' oder 'Wann hole ich ihn besser vom Feld?' und 'Wie würde eine Auswechslung anschließend das Team beeinflussen?' Das sind keine einfachen Berechnungen", konkretisiert der MAT-Chef.


Fotos: Jenson Button, Testfahrten in Jerez


Eine solche Anwendung wird in den Regularien des Fußballs und des Rugbys untersagt. "Nicht im Spiel, aber im Training kann das ein wichtiges Tool werden", sagt McGrath. "Ein Trainer kann besser sehen, wie hart seine Leute arbeiten. Man kann viel besser einschätzen, wie hart man jemanden rannehmen kann, ohne dass er zu sehr ausgepumpt ist. Man darf niemals vergessen: Fußballer sind Millionen wert. Man sollte sie rechtzeitig schonen, bevor sie verletzt sind. Da laufen hunderte Millionen Pfund an Werten herum."