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  • 01.11.2010 08:28

  • von Stefan Ziegler

Im Daten-Dschungel der Formel 1

Vom Auto an die Box: Wie sich die Formel-1-Teams die Telemetrie zunutze machen und welche Systeme zur Optimierung der Leistung eingesetzt werden

(Motorsport-Total.com) - Mit dem Fahren alleine ist es schon lange nicht mehr getan: Ein modernes Formel-1-Auto sendet pro Runde eine riesige Datenmenge an den Kommandostand in der Boxengasse, womit die Ingenieure ihre Rennfahrer gezielt bei der Setupfindung unterstützen können. Durch die Auswertung der Telemetrie gelingt es den Teams, die Leistung ihres Pakets zu maximieren und Fehler zu vermeiden.

Titel-Bild zur News: Datenanalyse bei Toyota

Auch das Toyota-Team erging sich an einem Wochenende in der Datenanalyse

Aber wie genau verwandeln sich die Daten in einen Vorteil auf der Uhr und was gilt es dabei zu beachten? David Denyer, Systemingenieur bei Force India, gibt einen Einblick in den Daten-Dschungel der Formel 1 - alles beginnt mit dem Versand der Telemetriedaten durch das auf der Strecke fahrende Auto: "Während eines Umlaufs empfangen wir rund 55 Megabyte an Daten."

Zehn Gigabyte Daten pro Auto und Wochenende

"Über das Rennwochenende gesehen sind das zehn Gigabyte pro Auto. Für die Telemetrie gibt es einen Hauptsender auf dem Auto. Er sendet mit einer ultrahohen Frequenz in eine Richtung, welche sämtliche Daten überträgt", sagt Denyer. "Es gibt auch einen Zweiwege-Kanal, damit die Box bestätigen kann, dass sie bestimmte Daten empfangen hat. Das Auto stoppt dann die Übermittlung."

Die Ingenieure erhalten so einen intensiven Einblick in das Verhalten des Autos - und "sehr viele Rohdaten", wie Denyer erklärt. Dabei handelt es sich um Dinge wie "der Luftdruck der Reifen, die Stellung des Lenkrads oder die Geschwindigkeit des Autos. Es gibt aber noch weitere Parameter, zum Beispiel die Steuergeräte oder der Benzinverbrauch", gibt der versierte Systemingenieur zu Protokoll.

"Wir versuchen, alle diese Daten so zu nutzen, damit das Auto schneller wird." David Denyer

"Wir versuchen, alle diese Daten so zu nutzen, damit das Auto schneller wird. Primär schauen wir darauf, was der Fahrer mit seinen Eingabemöglichkeiten macht", meint Denyer. Dabei konzentriere man sich auf das Lenkrad, die Stellung des Gaspedals und die gewählten Gänge. "Wir probieren, den Piloten zu leiten, damit er so schnell wie möglich fährt, und haben ein Auge auf sämtliche Systeme."¿pbvin|512|2613|fahrwerk|0|1pb¿

Der Vergleich zum Teamkollegen hat Priorität

Ist der Fahrer wieder zurück in der Box, nimmt er ebenfalls an diesem Analyseprozess teil - um sich anhand der Daten seines Teamkollegen zu steigern und mögliche eigene Schwächen aufzudecken. "Die Piloten beobachten, wo sie auf ihre Stallgefährten Boden gutmachen oder verlieren", sagt Denyer. "Dazu legen wir die einzelnen Grafiken übereinander" - Abweichungen werden sichtbar.

"Am wichtigsten ist den Fahrern wahrscheinlich die Geschwindigkeit des Autos, doch sie können auch alle Handlungen ablesen, welche während einer Runde vorgenommen wurden. So können die Piloten einen Vergleich zum Teamkollegen ziehen. Ihnen ist viel daran gelegen, den Stallgefährten möglichst über die gesamte Runde zu schlagen, doch das ist natürlich nicht immer möglich", erläutert Denyer.

"Am wichtigsten ist den Fahrern wahrscheinlich die Geschwindigkeit des Autos." David Denyer

Der Lerneffekt liegt laut dem Force-India-Mitarbeiter auf der Hand: "Wenn die Fahrer beispielsweise eine Kurve zu früh anbremsen, versuchen sie, ihr diesbezügliches Verhalten zu ändern. Manchmal funktioniert das aber nicht und sie haben stattdessen eine Schrecksekunde. Das können wir wiederum anhand der Daten feststellen", hält Denyer fest - die Übersichtlichkeit ist durchaus gegeben.

14 Ingenieure sind in der Analyse tätig

"Wir haben gewisse Analyse-Werkzeuge. Wir können die Telemetriedaten zum Beispiel in einem großen Datenpool zusammenfassen, um einfacher erkennen zu können, was geschieht. Wir können aber auch einen bestimmten Vorgang hervorheben." Wenn Denyer im Plural spricht, verweist er damit auf die "13 bis 14 Ingenieure", die bei Force India für die Auswertung der Daten verantwortlich sind.

"Wir bekommen auch noch eine kleine Unterstützung aus der Fabrik. In erster Linie sind aber die Leute an der Box für die Analyse zuständig. Dabei ziehen wir durchaus auch die Daten und Berichte aus der vergangenen Saison zurate", erläutert Denyer. Im letzten Schritt wird schließlich das Auto selbst verbessert: Sind die Einstellungen nicht optimal, schreiten die Ingenieure entsprechend ein.

"Wir bekommen auch noch eine kleine Unterstützung aus der Fabrik." David Denyer

"Wir versuchen zum einen, die mechanische und die aerodynamische Abstimmung zu optimieren, zum anderen natürlich das System als Ganzes. Dabei geht es unter anderem um unterschiedliche Software-Einstellungen. Ein einfaches Beispiel ist die Abdeckung der Kühler", fügt Denyer hinzu und erklärt: "Wenn der Motor zu kalt oder zu heiß ist, passen wir das eben anhand der Daten an."