• 30.05.2009 12:05

  • von Kay Siecken

Wie Formel-1-Autos gebacken werden

Moderne Formel-1-Autos werden aus einem Gemisch von Kohlenstoff und Kunststoff hergestellt: Karbon

(Motorsport-Total.com) - Bei dem Bau eines Formel-1-Autos kommen High-Tech-Teile wie in der Raumfahrt zum Einsatz. Einer der wichtigsten Verbundstoffe bei der Konstruktion ist Karbon. Allerdings ist Karbon nicht gleich Karbon. "Wir verwenden 30 unterschiedliche Arten, die in ihrer jeweiligen Eigenschaft perfekt zum Einsatzgebiet passen", erklärt Gary Hall, der Chef der Materialforschung bei Renault.

Titel-Bild zur News: Aufräumarbeiten nach dem Startunfall

Wenn Streckenposten Karbonteile aufsammeln, sammeln sie teuren Schrott.

Angeliefert werden die Karbonfasern in Rollen von einem Meter Breite, die von Weitem aussehen wie silber-schwarz glänzende Teppiche. Pro Jahr verbraucht ein Formel-1-Team beinahe 30 Kilometer an Karbonfasern. #w1#

Nicht nur die Beschaffenheit des Materials unterscheidet sich stark, auch die Preise variieren. "Es gibt Standardware und es gibt Hightech-Sorten mit herausragenden Eigenschaften. Wenn man günstige Karbonfasern kaufen möchte, liegt der Quadratmeter bei rund 27 Euro. Das ist die billigste Sorte. Das geht hoch bis etwa 220 Euro pro Quadratmeter", erklärt Hall.

Leichter, besser, haltbarer als Stahl

Der Siegeszug des Faser-Kunststoff-Verbundwerkstoffs begann Anfang der 80er-Jahre, als McLaren im MP4-1 Karbonfasern einsetzte. "Die Vorteile des Materials waren so deutlich, dass alle anderen Teams schnell nachzogen", beschreibt Hall, der seit 2006 Chef der Materialforschung beim französischen Formel-1-Team ist.

"Es bietet einfach eine unglaublich Stärke und Steifigkeit. Wenn wir das mal mit Stahl vergleichen, dann erreichen wir die gleiche Haltbarkeit mit nur 20 Prozent des Gewichts. Aus technischer Sicht gibt es nichts, was von seiner Vielseitigkeit und den Eigenschaften irgendwie vergleichbar wäre. Man kann jede erdenkliche Form damit herstellen ", beschreibt Hall die Vorzüge von Karbon.

Die Kehrseite der Medaille: Karbon ist schwierig zu verarbeiten. Bei Renault sind zum Beispiel alleine 50 Spezialisten nur mit der Verarbeitung des Verbundstoffes beschäftigt. Dieser wird zudem ständig weiterentwickelt. Schon bald soll es Karbonfasern geben, die zehn Mal so hart sind wie diejenigen, die aktuell verwendet werden. Der Einsatz exotischer Mischungen ist in der Formel 1 aus Kostengründen jedoch nicht gestattet.

Wie man sich ein Formel-1-Auto backt

Aber wie kommen die Karbonfasern beim Bau eines Formel-1-Boliden konkret zum Einsatz? "Im ersten Schritt bauen wir erst einmal zwei Formen, denn das Monocoque wird aus zwei Teilen zusammengesetzt. Diese beiden Formen werden mit hochpräzisen Bearbeitungsgeräten optimal nach den Vorgaben der Designabteilung gebaut, dann wird ein Abdruck hergestellt. In diesen Abdruck legen wir dann verschiedene Schichten von Karbonfasern, die speziell verklebt und später gehärtet werden."

"Dabei achtet man besonders auf die Ausrichtung der Fasern. Es ergibt sich eine Art Wabenform, die besondere Steifigkeit garantiert. Man muss sehr präzise arbeiten, denn schon geringe Abweichungen können die Materialeigenschaften deutlich verschlechtern. Wir haben ein spezielles Laser-Prüfverfahren dafür", erklärt Hall.

Der nächste Arbeitsschritt erinnert ein wenig an Kuchenbacken. Die vorbereitete Form wird in einen Ofen geschoben, der bei sechs bar Druck auf 130 Grad aufgeheizt wird. "Nach dem Backen wird die Form herausgenommen und wir installieren eine Aluminium-Wabenkonstruktion auf die Oberfläche. Dadurch wird die Bruchfestigkeit deutlich gesteigert. Vorher verstärken wir noch einmal die Ansatzpunkte für die Aufhängung zum Beispiel. Anschließend geht der gesamte Bausatz noch einmal bei gleicher Temperatur und einem Druck von zwei bar in den Ofen", erklärt Hall die weiteren Arbeitsschritte.

Anschließend werden die beiden Teile des Monocoques zusammengefügt und weiter bearbeitet. Die Herstellung nimmt insgesamt drei Wochen in Anspruch, erst dann kann das fertige Karbonteil in einen Boliden eingebaut werden und auf den Rennstrecken dieser Welt zum Einsatz kommen.