• 17.08.2005 14:50

Toyota lässt Träume wahr werden

Der australische Motorsportjournalist Peter Windsor durfte seinen Traum verwirklichen und einen Formel-1-Boliden ausfahren

(Motorsport-Total.com) - Der Formel-1-Journalist Peter Windsor träumte, wie viele andere auch, schon in seiner Kindheit davon, selbst Pilot zu werden. Als er sich für eine Karriere in den Medien entschied, ergriff er immerhin "den zweitbesten Job der Welt". Aber der Traum, im Cockpit zu sitzen, ging für Windsor doch noch in Erfüllung, als Toyota ihn nach Paul Ricard einlud, um einen Formel-1-Boliden Probe zu fahren.

Titel-Bild zur News: Peter Windsor

Journalist Peter Windsor durfte im Toyota-Boliden auf die Strecke

Der Reporter erzählt: "Ich fahre nach Nizza und miete ein Auto. Mit Helm und Overalls im Gepäck geht es nach Bandol, dem Küstenstädtchen, dass als Drehscheibe für den französischen Grand Prix in Le Castellet galt. Ich schlafe schlecht und erwache früh. Am Morgen fahre ich über die alte, kurvige Straße in die Berge - zum 'Circuit Paul Ricard'.#w1#

Der frühere Toyota-Pilot Olivier Panis zeigt mir freundlicherweise die Details der Strecke. Ich bin schon vorher um den Kurs chauffiert worden - von Didier Pironi und Nigel Mansell - also war ich damit einigermaßen vertraut. Es existiert eine neue Schikane auf der Gegengeraden, aber davon abgesehen ist alles wie immer. Ich werde die Konfiguration befahren, die sie zuletzt für den französischen Grand Prix verwendet haben."

Erste Gehversuche auf unbekanntem Terrain

"Gianvito Amico, Ingenieur des Toyota-Testteams, den ich bereits aus seinen Tagen bei Minardi kenne, spricht über Funk mit mir: 'Okay, Peter. Wir haben circa 30 Minuten. Es ist mit fünf Grad Celsius ziemlich kalt, sodass es etwas dauern kann, bis wir die Bremsen und Reifen auf Temperatur haben. Sei vorsichtig. Wenn man dir das Signal gibt, betätige die Zündung und warte darauf, dass wir den Motor starten.'

Das Signal kommt. Ich lege den Schalter direkt neben meinem linken Oberschenkel um. Einige Sekunden später erwacht der V10-Motor kläffend zum Leben. Zuerst ein Poltern, dann ein hoher Schrei, der die Garage erschüttert. Mir schießt durch den Kopf, dass all dieser Lärm und diese Vibrationen dafür gemacht sind, mich unglaublich schnell werden zu lassen.

Die Jungs lockern die Reifenwärmer und senken das Auto auf den Boden ab. Jörg Faust, mein 'Chefmechaniker' für den heutigen Tag, hebt die Hand. Auf einen Wink von ihm werden die Reifenwärmer hinweggewischt, er tritt vor die Garage und winkt mich heraus, während er sich in der Boxengasse nach Verkehr umsieht.

Ich lasse langsam die Kupplung kommen. Nichts... nichts... jetzt! Das Auto beginnt, sich zu bewegen. Es nimmt ein wenig an Fahrt auf und ich drehe am Steuer, während ich mich im Cockpit eingeklemmt fühle und Angst habe, nicht weit genug herumzukommen. Meine Arme sind mittlerweile gekreuzt und ich halte noch immer die Kupplung. Der Frontflügel schiebt sich über die Betonmauer hinaus. Ich bin in der Boxengasse!"

Kein Lebenszeichen

"'Geschwindigkeitsbegrenzer, Pete', erinnert mich Gianvito daran, den 'SL'-Knopf am Steuerrad zu betätigen. Jetzt bin ich Passagier bei 80 km/h. Dann sehe ich das grüne Licht vor mir und beginne, meinen rechten Fuß auf das Gaspedal zu pressen. Ich fühle einen Stoß im Rücken, als das Auto nach vorne springt. Erster, zweiter, dritter Gang - längst springt das Auto von Welle zu Welle. Außerdem wartet die erste Kurve. Ich betätige die Bremsen erst leicht, dann stärker. Ich hoffe, dass sie greifen. Nichts. Sie sind weich und schwammig. Sie sind so kalt wie Eis.

Ich schleiche durch die Eröffnungsrunde. Regentropfen treffen mein Visier. Ich beschleunige, bremse, beschleunige, bremse, um das Auto warm zu bekommen. Von den Bremsen kommt noch immer nichts zurück. Ich weiß, dass ich mittlerweile um die 150 km/h mehr fahren sollte, dass die Bremsen mittlerweile zum Leben erwacht sein sollten, aber sie haben bei meinem geringen Tempo keine Chance.

Die letzte Kurve, eine enge rechts, lauert in der Entfernung. Direkt nach der vorhergehenden Linkskurve gase ich in meinem Toyota an, um die Reifen aufzuwärmen. Ich drehe mich wie ein Kreisel. Keine Warnung, nichts. Ich drehe mich auf meiner eigenen Achse, es geht raus auf die Auslauffläche. Ich trete auf die Bremse, erinnere mich daran, auszukuppeln. Ich gehe in den Ersten, dann auf neutral. Wieder Erster. Lasse die Kupplung kommen. Gott sei Dank, ich habe es geschafft.

In der nächsten Runde drehe ich mich dann nochmals. Alles ist kalt. Ich kehre zurück in die Box. Mechaniker eilen umher, Bocken das Auto auf und lassen die Schraubendreher an. 'Okay, Peter', sagt Gianvito. 'Wir kommen nicht auf Temperatur. Wir ziehen Intermediates auf. Es beginnt, leicht zu regnen. Versuche, auf der Geraden zu bremsen, da hast du die Möglichkeit, die Bremsen anzuwärmen.'

Ich schwanke. Zwei Runden, zwei Dreher. Es regnet, es ist kalt, mir ist kalt. Soll ich weitermachen? Vielleicht sollte ich aufgeben. 'Okay, fertig. Versuche, ein bisschen auf Temperatur zu kommen. Los geht's.' Der Tonfall von Gianvitos Stimme rettet mich davor, eine Entscheidung treffen zu müssen."

Exquisiter Schmerz

"Ich bremse aggressiv in Kurve eins, doch dieses Mal scheint es der Toyota zu mögen. Er fühlt sich beständiger an. Ich gebe Gas. Auf der Gegengeraden schalte ich schnell durch alle Gänge. Die Welt verschwimmt vor meinen Augen. Ich kann spüren, wie sich mein Helm leicht anhebt. Meine Beine fühlen sich an, als würden sie im Cockpit herumwedeln.

Es scheint sogar schwierig, den rechten Fuß auf dem Gas zu lassen. Das Auto bockt, springt, wirft sich hin und her. Ich bremse und schalte vor der schnellen Rechtskurve herunter in den Vierten. Ich fahre über die Fahrbahnbegrenzung, setze zurück und mach weiter. Noch immer keine Temperatur!

Danach halte ich nur noch meinen Kopf gesenkt und konzentriere mich. Stärker, denke ich, als jemals zuvor. Regen benetzt mein Visier, aber es bleibt unklar, ob die Fahrbahn nass ist oder die Reifen noch immer nicht auf Temperatur sind. Ich gehe zwischen den Kurven deftig aufs Gas und jage den Toyota durch all seine Gänge. Jedes Hochschalten fühlt sich an wie ein Tritt in den Rücken. Kein Wunder, wirken doch für Sekundenbruchteile Abbremskräfte von über einem g.

Insgesamt fahre ich 14 Runden. Am Ende gehe ich auf der Gegengeraden in den siebten Gang - über 270 km/h. Auf meiner letzten fliegenden Runde bremste ich erst in Sichtweite des 200-Meter-Schildes die erste Kurve an. Das folgende Gefühl ist traumhaft. Das Auto scheint zum Scheitelpunkt der Kurve hingezogen. Als ich aber im zweiten Gang bin und meine Durchgangsgeschwindigkeit erreiche, ist der Scheitelpunkt noch 30 Meter entfernt. Am nächsten Morgen wache ich mit blauen Flecken an Schultern und Hüfte auf. Ich bin zerschlagen und zerschrammt, aber der Schmerz ist exquisit."