• 17.07.2005 10:32

Ein Fall für zwei

Die wichtigsten Zweierbeziehungen in der Formel 1 stecken voller Geheimnisse, sind aber kein Fall für die Klatschpresse

(Motorsport-Total.com) - Für die Performance der Boliden auf der Rennstrecke ist die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Fahrer und Ingenieur aber von entscheidender Bedeutung. "Nur wenn sie sich in allen Situationen voll aufeinander verlassen können", sagt Frank Dernie vom BMW WilliamsF1 Team, "können sie auch erfolgreich sein."

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Ein Formel-1-Rennstall ohne Renningenieure ist heute undenkbar

Eigentlich haben sie nicht viel gemeinsam. Die Fahrer verdienen Millionen und leben oft an so exklusiven Orten wie Monaco, die Ingenieure verbringen ihre 60-Stunden-Wochen zwischen den Rennen meistens in architektonisch wenig reizvollen Büros vor dem Computer. Doch wenn es darum geht, das Auto schneller zu machen und optimal für eine Strecke abzustimmen, wie jetzt vor dem Großen Preis von Deutschland, ist der eine auf den anderen angewiesen.#w1#

Eine Sache des absoluten Vertrauens: Der Ingenieur ist kein Fahrer, der Fahrer kein Ingenieur, aber zusammen sind sie für das Team die Keimzelle des Erfolgs. Wenn der Fahrer am Donnerstag vor dem Rennen an der Strecke eintrifft, setzt er sich erst einmal mit seinem Ingenieur zusammen. Kompetenz im Doppelpack.

Sie sprechen über alle für die Abstimmung des Autos relevanten Punkte, in erster Linie also über die Strecke, neu entwickelte Teile und ihre Auswirkungen auf die Rundenzeiten, über die Reifen, die voraussichtlich am besten zur Strecke passen, sowie natürlich über die Strategie.

Im Verlauf des Trainings am Freitag und Samstag steuern die Piloten immer wieder die Box an und beschreiben den Ingenieuren, mit denen sie über eine akustische Nabelschnur verbunden sind, ihre Eindrücke vom Auto, wie es sich verhält, in welcher Kurve es untersteuert, wo es übersteuert - je präziser, desto besser.

Die Kunst, die ein guter Ingenieur vor allem beherrschen muss, ist die Kunst der Interpretation. Nur wenn er aus den Eindrücken des Fahrers die richtigen Schlüsse zieht, erhöht er die Erfolgschancen seines Teams.

Der beste Fahrer aus der Sicht des Ingenieurs ist der, der ein sicheres Gespür dafür hat, wo er Zeit verliert. "Was am Auto alles gemacht werden muss, damit es schneller wird, kann dir jeder Fahrer erzählen", sagt Frank Dernie mit der Erfahrung von über 30 Jahren in der Formel 1. "Weil du aber immer nur ein Problem auf einmal lösen kannst, ist es wichtig, dass er dir beispielsweise sagt, schaut zuerst nach dem Untersteuern in der Schikane, weil er nämlich weiß, dass er dort am meisten Zeit gutmachen kann."

Über diese Fähigkeit verfügen nicht alle Fahrer in gleichem Maße. Sam Michael, Technischer Direktor von WilliamsF1: "Es gibt Fahrer, die erzählen dir ellenlange Geschichten, was das Auto alles macht. Doch am Rennwochenende muss alles sehr schnell gehen. Wenn man sich da auf die falsche Sache konzentriert, verliert man zu viel Zeit."

Einer der Fahrer, die ihrem Ingenieur mit präzisen Aussagen die Arbeit erleichtern, ist Nick Heidfeld. Der BMW WilliamsF1 Pilot ist in der Branche bekannt dafür, dass er jede Kurve analysieren und seinem Ingenieur vermitteln kann, wie sich das Auto in dieser und jener Situation verhält. Was Mario Theissen, der BMW Motorsport Direktor, an dem Deutschen dazu noch schätzt, ist seine ruhige, besonnene Art, und dass er sich nicht selbst in den Mittelpunkt stellt. "Er ist eine große Hilfe, auch beim Testen und Entwickeln", lobt er, "und er weiß, dass er Rennfahrer ist und kein Hobby-Ingenieur, der sich ständig einmischt."

Sam Michael kann das nur unterstreichen: "Für einen Ingenieur ist Nick der perfekte Fahrer." Die Abstimmung eines Formel-1-Boliden ist Technik-Schach auf höchstem Niveau. Die Frage, um die sich alle Jahre wieder alles dreht, ist die: Was passiert mit dem einen Parameter, wenn ich am anderen etwas verändere?

Bevor die Computer in der Formel 1 Einzug hielten, entschied bei der Abstimmung der Autos vor allem das Gefühl des Fahrers sowie der Einfallsreichtum der Ingenieure und Mechaniker. Diese Zeiten sind vorbei. Heute sind es vor allem Laptops und Hochleistungscomputer, die jede Regung des Boliden aufzeichnen. Ohne die Eindrücke der Fahrer geht es trotzdem nicht.

"Die wichtigste Information für den Ingenieur ist die Rundenzeit", sagt Frank Dernie, "die zweitwichtigste ist der Kommentar des Fahrers, noch vor der Telemetrie und den Datenausdrucken. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern." Die Beziehung zwischen Fahrer und Ingenieur ist Vertrauenssache. Und Vertrauen entsteht, gerade in der Formel 1, am besten durch Erfolg.

Die Arbeitsteilung zwischen Fahrern und Ingenieuren in der Formel 1 ist keinesfalls so selbstverständlich war wie heute? Das bekannteste Beispiel ist Jack Brabham. Der Australier war nicht nur einer der erfolgreichen Fahrer seiner Zeit, sondern in Personalunion auch noch sein eigener Ingenieur, Konstrukteur und Teamchef. Ein Erfolgsmodell, das heute undenkbar wäre, damals aber glänzend funktionierte: Mit seinem Brabham-Repco wurde Jack Brabham 1966 zum dritten Mal Weltmeister.