• 06.09.2004 11:27

Von PS-Lügen, Drehzahlen und Benzinfressern

Pat Symonds erklärt den Unterschied von PKW- und Rennmotoren und spricht über Drehzahlen, Leistung und Benzinverbrauch

(Motorsport-Total.com) - Pat Symonds, der Chefingenieur von Renault weiß, worauf es in Monza ankommt: "Monza ist schon immer bekannt als die Power-Strecke schlechthin und der Motor ist hier ohne Zweifel ein sehr wichtiges Element, da der Fahrer fast 71 Prozent der Runde mit Vollgas fährt. Aber was ist an einem Formel-1-Motor, was ihn so besonders macht und wie kann man ihn mit einem normalen Straßenmotor vergleichen?"

Titel-Bild zur News: Jarno Trulli

In Monza wird mit sehr wenig Flügel gefahren, das senkt den Benzinverbrauch

"Man muss natürlich sagen, dass die Leistung allesentscheidend ist und die astronomische Leistung, die wir in der Formel 1 sehen, verlangt, dass der Motor sehr hoch dreht. Dies hängt damit zusammen, dass höhere Umdrehungszahlen bedeuten, dass mehr Luft aufgenommen werden kann, was den Verbrennungsprozess unterstützt, der die Kraft produziert. Moderne Formel-1-Motoren drehen durchschnittlich 19.000 Umdrehungen in der Minute, wohingegen ein durchschnittlicher Straßenmotor nur auf knapp über 6.000 kommt."#w1#

Wenn ein Kolben in die Luft katapultiert wird...

"Der Grund hierfür ist in den Belastungen zu suchen, die im Motor auf die beweglichen Teile rund proportional zum Quadrat der Umdrehungszahl wirken. Ein Kolben würde zum Beispiel bei voller Geschwindigkeit 100 Meter in die Luft geschleudert werden, wenn er nicht fest montiert wäre. Wenn man die Umdrehungszahl von 6.000 auf 19.000 Umdrehungen in der Minute erhöht, dann bedeutet dies, dass die Belastungen um den Faktor zehn erhöht werden, was für einen 750-Kilometer-Rennmotor tolerierbar ist, nicht jedoch für einen Straßenmotor akzeptabel ist, von dem man erwartet, dass er 300.000 Kilometer hält."

Die PS-Lüge

"Wenn es um die Leistungszahlen von Motoren geht, dann werden sie oftmals ohne das Verständnis ihrer Bedeutung genannt. Zunächst einmal ist die Leistung eines Motors nicht konstant, sie variiert mit der Umgebungstemperatur, dem Luftdruck und der Luftfeuchtigkeit. An einem heißen Tag hat der Motor nicht nur weniger Leistung, er erzeugt sie zudem bei höheren Umdrehungszahlen. Das kann die Motorentests auf dem Prüfstand zu einer komplexen Aufgabe machen, da sogar in einer Umgebung, in der die Bedingungen kontrolliert werden, diese nicht immer gleich sein können."

"Aus diesem Grund ist es notwendig, die gemessene Leistung auf Basis von definierten Bedingungen zu korrigieren. Bei Motoren in Straßenautos sind diese Standards klar definiert, auch wenn sie weltweit nicht gleich sind. Verschiedene Formel-1-Motorenhersteller nutzen verschiedene Standards und aus diesem Grund ist es irrelevant, selbst wenn man die Zahlen kennt, die Leistungen eines Formel-1-Motors mit denen von anderen Triebwerken zu vergleichen."

Die Leistung ist wichtig aber nicht alles entscheidend

"Fakt ist, dass es leicht ist, die Höchstleistung zu verstehen und diese kann auch als eine einzelne Zahl ausgedrückt werden. Die wahre Leistung des Autos hängt jedoch mit so viele Faktoren zusammen, eine davon ist die Leistungskurve. Wenn ein Motor zum Beispiel bei 19.000 Umdrehungen in der Minute 900 PS leistet aber nur 800 PS bei 18.000 Umdrehungen in der Minute, dann würde man ihn als spitz und schwierig zu fahren bezeichnen."

"Die Leistung auf der Strecke würde bei weitem nicht so gut sein wie bei einem Motor mit einer niedrigeren Spitzenleistung von 875 PS bei 19.000 Umdrehungen in der Minute, der immer noch 850 PS bei 1.000 Umdrehungen unter der Maximaldrehzahl leisten würde. Es ist so, dass das Drehmoment genauso wichtig ist wie die Leistung des Motors, da das Drehmoment für die Beschleunigung sorgt. Ein guter Rennmotor bietet wie ein guter Motor eines Straßenautos eine glatte Drehmomentkurve."

Gewicht ist der Leistung Feind

"Auch die physikalischen Eigenschaften eines Formel-1-Motors haben eine Rolle zu spielen. Wie jede Komponente in einem Rennfahrzeug muss der Motor so leicht wie möglich sein und wir verwenden fortschrittliche Materialien, die sowohl leicht sind als auch extremen Belastungen standhalten. Des Weiteren ist jede Komponente für ein begrenztes Leben designt, viel kürzer als jene eines Straßenautos."

"Diese strikte Begrenzung der Lebensdauer sorgt zusammen mit der genau definierten Nutzung des Motors dafür, dass man die Reserven auch deutlich kleiner auslegen kann. Wenn ein Designer eine Vorstellung von seinem Motor hat, dann weiß er nicht nur genau, wie dieser gefahren wird, er kann auch garantieren, dass der Level der Instandhaltung außergewöhnlich hoch sein wird, etwas, das ein Designer eines Straßenmotors nicht voraussetzen kann."

Auch die Formel 1 will Benzin sparen

"Um das Thema der Masse fortzusetzen, es mag einige Leute überraschen, dass ein guter Benzinverbrauch bei einem Rennmotor ebenso wichtig ist wie bei einem Straßenmotor. Auf der Straße hat der Verbrauch eine direkte Auswirkung auf die Betriebskosten und diese stehen ganz oben auf der Wunschliste potenzieller Besitzer. Bei einem Rennfahrzeug versuchen wir, so wenig Benzin im Auto wie möglich mitzuführen, denn jeder Liter wiegt rund 0,75 Kilogramm und das Gewicht ist der Feind der Leistung."

"Der Benzinverbrauch eines Rennfahrzeuges hängt natürlich von den Bedingungen ab: ein Regenrennen sorgt für weniger Verbrauch als ein Rennen unter trockenen Bedingungen. Es hängt auch von Faktoren wie der Einstellung des Heckflügels ab. Mehr Flügel bedeutet mehr Widerstand und damit mehr Benzinverbrauch. Auch die Haftung der Reifen spielt eine Rolle."

"Während ein Formel-1-Auto bedeutend mehr Benzin auf 100 Kilometer verbraucht - 65 Liter im Vergleich zu rund 8 Litern bei einem Straßenfahrzeug), kann diese Messung nicht mit dem Unterschied in der Leistung verglichen werden. Der spezifische Benzinverbrauch, gemessen an der Effizienz des Motors, Leistung zu entwickeln, ist tatsächlich sehr ähnlich: 200 Gramm pro PS und Stunde im Vergleich zu 175 Gramm pro PS und Stunde bei einem Straßenfahrzeug."