• 03.09.2004 10:58

'CFD': Entwicklungs-Hilfe für die Formel 1

'Computational Fluid Dynamics' ist aus der Formel 1 nicht mehr wegzudenken - in Superrechnern entstehen die Autos von Morgen

(Motorsport-Total.com) - Für die Revolution in den Konstruktionsbüros der Formel 1 stehen drei Buchstaben: 'CFD' - die Abkürzung für 'Computational Fluid Dynamics'. Mit Hilfe dieser Zauberformel können die Ingenieure die aerodynamischen Auswirkungen eines Fahrzeugteils simulieren, bevor es überhaupt gebaut ist. Das spart Zeit und Geld.

Titel-Bild zur News: CFD

Im Computer lassen sich die Luftströme genau berechnen

Keine Frage - 'CFD' hat die Entwicklungsprozesse in der Formel 1 nachhaltig verändert. Ein Beispiel: Auf der Suche nach dem optimalen Frontflügel zogen sich die Ingenieure vor Jahren noch mit verschiedenen Konstruktionsideen in den Windkanal zurück, nur um festzustellen, dass von zehn getesteten Versionen nur eine wirklich gut war. Neun Flügel, in deren Bau viel Zeit und Geld investiert worden war, wanderten auf den Müll.#w1#

Heute werden diese Flügel dank 'CFD' erst gar nicht gebaut. "Wir wissen jetzt schon vorher, welche Teile es wirklich wert sind, im Windkanal getestet zu werden", sagt Naethan Eagles, Leiter der Abteilung für 'CFD' bei Williams. "Dadurch hat sich unsere Ent-wicklungszeit halbiert."

Beim Bau eines Formel-1-Boliden geht es den Ingenieuren vor allem um die aerodynamische Effizienz. Eine gute Aerodynamik ist das wichtigste Performance-Kriterium in der Formel 1. Damit kann sich ein Team noch am ehesten einen Vorsprung vor seinen Konkurrenten sichern. Auf der Suche nach dem besten Kom-promiss zwischen möglichst viel Abtrieb und möglichst wenig Luftwiderstand ist 'CFD' eine unerlässliche Hilfe.

Der Computer macht die Luftströme sichtbar, die das Fahrzeug umfließen, gleichzeitig ist zu erkennen, welche Auswirkungen einzelne Fahrzeugteile aufeinander und auf die Aerodynamik haben. Diese Darstellung zeigt den Ingenieuren folglich auch, wo sie Abtrieb gewinnen und wo sie Abtrieb verlieren. Und wenn sie wollen, können sie ihr virtuelles Modell gleich am Computer nach den soeben gewonnenen Erkenntnissen verändern.

Durch den hohen Entwicklungsdruck in der Formel 1 fehlt in vielen Fällen die Zeit für die langwierige Erprobung neuer Teile. Realitätsnahe und aussagekräftige Computersimulationen sind deshalb ein unerlässliches Hilfsmittel für die Ingenieure.

Damit stellen sie schon in einem frühen Entwicklungsstadium die Weichen für eine gute Performance der Boliden auf der Rennstrecke. Möglich sind diese Simulationen allerdings nur mit Hilfe riesiger Datenmengen. Die Ingenieure von Williams können dafür auf einen Supercomputer zurückgreifen, ähnlich dem, mit dem es Wissenschaftlern gelungen ist, den menschlichen DNA-Code zu entschlüsseln. Wie rege sie von dieser einzigartigen Möglichkeit Gebrauch machen, zeigen diese Zahlen: In der Saison 2001 floss bei Williams eine Datenmenge von 250 Gigabyte in die Entwicklung des Rennwagens, 2002 waren es bereits 800 und 2003 schon fast unvorstellbare 4.000 Gigabyte.

Bei der Nutzung von 'CFD' hat Williams einen großen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten: Während alle anderen Teams immer nur einzelne Teile getrennt voneinander testen können, nicht aber das Gesamtfahrzeug, erlaubt es die Kapazität des Supercomputers den Williams-Ingenieuren, alle auf das Fahrzeug einwirkenden Luftströme gleichzeitig zu simulieren. Das macht den Computer, mit dem aerodynamische Elemente ausprobiert werden können, ohne sie vorher anfertigen zu müssen, zu einer Art virtuellem Windkanal.

Durch die stetig wachsende Leistungsstärke der Supercomputer erreichen die Ingenieure mit 'CFD' auch in der Serienentwicklung eine immer größere Realitätsnähe. Dabei werden die Programme längst nicht mehr nur im Bereich der Aerodynamik eingesetzt, sondern helfen mit, alle wichtigen Strömungsvorgänge zu optimieren. "Die Durchströmung und das Ablagerungsverhalten in Rußfiltern wird genauso simuliert wie die Kraftstoffströmung beim Einspritzvorgang", so Dr. Christoph Lauterwasser vom 'Allianz Zentrum für Technik'. "Die 'CFD'-Methodik trägt somit zur effizienten Nutzung der Kraftstoffe und zur Minderung der Schadstoffemissionen bei."

Der reale Windkanal wird durch den Einzug von 'CFD' in die Konstruktionsbüros der Formel 1 keineswegs überflüssig. Im Gegenteil - die Systeme ergänzen sich hervorragend. Allein schon zur Überprüfung der Computersimulationen auf ihre Alltagstauglichkeit ist der Windkanal auch weiterhin unerlässlich. Nur mit seinen technischen Möglichkeiten können die Ingenieure per Knopfdruck unterschiedliche Rennsituationen simulieren, zum Beispiel das Überfahren der Kerbs oder starkes Bremsen.

Was im Windkanal eine Sache von 30 Minuten ist, würde den Computer wegen der dafür zu verarbeitenden Datenmengen nicht selten Stunden beschäftigen. So hat jedes der Systeme seine besonderen Stärken. "Im Windkanal erfährt man, wie etwas funktioniert", erläutert Naethan Eagles, "aber nicht, warum etwas besser funktioniert. Das zeigt nur der Computer."