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NASCAR 2017: Taumelnder Riese sucht Rettungsring

Mit dem Daytona 500 ist die neue NASCAR-Saison gestartet - Die Zeiten für den Sport sind jedoch stürmisch - Gelingt der Turnaround mit neuem Reglement?

(Motorsport-Total.com) - Mit dem 59. Daytona 500 ist die NASCAR-Saison 2017 endgültig gestartet worden. In einem Jahr voller Veränderungen steht viel auf dem Spiel, denn der Gigant ist in den vergangenen Jahren ins Taumeln geraten. Seit 2008 befindet sich NASCAR im Sinkflug. Bei den Einschaltquoten verzeichnete NASCAR 2016 bei 15 Rennen einen Zuschauerschwund im zweistelligen Prozentbereich. Die Fanbasis wird immer älter, zu wenig neue Fans kommen nach.

Titel-Bild zur News: Daytona 500, Start

Daytona 500 vor vollen Rängen: Bei Aushängeschild ist noch alles gut Zoom

Der Negativtrend setzte sich 2017 fort. Zum Daytona 500 liegen noch keine Zahlen vor, doch die Zeichen stehen weiter auf Sturm: Das Qualifying kam mit 2,4 Millionen Zuschauern auf 'FOX' auf den schlechtesten Wert seit 1998. Das waren 15 Prozent weniger als vergangenes Jahr und 29 Prozent weniger als 2015. Beim Duel am Donnerstagabend sah es noch etwas freundlicher aus: Mit 2,5 Millionen Zuschauern belief sich der Verlust auf nur zwei Prozentpunkte. Der Wert stellt ein Vierjahrestief dar, allerdings hatte das Duel bei seiner Verlegung in die Primetime-Zeit im Jahre 2014 stark zulegt.

Haben die Amerikaner ihre Liebe zum Automobil verloren? Das 'Wall Street Journal' zeichnet ein Bild von einer Situation, die schwer zu bekämpfen ist. "Es gibt keine magische Pille für dieses Problem", wird der frühere Teambesitzer Ed Rensi von dem amerikanischen Magazin zitiert. Auch in den USA ist ein Wertewandel in der Automobilkultur im Gange. Die Produktion von V8-Motoren, den einstigen Stolz der US-Autoindustrie, geht zugunsten von V6-Turbos immer weiter zurück. Die Einstellung der urbanen Bevölkerung zum Auto ändert sich auch in den USA.

Regeländerungen eine Panikreaktion?

Nun waren die gebildeten Schichten der Großstädte nie das Kernpublikum von NASCAR, obschon der Sport sein Schmuddelimage als Beschäftigung für ungehobelte Rednecks weitgehend abgelegt hat. Trotzdem war die Zielgruppe weitestgehend die weiße Arbeiterfamilie vor allem in den Südstaaten. Doch der Anteil der klassischen weißen Bevölkerung geht immer weiter zurück. Zusätzlich war diese Schicht am meisten von der Finanzkrise von 2008 betroffen, deren Folgen in den USA bis heute nachwirken. Das alles gepaart mit einem langsamen Wertewandel innerhalb der Gesellschaft kann zur Gefahr für NASCAR werden.

Die Organisatoren bekommen das bereits jetzt zu spüren. NASCAR, noch immer ein Milliardengeschäft, muss Abstriche machen. Dem 'Wall Street Journal' zufolge hat der Ausstieg des Telekommunikationsanbieters Sprint eine finanzielle Lücke hinterlassen, die durch Monster Energy nicht vollständig gedeckt werden kann. Der Deal sei nicht das, was NASCAR sich erhofft habe, heißt es im Journal, das schreibt: "Die Probleme von NASCAR sind außer Kontrolle geraten." Außerdem würden Helden fehlen, wenn die Fans einen Dale Earnhardt jun. zum beliebtesten Fahrer wählen, der die Hälfte der Saison 2016 gar nicht mitgefahren ist.

Natürlich versucht die Führungsriege rund um Brian France zu reagieren. Das Ergebnis ist ein seit Jahren immer weiter zunehmender Aktionismus. Der Chase wurde 2014 radikal reformiert und zu dieser Saison wurde ein komplett neues Rennformat eingeführt. Nach einem Rennen lässt sich noch nicht beurteilen, ob das ungewöhnlich hohe Maß an Aggression und Unfällen beim Daytona 500 damit zusammenhängt. Die Fans schreien jedenfalls auf. In einer Umfrage von 'Motorsport-Total.com' bezeichnen 38 Prozent das Format als "katastrophal", weitere 29 Prozent als "nicht wirklich gut". Nur 26 Prozent befürworten es.

In der Theorie sollte das Rennformat für mehr Spannung sorgen. Aber zahlreiche Fans fühlen sich durch die Komplexität mit Meisterschaftspunkten und Playoffpunkten sowie drei Rennsegmenten mit unterschiedlicher Punktegewichtung plus zusätzlichen Playoffpunkten für Fahrer mit den meisten Meisterschaftspunkten nach der Regular Season abgeschreckt. Dazu werden ab diesem Jahr zwei Meister in einer Saison gekrönt. Doch was der Titel des Regular Season Champions wirklich wert sein wird, bleibt abzuwarten.

NASCAR-Teamchefs widersprechen Wall Street Journal

Im NASCAR-Fahrerlager löst der Artikel des 'Wall Street Journals' wenig überraschend wenig Begeisterung aus. "Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein", tobt Teambesitzer Joe Gibbs. "Jeder von Brian abwärts engagiert sich. Wir haben unsere Partnerschaft mit FedEx auf lange Zeit verlängert. Und andere Sponsoren kommen ebenfalls rein, wie etwa Shell bei Roger (Penske; Anm. d. Red.). Und auch wir werden zwei neue Sponsoren haben, die wir noch nicht verkünden können. Wir haben vier gut finanzierte Autos in der Cup-Serie und drei weitere, ebenfalls gut finanzierte, in der Xfinity-Serie."

Brian France

NASCAR-Chef Brian France steht unter enormem Druck Zoom

Chip Ganassi twittert sarkastisch: "Hey WSJ, das Daytona 500 ist ausverkauft!" Roger Penske sagt zu den teils leeren Rängen auf einigen Speedways: "Ich erinnere mich, wie ich 2006 für den Super Bowl in Detroit verantwortlich war. Wir konnten uns glücklich schätzen, 70.000 Leute dort unterzubringen. Und wir erreichen bessere Zahlen als das an 38 Wochenenden im Jahr. Das sollten die Leute mal in Erwägung ziehen. Vielleicht haben wir in diesen Riesenstadien wie Michigan zu groß für die Finanzkrise konstruiert." Darüber hinaus hätten andere Sportarten wie die NFL dasselbe Problem.

Trotz allem machen Anleger hinter den Kulissen Druck. Das neue Reglement muss ein Erfolg werden. NASCAR hat noch weitere Pläne in der Hinterhand, etwa Rennen unter der Woche, wenn mehr Menschen abends Fernsehen schauen. Doch dies bewertet das 'Wall Street Journal' als unwahrscheinlich: Frances Schwester Lesa ist Chefin der International Speedway Corporation, der Besitzergesellschaft der meisten Strecken in den USA. Und hätte damit ein Interesse an vollen Rängen, die unter der Woche nicht erzielt werden könnten...

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