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  • 25.12.2012 12:00

  • von Pete Fink

Mehr Action: Gibt es jetzt ein Gegenmittel?

Sinkende TV-Quoten in den USA und halbleere Tribünen: In der NASCAR bereitet man sich auf den großen Gegenschlag vor - Im Fokus steht das neue Auto

(Motorsport-Total.com) - Die Sprint-Cup-Saison 2012 wird - um es vorsichtig zu formulieren - sicherlich nicht als ein Granatenjahr in die NASCAR-Geschichte eingehen. Zu oft gestalteten sich die Rennen als eintönige Veranstaltungen, die nach einem äußerst langatmigen Vorspiel vielleicht zum Finale an Schwung aufnahmen. Aber auch das war in einem großen Teil der 36 Punkterennen keineswegs garantiert.

Titel-Bild zur News:

Vor allem auf den 1,5-Meilen-Ovalen gab es zuletzt nur wenig Renn-Action

Gleichzeitig erreichten der Schwund der Zuschauerzahlen an der Strecke und auch die TV-Quoten in den USA im Vergleich zu den Vorjahren neue Tiefststände. Laut den NASCAR-Offiziellen liegen dabei viele Ursachen in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen: Hohe Spritpreise oder eine hohe Arbeitslosenquote werden gebetsmühlenartig als Ursachen öffentlich definiert. Doch ist dies die ganze Wahrheit?

Hier ein paar Zahlen zur Veranschaulichung: In der abgelaufenen Saison 2012 zählten die Offiziellen bei den beiden Sprint-Cup-Rennen von Talladega keine 200.000 Zuschauer mehr. Das ist immer noch eine Menge Holz, aber gegenüber den Zahlen aus der Saison 2008 - also vor nur vier Jahren - ein heftiger Rückgang. 2008 wurden noch 315.000 Zuschauer an den Kassenhäuschen von Talladega gezählt. Ein Minus von rund 37 Prozent. Auf dem Bristol Motor Speedway waren es im gleichen Zeitraum minus 23 Prozent und die TV-Ratings in den USA stehen seit 2008 mit minus 21 Prozent zu Buche.

Interessant: Nahezu parallel zu diesen Zahlen geht auch die Entwicklung der Gelbphasen bergab. In der Saison 2012 kam es nur zu 216 Caution-Perioden (darunter diverse Debris-Yellows), 2009 waren es noch deren 305. Eine hochinteressante Statistik, denn der Rückgang der Gelbphasen mit rund einem Drittel bewegt sich in etwa auf dem Level des Rückgangs in Sachen Zuschauerzahlen und TV-Quoten. Ist das alles nur ein Zufall?

Schach statt NASCAR-Action

Kein Zweifel: Nicht nur für die Fans, auch für die Piloten ist das Racing bisweilen eintönig. Tony Stewart witzelte schon vor einigen Jahren in Talladega via Bordfunk zu seinem Stewart/Haas-Team, dass man ihm doch bitte etwas Lustiges erzählen solle, damit er nicht einschlafe. Dale Earnhardt Jr. kommentierte das langatmige Hintereinanderherfahren zu Saisonbeginn 2012 wie folgt: "Das ist die Art und Weise, wie das Racing heute ist. Es ist früh in der Saison, alle versuchen so viele Punkte wie möglich zu machen, um den Chase zu schaffen."

Dale Earnhardt Jun., Jimmie Johnson

Dale Earnhardt Jr. und Jimmie Johnson: Früh an den Chase denken Zoom

NASCAR-Schach statt Renn-Action also, was Earnhardt auch begründen konnte: "Wenn du zum jetzigen Zeitpunkt in Unfälle verwickelt wirst und immer wieder irgendwo zehn oder mehr Punkte liegen lässt, dann wirst du ganz schnell Gefahr laufen, den Chase zu verpassen. Also musst du dein Auto sehr clever fahren." Oder anders formuliert: Sich aus allem Heraushalten und bloß nichts riskieren. Das Motto lautet: Platz 13 ist besser als Platz 33.

Sicherlich ist der Kampf um die zwölf Chase-Plätze, der im Prinzip bereits im Februar in Daytona beginnt, ein ganz wesentliches Merkmal der modernen NASCAR. Nur wer in den Playoffs steht, der hat allen Grund zur Annahme, dass er, sein Team und die Sponsoren bis zum Saisonende in den Schlagzeilen auftauchen werden. Wer den Chase jedoch verpasst, dessen Saison ist für die breite Öffentlichkeit eigentlich schon Mitte September zu Ende. Dies ist auch eines der Hauptargumente der Chase-Kritiker.

Doch es geht nicht alleine um den Chase. Es dreht sich vor allem auf den 1,5-Meilen-Ovalen um die Problematik, dass das Überholen in den vergangenen Jahren immer schwieriger wurde. Grund sind aerodynamische Effekte wie etwa die mittlerweile berühmt-berüchtigte "Dirty Air". Die Luftverwirbelungen also, die das klobige Car of Tomorrow verursacht(e) und die es dem Führenden in punkto Balance wesentlich einfacher machen als seinen Verfolgern.

Edwards schlägt Maßnahmen vor

Carl Edwards würde zu radikalen Gegenmaßnahmen greifen: "NASCAR hasst es, wenn ich das sage", meinte der Roush-Pilot im Frühsommer 2012. "Aber ich bin überzeugt davon, dass wir völlig ohne aerodynamische Hilfsmittel fahren sollten. Wir brauchen nichts, was Abtrieb erzeugt, keine Splitter oder riesige Spoiler. Meiner bescheidenen Meinung nach ist es mittlerweile eine allgemeine Erkenntnis: Wenn alle Autos und Fahrer gleich gut sind und sich in einer Zehntelsekunde bewegen, aber jeder von der Clean-Air und dem Abtrieb abhängig ist, um auf diesen Speed zu kommen, dann ist es nur logisch, dass wenn der Pilot vor dir die Luft verwirbelt, du einfach nicht so schnell unterwegs sein kannst wie bei freier Fahrt."

Carl Edwards

Carl Edwards würde gerne auf die gesamte Aerodynamik verzichten Zoom

Grundgesetze der Physik also, die nach der Edwardschen Theorie unabstellbar sind. Seine Forderung liegt auf dem Tisch: "Warum werden wir diese aerodynamischen Hilfsmittel also nicht los? Warum bringen wir keine weicheren Reifen an die Strecken? Das sind meiner Meinung nach Lösungsansätze, sodass Autos und Fahrer wieder mehr unternehmen müssen. Damit Fahrer und Crewchiefs wieder den Unterschied machen können und genau das ist meiner Meinung nach sehr wichtig."

Denn dann würde eines wieder möglich werden: Mehr Überholmanöver auf der Strecke. Edwards will sich dabei aber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen: "Ich kann nicht mit 100-prozentiger Sicherheit sagen, dass wir dann immer hochinteressante Rennen haben werden. Aber mit Sicherheit wird es wieder möglich werden, dass einer mit einem schnellen Auto durch das komplette Feld pflügen kann. Und genau das ist es doch, was die Leute sehen wollen."

Jimmie Johnson bringt noch einen weiteren Aspekt in die Diskussion. "Wir alle wollen das Side-by-Side-Racing. Eine klare Antwort, wie wir das bewerkstelligen können, habe ich nicht. Ich weiß nur, dass man in den vergangenen vier oder fünf Jahren viel am Regelwerk gearbeitet hat, wir aber keine Ergebnisse gesehen haben. Vielleicht sollte man sich daher einmal woanders umsehen. Zum Beispiel wenn an einer Strecke eine Neuasphaltierung nötig wird. Vielleicht braucht es ab und zu ein Re-Design, vielleicht gibt es auch in diesem Bereich Chancen, damit wir wieder besseres Racing bekommen."

Das neue Auto als Problemlöser?

Fakt ist also: Auch den Piloten blieben die aktuellen Probleme nicht verborgen. Lösungsvorschläge gibt es einige, aber der vielleicht größte Hoffnungsschimmer wird bereits in Daytona 2013 seine Premiere geben: Das CoT 2.0 oder das Gen6, wie es in der NASCAR-Garage bereits bezeichnet wird. Das neue Auto also, an dem quer durch die Bank viele Hoffnungen geknüpft sind.

Jimmie Johnson

Hübsch und schnell: Ist das Gen6 wirklich der ganz große Wurf? Zoom

Bei den jüngsten Testfahrten in Charlotte waren die Reaktionen fast einstimmig positiv: Das neue, leichtere Auto zeige bereits jetzt ein besseres Fahrverhalten als es das in der Saison 2007 eingeführte CoT jemals geboten habe. So zumindest der Grundtenor der Piloten. Auch die Crewchiefs schlossen sich dem an: Es sei zwar noch sehr früh, aber man befinde sich auf einem guten Weg, so deren allgemeine Meinung.

"Ich glaube, wir haben nun ein besseres Paket zur Verfügung", twitterte etwa Slugger Labbe, der erfahrene Childress-Crewchief von Paul Menard. Der frischgebackene Champion Brad Keselowski ging ins Detail: "Das Potenzial für ein besseres Racing ist da", sagte der Penske-Pilot. "Das Auto ist leichter und verfügt über eine bessere Gewichtsverteilung. Das sollte Goodyear erlauben, einen besseren Reifen zu konstruieren, der weniger fehleranfällig ist und durch eine höhere Grip-to-Aero-Balance, die das neue Auto jetzt generiert, das Side-by-Side-Racing wieder zulässt."

Es herrscht also wieder Optimismus rund um Charlotte. Ohne Zweifel ist das Design der Gen6-Boliden gelungen, alle Performance-Prognosen sehen positiv aus. NASCAR wird Anfang 2013 zwei weitere große Tests organisieren und hinter vorgehaltener Hand wird bereits gemunkelt, dass es vor allem zu Saisonbeginn in Las Vegas, Fontana und Texas noch weitere zusätzliche Testtage geben wird. Sollten sich die aktuellen Vorzeichen verdichten, könnte damit tatsächlich ein Umschwung eingeleitet werden.