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  • 29.12.2017 16:34

  • von Toni Börner

Kolumne: Tops, Flops, Gewinner und Pechvögel

Das waren die Tops und Flops, Gewinner und Pechvögel, der Motorrad-Saison 2017 aus Sicht des Motorsport-Total.com-Motorradexperten Toni Börner.

Titel-Bild zur News: Andrea Dovizioso

Andrea Dovizioso ist zu den klaren Gewinnern der Saison zu zählen Zoom

(Motorsport-Total.com) - Wie jede Saison hat auch das Jahr 2017 in der Motorrad-Szene zahlreiche Gewinner und Verlierer produziert. Da es manchen "Verlierern" nicht gerecht werden würde, den Titel "Flop" zu tragen, haben wir die Liste um den Punkt "Pechvögel" erweitert. (Die besten Sprüche der Saison!) Zahlreiche Fahrer und Teams würden auf diese Liste gehören, doch wollen wir uns hier aus Platzgründen auf die herausragenden Fälle beschränken. Von der MotoGP bis zur Isle of Man TT - hier sind die Tops und Flops der Saison 2017!

Gewinner: Andrea Dovizioso. Punkt.

Niemand, wirklich niemand, hätte von Andrea Dovizioso eine Saison wie 2017 erwartet. Mal ehrlich, 2016, als die MotoGP mehr einem Schießbuden-Massaker auf einem Jahrmarkt glich und gefühlt jeder Mal auf das oberste Treppchen durfte, da hörte man vor dem letzten Saisondrittel schon: "Der Dovizioso, der schafft es wieder nicht, selbst wenn jeder Mal darf." Als er dann seinen zweiten MotoGP-Sieg holte, war es ja wieder "nur" einer im Regen, wie schon der erste 2009 in Donington. Wer also hätte geglaubt, dass Dovi 2017 ganze sechs Rennen gewinnen und beim Finale in Valencia um die Weltmeisterschaft kämpfen würde? Richtig! Niemand.

Letztes Jahr stand die Weiterbeschäftigung von Dovizioso bei Ducati auch auf der Kippe, nach der Verpflichtung von Jorge Lorenzo war klar: Er oder Andrea Iannone mussten gehen. Zunächst erschien die Entlassung von Iannone noch als fragwürdig, holte der doch in Österreich den Trocken-Sieg für Ducati. Aber wie sich nun Ende 2017 herausstellt: Ducati hat alles richtig gemacht, Dovi zu behalten.

Gewinner: Jonas Folger am Sachsenring

Geil beschreibt diese Stimmung nicht mal im Ansatz. Jonas Folger, der Rookie, kämpft bei seinem Heimrennen auf Augenhöhe mit Überflieger Marc Marquez. Eine Stimmung, wie man sie sonst nur bei Rossi-Siegen kennt. Mit nur ein, zwei klitzekleine Fehlerchen vereitelte er sich selbst den Sieg. Rotzfrech sagt er nachher: "Letzte Runde Sachsenkurve, dort hätte ich es probiert." Aber auch das erste Podest des Bayern in der MotoGP wurde legendär gefeiert. Ein Deutscher in der Königsklasse beim Heimrennen am Sachsenring unter der Spitze der Weltelite: Da rücken einfach alle Fans zusammen. So soll es sein!

Top: Fights Marquez vs. Dovizioso

Marquez vs. Dovizioso hieß es nicht nur beim Finale in Valencia, das hieß es dieses Jahr mehrfach auf der Strecke im direkten Infight gegeneinander. Und die sind jetzt schon legendär. Da war Österreich, wo Dovizioso - wie er selbst sagt - einfach "hörte", was Marquez vor hatte und damit einen Sturz beider verhinderte und den Sieg mitnahm. Im Wheelie mit nur einer Hand am Lenker und - wie wir Motorradfahrer auf der Landstraße - mit der Linken zum Gruße an Marquez - ging es durch das Ziel.

Jonas Folger, Zuschauer, Flagge

Jonas Folger verzückte die einheimischen Fans am Sachsenring Zoom

Oder Japan. Eines der geilsten Regenrennen ever! Entscheidung auf der letzten Runde. Im Nassen - mit mehr Schräglage und Risiko, als 99,9 Prozent aller Motorradfahrer der Welt im Trockenen fahren können. Gänsehaut, Emotionen, Racing!

Top: Lucy Glöckners Kampf ums Bol-Podest

24-Stunden-Rennen sind die härteste und längste Distanz, die man im Motorrad-Rennsport zurücklegen kann. Früher waren diese Klassiker-Rennen schon früh in der Nacht "entschieden", oftmals kamen die führenden Teams mit mehreren Runden Vorsprung in den Tag der Zielankunft. Sicher kann dies auch immer noch passieren, sicher darf man sich niemals bei dieser Distanz sicher fühlen, bis die Zielflagge gefallen ist. Doch wenn dann nach 24 Stunden die Podest-Entscheidung um weniger als eine Sekunde fällt, dann ist das einfach Gänsehaut pur.

Spätestens seit dem Bol d'Or im September ist der Name "Lucy Glöckner" in aller Munde. Die 27-jährige Krumhermersdorferin kämpfte gemäß ihres Sternbildes wie ein Löwe, hatte aber auf den letzten Metern noch Pech mit zu überrundenden Teams, die in den "Ankommen-Cruise-Modus" gewechselt waren, während hier noch eine Schlacht gegen die #111 Werks-Honda tobte. Dass im gleichen Rennen die Penz-Truppe einfach mal "zeigte, dass wir es können, wenn wir es selbst machen" machte dies zu einem der besten Rennen des Jahres.

Top: Michael Dunlop: "Ich hab's euch gesagt"

Michael Dunlop hatte am 09. Juni 2017 mehr als Gutlachen: Er feierte bei der Senior-TT auf der Isle of Man seinen 15. TT-Sieg. "Ich habe es euch gesagt: Ich kann hier auf allem gewinnen", grinste der Neffe der Straßen-Legende Joey Dunlop nach seinem Sieg. Dunlop hatte auf die neue Suzuki GSX-R1000 gesetzt und damit für den fünften Hersteller einen TT-Sieg eingefahren.

Michael Dunlop, Isle of Man TT

Michael Dunlop zeigte es bei der TT allen - mit Ansage! Zoom

Zuvor gewann Dunlop auf Yamaha (3x Supersport, 2009, 2012 und 2017), Kawasaki (1x Superstock, 2011), Honda (5x, 3x Supersport, 2x 2013, 1x 2014, 1x Superstock, 2013, 1x Superbike, 2013), sowie fünf Mal auf BMW (1x Superstock 2014, 2x Superbike - 2014 & 2016, 2x Senior - 2014 & 2016).

"Das waren jetzt viele Hersteller - zu viele Hersteller, um sie zu zählen", war er damals glücklich. Und: Es war allen bewusst, dass man einen Michael Dunlop immer auf dem Zettel haben muss, dass er es aber auch auf der wirklich absolut brandneuen Suzuki - ohne jegliche Daten und Erfahrungswerte - schaffen würde, das hatten nur die Wenigsten erwartet.

Top: Marvin Fritz - Überlebenskampf von Assen

Marvin Fritz wurde beim Superstock-1000-Rennen in Assen in der letzten Schikane in einen schweren Unfall verwickelt und kann sich dabei sehr wohl als Glückspilz und Gewinner sehen. Dort sprang er dem Tod nämlich gewaltig von der Schippe. Gott-sei-Dank ging alles glimpflich aus und schon wenige Wochen später konnte er wieder Motorradfahren. Langsamer hat es ihn auch nicht gemacht!

Pechvögel: Zu früh aus dem Leben gerissen

Nicky Hayden und Angel Nieto wurden 2017 durch Verkehrsunfälle aus dem Leben gerissen. Beide viel zu früh. Der eine starb auf dem Fahrrad, der andere mit dem Quad. Beide waren und sind Legenden, die die Motorrad-Welt schwer vermissen wird. Beide hatten noch viel vor.

Nur wenige Tage vor seinem tragischen Unfall hatte ich noch das Glück, Nicky Hayden ein Wochenende lang Backstage mit der Kamera zu begleiten. Sein Satz: "Du kommst mir bekannt vor, dich hab sieht man doch immer und überall" - und den danach folgenden Smalltalk über MotoGP, Superbike, Isle of Man und Endurance - ich werde ihn mir in Ehren halten.


Fotostrecke: Die Karriere-Highlights von Nicky Hayden

Flop: Suzuki MotoGP Team

Sportlich gesehen natürlich ein Flop. Nach dem Sieg von Maverick Vinales im Vorjahr, gab es diese Saison in der MotoGP nicht einmal ein Podest. Suzuki wusste schon Ende 2016, dass Vinales nur schwer zu ersetzen sein würde und Iannone quasi alles, was auf dem Markt übrig war. Es wurden - wie von Teamchef Davide Brivio bestätigt - Fehler gemacht. Dahingehend, dass man die beiden Neulinge im Team zu früh hat Entwicklungsentscheidungen treffen lassen.

Flop: Vinales und der sicher geglaubte Titel

Dass Vinales zu Yamaha wechselte, kann man ihm sicher nicht verübeln. Es schien leicht, mit diesem Angebot Weltmeister zu werden. Zu leicht. Noch nach den ersten Rennen war Vinales der sicher geglaubte Champion. Doch danach fiel Yamaha quasi in ein Loch. Vinales selbst hatte die Wahl gehabt: Bei Suzuki bleiben und eine Legende wie Kevin Schwantz zu werden, oder bei Yamaha einer von Vielen. Es war ja trotzdem keine schlechte Saison von Mack, aber das "Minimal-Ziel" vom Titel wurde halt verfehlt.

Maverick Vinales

Maverick Vinales schien schon auf dem Weg zum Titel, als alles schieflief Zoom

Pechvogel: Ian Hutchinson - und wieder das kaputte Bein

Auf der Isle of Man zu stürzen, das ist immer so eine Sache. Ian "Hutchy" Hutchinson hatte dabei sicher noch Glück, dass er sich nichts schlimmeres als einen Beinbruch zuzog. Allerdings war es wieder die kaputte "Flosse", die ihm 2010 beinahe schon einmal amputiert worden wäre. Ein Gewinner ist er trotzdem: Auch 2017 holte er wieder zwei TT-Siege. Er hat nun deren 16 auf dem Konto: Exakt 8 mit dem herkömmlichen linken Fuß geschalten und 8 mit dem rechten Fuß über eine Spezialumlenkung geschalten. Als 2010 in Silverstone sein Leidensweg mit dem gebrochenen linken Bein begann, hatte er die ersten 8 TT-Siege auf dem Konto.

Pechvogel: John McGuinness

SO will definitiv keine Legende mit dem Rennsport aufhören. John McGuinness stürzte bei der NorthWest200 aufgrund eines technischen Defektes schwer, quasi unverschuldet, und brach sich das Bein. Nur wenige Tage vor seiner Parade-Diszipilin der Isle of Man TT, die der King of the Mountain schon 23 Mal gewonnen hat. Die Genesung zieht sich nach wie vor und es scheint, als wäre die Karriere gelaufen.

Gut, McGuinness muss niemandem mehr etwas beweisen außer sich selbst: Und das hat er angekündigt zu tun. Wenn auch 2017 für McGuinness nicht nur ein ganz schwieriges Jahr, sondern womöglich der persönliche Tiefpunkt war: The Morecambe Missile verschwindet nicht einfach so von der Tanzfläche und er will es nächstes Jahr wieder probieren. Vielleicht nicht bei der TT, vielleicht nicht auf den großen Bikes. Aber John McGuinness bestimmt selbst, wann er aufhört. Dafür wiederrum gibt es den Daumen hoch!

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