Italiener bringen Rennsport in die Serie, Japaner konservativ

Ducati und Aprilia begeistern bei der Motorradmesse in Mailand mit MotoGP-Technik - Bisher wenig Neues bei Honda, Yamaha, Kawasaki und Suzuki

(Motorsport-Total.com) - Die EICMA in Mailand ist für die Motorradbranche die wichtigste Messe des Jahres. Jahr für Jahr werden im November die heißesten Neuheiten für die darauffolgende Saison präsentiert. In diesem Jahr steht Ducatis neues V4-Superbike im Fokus. Die Italiener hatten lange zuvor angekündigt, dass das für das Unternehmen wegweisende Modell auf der EICMA gezeigt wird.

Titel-Bild zur News: Andrea Dovizioso

Andrea Dovizioso und Jorge Lorenzo mit der neuen Ducati Panigale V4 Speciale Zoom

Im Vergleich zum Generationswechsel bei Ducati standen die Neuheiten der anderen Hersteller klar im Schatten. Aus Rennsportsicht ebenfalls interessant war das, was Aprilia zeigte: Winglets bei einem Serien-Superbike. Erneut wurde deutlich, dass die italienischen Hersteller schneller sind, wenn es darum geht, Innovationen in Serie zu bringen. Die japanischen Hersteller gehen deutlich konservativer vor und setzen auf behutsame Änderungen.

Präsentiert wurden die 2018er-Modelle von den Rennsport-Helden der jeweiligen Hersteller. Bei Ducati waren Andrea Dovizioso, Jorge Lorenzo und Casey Stoner im Einsatz. Aber auch Superbike-Vizeweltmeister Chaz Davies war vor Ort. Yamaha setzte erneut auf Valentino Rossi. Bei Kawasaki vertraute man auf das WSBK-Duo Jonathan Rea und Tom Sykes.

Der Wechsel vom V2 zum V4 ist für Ducati ein großer Schritt. Jahrzehntelang hielt der Motorradhersteller aus Bologna dem Zweizylindermotor die Treue. In der Superbike-WM feierte man mit den bollernden Twins große Erfolge. Obwohl Ducati seit 2011 ohne Titel ist, liegen die Italiener in der Statistik nach wie vor weit in Führung. Doch ab 2019 setzt ein Generationswechsel ein. Ducati nutzte das in der MotoGP gesammelte Wissen und entwickelte einen V4-Motor mit dem vielversprechenden Namen "Desmosedici Stradale".

Ducati zeigt die Desmosedici für die Straße

Auf der EICMA konnten sich die Ducatisti sehen, wie die nächste WSBK-Maschine aussehen wird. Mit der gezeigten, 1.103 Kubikzentimeter großen, Maschine wird Ducati aber nicht antreten. Erst im kommenden Jahr wird die Homologationsbasis für die Superbike-WM präsentiert, die das Reglement von maximal 1.000 Kubikzentimetern einhält.

Chaz Davies

Chaz Davies saß schon einmal Probe für die WSBK-Saison 2019 Zoom

Dennoch ließ es sich Ducati nicht nehmen, neben der Standard- und S-Variante die erste Sonderedition zu zeigen: die Panigale V4 Speciale. Mit dem mitgelieferten Akrapovic-Auspuff soll das neue Superbike 226 PS mobilisieren. Damit übertrumpft die Ducati die anderen Serien-Superbikes bei weitem und dürfte bei Trackday-Events für Aufsehen sorgen.

Die Standard-Variante soll 214 PS stark sein. Auch damit dürften potenzielle Kunden nicht über mangelnde Leistung klagen. Abgesehen von limitierten Kleinserienmodellen gibt es im Moment bei keinem Hersteller mehr Leistung für die Straße.

Ducati Panigale V4

Panigale V4: Etwa 22.000 Euro verlangt Ducati für das Standard-Modell Zoom

In der Superbike-WM setzt Ducati in der kommenden Saison zum letzten Mal auf den 1.200 Kubikzentimeter großen Zweizylindermotor. Chaz Davies und Marco Melandri stehen unter Druck, denn es ist die letzte Chance, mit der bisher titellosen Panigale die Meisterschaft zu gewinnen und damit in die Fußstapfen der Vorgängermodelle 916/996/998, 999 und 1098/1198 zu treten.

Aprilia nutzt MotoGP-Know-how

Bereits im Vorjahr überraschte Aprilia mit der RSV4 R FW-GP - einer Art MotoGP-Superbike-Hybrid. Das auf dem Superbike RSV4 basierende Kraftpaket soll 250 PS leisten und kommt mit edlen Komponenten auf MotoGP-Niveau. Der enorme Leistungsschub im Vergleich zum Serien-Superbike wird durch eine pneumatische Ventilsteuerung erreicht.

Aprilia RSV4 Winglets

Die Aprilia RSV4 bringt die MotoGP-Aerodynamik in die Serie Zoom

Jeder Käufer wird in das Aprilia-Werk in Noale eingeladen, erhält eine farblich passende Aprilia-Lederkombi und darf bei einem MotoGP-Event seiner Wahl im Fahrerlager vorbeischauen. Zudem wird bei einer Trackday-Veranstaltung mit Hilfe der Rennsport-Ingenieure eine maßgeschneiderte Abstimmung erstellt. Das alles hat aber seinen Preis, den Aprilia nur auf Nachfrage verrät.

Deutlich greifbarer ist die RSV4 RF Superstock, die 215 PS an der Kurbelwelle leisten soll. Die Motoren der Superstock-Spezifikation werden im Werk von Hand gebaut und haben dadurch sehr geringe Toleranzen. Das Highlight für 2018 ist aber nicht der Motor sondern die Aerodynamik.

Aprilia RSV4 FW-GP

Aprilia RSV4 FW-GP: Etwa 250 PS dank pneumatischer Ventilsteuerung Zoom

Erstmals kommen bei einem Serien-Superbike Winglets nach MotoGP-Vorbild zum Einsatz. Die Flügelprofile an den Seiten der Verkleidung erinnern an die der MotoGP-Maschine RS-GP. Optisch zerstören die ungewohnten Elemente die schlanke Linie des V4-Superbikes. Sollte die Performance stimmen, dann werden Aprilia-Fans dieses Manko aber sicher in Kauf nehmen.

Japaner gewohnt konservativ

Pneumatische Ventilsteuerungen, Winglets nach MotoGP-Vorbild oder aus der Königsklasse abgeleitete Motoren mit mehr als 220 PS sucht man bei der Konkurrenz aus Japan vergeblich. Im vergangenen Jahr zeigten Honda und Suzuki neue Superbikes, die nahezu unverändert ins neue Modelljahr gehen.

Yamaha R1

Evolution statt Revolution: Die Yamaha R1 wurde nur im Detail verbessert Zoom

MotoGP-Ikone Valentino Rossi wirkte bei der Yamaha-Präsentation etwas verwirrt, als neben ihm die dreirädrige Niken der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Sonst fuhr Rossi mit den neuesten Supersportmodellen auf die Bühne. In diesem Jahr musste der Publikumsliebling gute Miene zum futuristischen Dreirad machen. Er meisterte diese Herausforderung gewohnt professionell.

Im sportlichen Bereich gab es wenig Neuigkeiten: Yamaha verfeinerte die für die Superbike-WM relevante R1 nur in Details. Neu für 2018 ist ein Blipper, mit dem auch beim Runterschalten auf die Kupplung verzichtet werden kann. Die italienische Konkurrenz bietet vergleichbare Systeme seit einigen Jahren an. Ansonsten beschränken sich die Änderungen an der R1 auf kleine Details, wie zum Beispiel andere Mappings für das Steuergerät und eine überarbeitete Version des elektronischen Öhlins-Fahrwerks.

2019 kündigt sich eine Neuheiten-Welle an

Dass die Basis der Kawasaki ZX-10RR gut genug ist, um im Rennsport erfolgreich zu sein, konnte man in der abgelaufenen WSBK-Saison sehen. Jonathan Rea brach sämtliche Rekorde und holte zum dritten Mal in Folge den WM-Titel. Das Spitzenmodell der Kawasaki-Ninja-Reihe geht deshalb unverändert ins neue Modelljahr.

Jordi Torres

Eine komplett überarbeitete BMW S1000RR kommt erst im Winter 2018/19 Zoom

Unterhalb der Doppel-R zeigt Kawasaki die ZX-10R SE, die sich eher an den sportorientierten Landstraßen-Racer wendet. Sie setzt auf ein elektronisches Fahrwerk, das in Zusammenarbeit mit Showa entstand.

Weitere Neuerungen gab es bisher nicht zu sehen. Man darf gespannt sein, ob die Hersteller bis zur neuen Saison noch Überraschungen parat haben. Ansonsten werden die Augen bereits auf 2019 gerichtet. Dann debütiert die V4-Ducati in der WSBK und BMW bringt eine komplett neue S1000RR.