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  • 27.08.2017 21:38

  • von Juliane Ziegengeist & David Emmett

Pechvogel Marc Marquez: Hätte um den Sieg kämpfen können

Seine WM-Führung ging in Rauch auf: Marc Marquez schrieb in Silverstone nach einem Motorschaden null Punkte - Reflexartige Reaktion verhinderte Schlimmeres

(Motorsport-Total.com) - Man musste kein Prophet sein, um zu erahnen, was Marc Marquez durch den Kopf ging, als er in seiner Box die letzten Rennrunden beim Grand Prix von Großbritannien (Rennbericht hier) am Bildschirm mitverfolgen musste. Kurz zuvor wurde der bisherige WM-Leader auf Rang drei liegend unschuldig aus dem Rennen katapultiert, als der Motor seiner Honda in Rauch aufging. Sieben Runden vor Rennende war der Spanier zum Zuschauen verdammt.

Titel-Bild zur News: Marc Marquez

Marc Marquez verlor in Silverstone unverschuldet viele WM-Punkte Zoom

Zu diesem Zeitpunkt jagte Ducati-Pilot Andrea Dovizioso noch den Führenden Valentino Rossi (Yamaha). Da hatte Marquez die WM-Führung bereits verloren. Weil Dovizioso in den finalen Runden noch die Spitze übernahm, hat der Honda-Pilot nun neun Punkte Rückstand auf den Italiener. Dabei hätte Marquez in Silverstone ohne seinen Motorschaden sehr wahrscheinlich um einen Podestplatz oder vielleicht sogar den Sieg mitkämpfen können.

Daraus versucht der Pechvogel immerhin etwas Positives zu ziehen: "Ich fühlte mich gut auf dem Motorrad und versuchte, das Rennen zu kontrollieren, um in den letzten Runden zu attackieren. Es ist das erste Mal, dass wir dieses Problem haben. Unglücklich, dass es im Rennen passiert ist. Aber auch das gehört dazu. Ich konzentriere mich darauf, dass wir mit Yamaha und Ducati um den Sieg kämpfen konnten. So müssen wir weitermachen."

Laut Marquez keine Anzeichen für einen Motorschaden

Bis zu seinem Ausfall hielt sich Marquez stets in den Top 4 auf, duellierte sich mit dem späteren Rennsieger Dovizioso und Maverick Vinales (Yamaha), der letztlich Zweiter wurde. "Ich versuchte, den Vorderreifen zu schonen, denn er ist unser größtes Problem, wenn die Temperaturen so hoch sind. Trotzdem konnte ich mich direkt hinter Vinales halten und sah Valentino an der Spitze, der noch immer in Reichweite war", blickt Marquez zurück.

"Als Dovi mich überholte, wurde mir klar, dass ich mich an ihm orientieren muss. Deshalb überholte Vinales auch sofort, nachdem er ihn überholt hatte, um Dovi weiter zu folgen. Denn er war wirklich schnell", analysiert der Spanier weiter. Doch die gemeinsame Jagd auf Rossi in Führung endete abrupt. Laut Marquez gab es keinerlei Anzeichen für einen Motordefekt. Zumal es sich dabei um einen "frische" Einheit gehandelt habe.


Fotos: MotoGP in Silverstone, Rennen


"Der Motor funktionierte einwandfrei", beschwichtigt der 24-Jährige und sieht auch keinen Zusammenhang zu seinen Stürzen am Freitag. "Ich fuhr mit diesem Motor das ganze Wochenende über weiter. Es wird alles analysiert, es lief alles perfekt. Aber irgendetwas ist passiert, irgendein mechanisches Problem innerhalb der Motoreneinheit. Jetzt müssen wir herausfinden, woran es lag. Aber Honda wird es schnell verstehen und für die Zukunft daran arbeiten."

Marquez: "So will man die Führung nicht verlieren"

Marquez und auch der zu diesem Zeitpunkt direkt hinter ihm fahrende Vinales hatten Glück, dass nichts Schlimmeres passierte. Der MotoGP-Weltmeister antizipierte die Situation schnell und zog den Kupplungshebel, als sein Hinterrad auf der Hangar-Geraden bei 300 km/h plötzlich blockierte. Dank der großzügigen Auslaufzonen konnte Marquez ausrollen, ohne zu stürzen. In dem Moment seien seine Gedanken sofort bei der WM gewesen.

"Den kleinen Vorsprung, den wir vor dem Rennen hatten, will man natürlich nicht auf diese Art und Weise verlieren", ärgert er sich. Dass Dovizioso die Gesamtwertung nun anführt, überrascht den Honda-Piloten indes nicht: "Schon vor dem Rennen war Dovi einer der Favoriten, einer der Hauptkonkurrenten. Er führt die WM jetzt an, hat mehr Siege. Wir müssen versuchen, die Top-5-Fahrer im Blick zu behalten. Sie sind alle mittendrin im Kampf um den Titel."

Maverick Vinales, Andrea Dovizioso, Valentino Rossi

In die Vergabe der Podestplätze konnte Marquez nach dem Defekt nicht eingreifen Zoom

Ähnlich äußert sich der neue WM-Leader: "Ich bin davon überzeugt, dass es bis Dani (Pedrosa; Anm. d. R.) komplett offen ist. Jedes Rennen kann alles ändern. Schaut euch Marc an. In den vergangenen Rennen konnte er eine Lücke aufmachen, heute hatte er Pech. Das kann jedem von uns passieren." Für Dovizioso selbst kam die Führung unerwartet: "Damit haben wir nicht gerechnet. Natürlich konnten wir uns steigern, aber man weiß nie, was die Konkurrenz gemacht hat."

Rossi und Co. erwarten engen WM-Kampf bis zum Schluss

Diese liegt bis Pedrosa bei noch sechs zu fahrenden Rennen innerhalb von 35 Punkten. Deshalb mahnt Dovizioso zu etwas mehr Geduld. "Wir sprechen zu viel über die Weltmeisterschaft", meint der Italiener. "Ich denke, es ist nicht die richtige Zeit dafür. Jeder muss sein Bestes geben, denn alle liegen eng beieinander. In sechs Rennen sind noch viele Punkte zu vergeben. Man muss von Rennen zu Rennen denken." Eine Philosophie, die nicht nur er verfolgt.

"Wir geben an jedem Wochenende unser Maximum", sagt etwa Vinales. "Jeder Hersteller hat sein Motorrad über die Sommerpause stark verbessert. Es sieht so aus, als hätten wir etwas mehr zu kämpfen. Aber jetzt kommen wir wieder dichter heran. Wenn unser Motorrad funktioniert, können wir sehr stark sein." In Silverstone schrammte der Yamaha-Fahrer nur 0,114 Sekunden am Sieg vorbei. In der WM liegt er vier Zähler hinter Marquez.

Teamkollege Rossi, der mit 157 Punkten auf Rang vier der Gesamtwertung steht, hatte den Titelkampf vor Silverstone schon mehr oder weniger abgeschrieben. Trotz seines Podiums zeigt er sich zurückhaltend: "Ich werde alles versuchen, aber ich bin nicht stark genug gegen Ende des Rennens. Dennoch bin ich nicht weit weg auf dem vierten Platz. Es ist schwierig. Wir müssen an diesem Problem arbeiten - und das so schnell wie möglich."

Auch Rossi betont, dass die Weltmeisterschaft in diesem Jahr etwas Besonderes sei. "Normalerweise kämpft man mit einem anderen Fahrer oder vielleicht maximal zu dritt. Aber diesmal sind es fünf. Und in den Trainings kann man schnell mal außerhalb der Top 10 landen", weiß der Routinier aus eigener Erfahrung. Beim Saisonfinale hätte er am liebsten Gleichstand - und hofft auf Regen am Sonntag: "Ich hoffe, dass sich die WM so in Valencia entscheidet."