"Mir war bange": Andrea Dovizioso vom Sieg überrascht

Körperlich geschwächt ging Andrea Dovizioso in Mugello an den Start und sicherte sich dennoch den Heim-Sieg mit Ducati - Neuer WM-Zweiter bleibt realistisch

(Motorsport-Total.com) - Es muss Balsam für die gescholtenen Seelen von Andrea Dovizioso und Ducati sein: Blieb der italienische Hersteller mit zwei Podestplätzen in fünf Rennen bisher hinter den Erwartungen, auch den eigenen, deutlich zurück, kam ausgerechnet beim Heim-Grand-Prix in Mugello die Erlösung. Die Roten siegten mit Dovizioso nicht nur erstmals seit Malaysia 2016, sondern standen in Italien auch zum allerersten Mal mit einem italienischen Fahrer ganz oben.

Titel-Bild zur News: Andrea Dovizioso

Andrea Dovizioso hatte nach seinem Heim-Sieg in Mugello allen Grund zum Feiern Zoom

Dabei hatte Dovizioso selbst wohl am wenigsten mit dem Sieg gerechnet. "Es war ein seltsamer Tag für mich. Das Seltsamste daran ist der Sieg", lacht der 31-Jährige, der eine schlaflose Nacht hinter sich hatte. Denn den MotoGP-Piloten quälten Magenprobleme. "Ich fühlte mich schwach", gibt er zu. Um Energie zu sparen, ließ er das morgendliche Warm-up aus. Seiner Rennperformance sollte das, wie sie später bestätigte, keinen Abbruch tun.

"Glücklicherweise war das nicht so schlimm, weil wir bereits in einer guten Lage waren. Für das Rennen hat es keinen Unterschied gemacht. Ich hatte den Rhythmus in meinem Kopf. Von daher brauchte ich vorher nicht noch einmal fahren", urteilt Dovizioso. Über die Distanz hatte er aber dennoch Sorge, dass ihm die Kräfte schwinden könnten: "Mir war bange vor dem Rennen, weil mir die Energie fehlte. Aber dann fand ich relativ leicht eine schnelle Pace."

Erst Vinales studiert, dann die Führung übernommen

Während Teamkollege Jorge Lorenzo zu Beginn nach vorn preschte und dann sukzessive einbüßte, ließ es Dovizioso zunächst ruhig angehen, wartete in Schlagdistanz ab, bis sich alles sortiert hatte und arbeitete sich dann nach vorn. Dabei lag er im Rennen nie schlechter als auf Rang vier. "Ich konnte hinter Maverick (Vinales; Anm. d. R.) bleiben und ihn studieren, seine Stärken und meine Stärken besser verstehen", erklärt "Desmo-Dovi" sein Rennen.

"Zehn Runden vor Schluss entschloss ich mich dazu, ihn zu überholen, hatte aber keine wirkliche Strategie. Doch dann realisierte ich, dass keiner wirklich schneller war. Ich fokussierte mich auf mich selbst und meine Pace, wusste aber nicht, ob ich noch zehn Runden überstehen würde", räumt der 31-Jährige ein. Die Führung konnte er schließlich bis ins Ziel halten. Danach gab es am Ducati-Kommandostand kein Halten mehr.

Auch für Dovizioso, der in Mugello mit anderen Herstellern in der Vergangenheit bereits mehrfach auf dem Podest stand, aber nie Erster wurde, ist es kein Sieg wieder jeder andere: "Der Sieg ist noch einmal anders, erst recht mit Ducati. Das ist es etwas ganz Besonderes. Wenn man ein Ergebnis nicht erwartet und es dann erreicht, ist das schön." Für den ersten Platz hatte der Italiener in Mugello eigentlich andere Kandidaten auf der Rechnung.

Andrea Dovizioso dank Sieg neuer WM-Zweiter

Auch während des Rennens realisierte er erst spät, dass ein Sieg möglich war: "Valentino (Rossi; Anm. d. R.) hat gegen Ende eines Rennens oft noch etwas in petto, in Mugello ist er ohnehin stark. Das war ein Fragezeichen. Maverick ist sehr stark. Und als ich zwei Runden vor Schluss sah, dass ihm nur 1,2 Sekunden fehlen, dachte ich, ich sei geliefert. Danilo (Petrucci) war auch nah dran und ist im Zweikampf immer stark", weiß Dovizioso.

Erst in der letzten Kurve sei ihm klar geworden, dass an diesem Sonntag mehr drin sein könnte. Der Ducati-Pilot erinnert sich: "Ich hatte auf der finalen Runde 0,8 Sekunden Vorsprung. Ich wusste nicht, ob er (Vinales) noch herankommen und es in der letzten Kurve versuchen würde." Doch eine Attacke des Yamaha-Konkurrenten blieb ihm erspart. Dieser behält in der WM-Tabelle zwar die Führung, doch Dovizioso rückte auf Rang zwei nach vorn.

Illusionen macht sich der Italiener aber nicht. "Ich bin realistisch. Viele Leute finden, ich wäre zu negativ, aber ich sage, ich bin realistisch. Wir können in einigen Rennen sehr schnell sein. Aber unsere Basis ist für 18 Rennen nicht gut genug", schätzt Dovizioso seine Ducati ein und blickt auf den Großen Preis von Spanien voraus: "Wir werden es nächste Woche sehen, auf einer komplett anderen Strecke mit wenig Grip. Im Vorjahr hatten wir dort Probleme."


Fotos: Andrea Dovizioso, MotoGP in Mugello


Neue Ducati-Stärke? "Nichts Spezielles gefunden"

Der MotoGP-Routinier warnt daher davor, jetzt übermütig zu werden und zu glauben, man könne jedes Wochenende um den Sieg und am Ende der Saison um den WM-Titel kämpfen. "Das wird schwierig", sagt Dovizioso. Denn er weiß, dass die Desmosedici noch immer an vielen Stellen krankt: "Wir haben nichts Spezielles gefunden. Das Layout dieser Strecke passt besser zu uns. Die negativen Seiten sind hier nicht so sehr zum Vorschein gekommen."

Genau das könne sich beim nächsten Grand Prix schon wieder umkehren. Dennoch gibt sich der neue WM-Zweite nach seine Mugello-Sieg kämpferisch: "Ich bin ein WM-Fahrer und hole mit meinem Motorrad immer das Maximum heraus. Den Speed, den wir dieses Wochenende hatten, hatten wir vorher nie. Wir müssen sehen, wie sich das in Barcelona entwickelt. Im Test war es dort nicht so gut. Aber jedes Wochenende ist anders."