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Vinales "über dem Limit": Wie er das Duell mit Rossi gewann

Maverick Vinales geht als Sieger aus dem Rennen in Le Mans hervor - Er verrät seine Taktik im Duell gegen Valentino Rossi - Lob für Zarco, Vorfreude auf Mugello

(Motorsport-Total.com) - Pole-Position, schnellste Rennrunde samt neuem Rundenrekord und dazu noch der dritte Saisonsieg im fünften Rennen - die Bilanz von Maverick Vinales am Grand-Prix-Wochenende der MotoGP in Le Mans kann sich sehen lassen. Der Spanier siegt in Frankreich nach einem Duell mit Teamkollege Valentino Rossi und Tech-3-Rookie Johann Zarco. "Das war das Rennen mit den stärksten Gegnern bisher", schildert er nach seinem Triumph - der 500. Erfolg für Yamaha insgesamt. (Das Ergebnis im Detail!)

Titel-Bild zur News: Maverick Vinales

Die neue #1: Nach dem dritten Sieg gibt's ein Küsschen von Vinales für die M1 Zoom

Zu Rennstart konnte sich der 22-Jährige noch nicht durchsetzen. Wie gestern in der Pressekonferenz von Vinales prognostiziert, setzte sich Zarco in der ersten Kurve an die Spitze. Erst in Runde sieben gelang dem Polesetter das entscheidende Manöver. "Speziell am Anfang war Johann unglaublich. Ich dachte, dass sein Hinterreifen irgendwann nachlassen wird, das ist aber nicht passiert." Zarco hatte sich nämlich für den weichen Reifensatz entschieden, während Vinales auf Medium unterwegs war. "Er hat wirklich einen guten Abstand gehalten. Er ist in den Sektoren zwei und drei sehr gut gefahren, daher war es schwierig zu überholen."

In der ersten Kurve habe er schließlich meine Chance gesehen. "Ich konnte dann aber auch nicht wirklich wegfahren. Ich konnte es nicht glauben, weil ich mittlere 1:32er-Zeiten gefahren bin. Sie waren aber immer noch dran", zeigt sich der Sieger verwundert. Sowohl Zarco als auch der zwischenzeitlich drittplatzierte Rossi konnten mit Vinales mithalten. Erst in Runde 23 änderte sich die Reihenfolge an der Spitze ein wenig. Rossi ging an Zarco vorbei und bereitete den Angriff auf seinen neuen Teamkollegen vor.

Duell mit dem "Doktor": Kleiner Fehler in Kurve 7 entscheidend

"Als ich Valentino gesehen habe, wusste ich, dass er mich einholen will. Er hat mich dann auch überholt, daher musste ich mich für die letzten zwei Runden gut vorbereiten", schildert Vinales. Rossi setzte in Runde 26 ein erfolgreiches Manöver und zog mit zwischenzeitlich neuem Rundenrekord etwas weg. Vinales wollte ihn jedoch nicht ziehen lassen: "Ich habe mein Bestes gegeben, hundert Prozent. Ich wusste, dass ich für den letzten Sektor gut planen muss. In den ersten beiden Sektoren war ich knapp hinter ihm, da wusste ich, dass ich überholen muss."

Im Duell mit dem neunfachen Champion wusste Vinales: "Auf dieser Strecke hat man auf der letzten Runde noch viele Möglichkeiten. Ich wollte ihn am Bremspunkt von Kurve 8 überholen. Als ich gesehen habe, dass er in Kurve 7 einen kleinen Fehler gemacht hat, wusste ich, dass das meine Chance war. Schon das gesamte Wochenende war ich in Sektor drei sehr schnell. Wenn ich dort als Erster rauskomme, dann kann ich es schaffen, sagte ich mir. Als ich den Fehler sah, habe ich so spät wie möglich gebremst. Da habe ich viel riskiert, weil ich mit viel Druck voll auf der Bremse stand. Dennoch war das Bike an der Front wirklich gut heute", freut er sich über das geglückte Manöver.

Maverick Vinales, Valentino Rossi, Johann Zarco

Vinales der Gejagte: Rossi und Zarco setzten den Sieger in Le Mans unter Druck Zoom

Das Risiko sei es wert gewesen, schildert er außerdem. Denn Vinales wollte den Sieg unbedingt einfahren. "In der vorletzten Runde dachte ich, dass ich den Sieg unbedingt mitnehmen muss. Ich durfte diese Chance nicht auslassen. Ich musste über das Limit gehen." Er sei in der letzten Rennrunde alle Kurven wie im Qualifying angefahren - mit geschlossenen Augen, erzählt er. "Ich bin bei 110 Prozent gefahren. Valentino war so beeindruckend, er hatte so viel Vertrauen in die Front. Er war in Sektor zwei so gut", streicht er auch die gute Fahrt des Altmeisters hervor. Daraufhin wirft der zweitplatzierte Zarco mit einem Lächeln ein: "Das war eine gute Entscheidung, so viel Risiko zu nehmen, weil ich als Dritter hinten gelauert habe."

"Das war eine gute Entscheidung, so viel Risiko zu nehmen." Zarco scherzt mit Vinales

Vinales wusste nichts von Rossis Sturz: "Habe alles riskiert"

Erst in der letzten Runde sollte sich das Duell um den Sieg schließlich entscheiden. Als Rossi in Kurve 11 schließlich stürzte, war der dritte Saisonsieg für Vinales fixiert. Der Sieger selbst wusste allerdings nicht, dass sein Hauptgegner gestürzt war. "Nein, ich habe noch alle möglichen Angriffsflächen abgedeckt. Ich wusste es nicht. Ich habe dann noch viel riskiert, weil ich den Vorderreifen stark beansprucht habe", verrät er nach der Zieldurchfahrt. Nachsatz: "Ich war darauf vorbereitet, dass er in der letzten Kurve überholen würde. Ich habe schon auf die Berührung gewartet", schmunzelt er.

"Ich bin so glücklich, dass ich jetzt wieder führe nach zwei schlechten Rennen", gibt er zu, denn sowohl in Austin (Ausfall) als auch in Jerez (Platz sechs) lief es für den WM-Führenden nicht nach Wunsch. "Es war auch wirklich cool, am Ende noch die schnellste Runde zu fahren. Ich habe mich heute wirklich toll gefühlt auf dem Bike", bestätigt der Spanier seinen starken Eindruck. Mit einer 1:32.309 Minuten stellte er außerdem einen neuen Rundenrekord im Rennen auf. "Ich habe mich gefühlt wie bei meinem ersten Sieg in der 125er-Klasse. Der Sieg heute war sehr besonders", denn 2011 schnappte er sich eben in Le Mans in der Moto3-Klasse in der letzten Runde seinen ersten Sieg.

War der Triumph in Le Mans auch sein bisher wichtigster Sieg? "Das war heute ein wirklich wichtiges Rennen. Wir haben viele Punkte mitgenommen und meine Hauptkonkurrenten haben keine Punkte gesammelt. Es war wichtig, diese Chance zu ergreifen", beginnt Vinales seine Erklärung auch im Hinblick auf die WM-Tabelle. Allerdings hält er fest: "Der wichtigste Sieg war aber in Katar. Dort mussten wir zeigen, dass wir es können. Wir hatten sehr viel Druck." Beim Auftaktrennen konnte er seine gute Frühform, die er schon bei den Testfahrten gezeigt hatte, bestätigen.

Nach dem schwierigen Wochenende in Jerez, wo Yamaha hinter den Erwartungen geblieben ist, muss sich Vinales nun fragen, was den Unterschied ausgemacht hat. "Das Bike ist immer ziemlich ähnlich. Es ist dasselbe Bike, das wir auch im Warm-up in Jerez gefahren sind. Der Grip auf dem Hinterreifen war ziemlich ähnlich, der war auch in Jerez gut", betont er die Stärke der M1. Der Unterschied lag auf der Vorderachse: "Auf der Front war es ganz anders. Ich hatte ein wirklich gutes Gefühl - von Beginn bis zum Ende. Um diese Pace zu fahren, brauchte ich konstant guten Grip. Das gleiche Gefühl hatte ich schon in Argentinien und Katar." Dort konnte er ebenfalls siegen.


MotoGP in Le Mans

Für die Weltmeisterschaft sei der Le-Mans-Grand-Prix sehr gut gewesen, weiß auch Yamaha-Teammanager Massimo Meregalli im Interview bei 'ServusTV'. "Jerez war ein wirklich komisches Rennen für uns. Als wir dorthin kamen, dachten wir, wir könnten gewinnen. Dann ist es anders gelaufen und wir hatten viele Probleme. Zum Glück ist es heute anders gelaufen." Er trauert nur der verlorenen Podiumschance von Rossi nach. Denn der Italiener ist in der WM-Tabelle durch seinen ersten Ausfall 2017 nun abgerutscht.

"Auf der Front war es besser. Ich hatte ein wirklich gutes Gefühl." Vinales über bessere M1 in Le Mans

Vinales liegt mit 85 Zählern vor Dani Pedrosa (68) und Rossi (62). Auch ein weiterer wichtiger Gegner konnte in Frankreich nicht punkten: Marc Marquez. Der Honda-Pilot lag im Rennen konstant auf Rang vier, als er in Runde 18 stürzte. "Die Fahrer, die im Rennen gecrasht sind, tun mir leid. Ich kenne das Gefühl selbst von meinem Sturz in Austin", bedauert Vinales. "Das ist niemals gut. Als ich gesehen habe, dass Marquez draußen ist, wusste ich, dass ich jetzt keinen Fehler mehr machen darf. Ich wollte einfach aufs Podium fahren."

Rossis Rache in Mugello? "Das wird nett!"

Am 4. Juni wird der sechste Saisonlauf in Mugello stattfinden. In Rossis Heimat wird es für Vinales schwierig, "weil Valentino dort sehr stark ist", weiß er. "Die Strecke passt aber sehr gut zu meinem Fahrstil. Es scheint auch ein guter Kurs für die Yamaha zu sein. Aber ich will keine Erwartungen aufbauen, weil wir uns schon in Jerez eigentlich gut gefühlt haben und dann war es doch kein gutes Rennen. Ich weiß aber, dass wir ein gutes Bike haben. Es ist sehr stabil und hat sehr guten Grip hinten. Davon müssen wir profitieren."

Folgt auf heimischen Boden die Racheaktion von Rossi? Vinales lacht. "Das wird nett! Diese Kämpfe sind cool. Wir zeigen gute Fahrten auf dem Bike. Ich hoffe, dass ich gewinnen kann", stellt er klar. "Es ist sehr wichtig, nach einem Duell den Sieg mitzunehmen. Aber Valentino ist so gut und er wird sicherlich nicht aufgeben. Er wird pushen - in Mugello sogar noch mehr."


Fotos: Yamaha, MotoGP in Le Mans