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  • 24.04.2017 01:14

  • von Maria Reyer & David Emmett

Austin-Zwist: Rossi gesteht Vorteil & ärgert sich über Zarco

Valentino Rossi wird in Austin für einen Zwischenfall mit Johann Zarco bestraft - Rennleitung erklärt Strafausmaß - Zarco rechtfertigt: "Musste es einfach versuchen"

(Motorsport-Total.com) - Fast hätte es zwischen Valentino Rossi und einem Yamaha-Fahrer in Austin schon wieder gekracht. Im Grand Prix der USA in Texas konnte der Routinier einer heiklen Situation mit MotoGP-Rookie Johann Zarco ausweichen, nachdem er bereits gestern im Qualfiying fast eine Berührung mit Teamkollege Maverick Vinales gehabt hätte. Rossi wurde nach dem Zarco-Zwischenfall für das Abkürzen von Kurve 4 von der Rennleitung im Nachhinein bestraft: Drei Zehntelsekunden wurden auf seine Rennzeit addiert. Trotzdem holte sich der 38-Jährige den zweiten Platz und die WM-Führung.

Titel-Bild zur News: Valentino Rossi, Johann Zarco

Valentino Rossi und Johann Zarco kamen sich in Austin gefährlich nahe Zoom

Die Strafe akzeptiert der neunfache Weltmeister zwar, trotzdem kann er sie nicht nachvollziehen: "Für mich war das nicht die richtige Entscheidung. Ich hatte nur zwei Optionen. Entweder ich fahre, wie ich eben gefahren bin, oder wir berühren uns und wir kollidieren." In der Anfangsphase des Rennens konnte Zarco auf der Tech-3-Yamaha auf dem vierten Platz mit seinem Werkskollegen mithalten. Er wollte in Kurve 3 den Angriff wagen, dabei gab es eine leichte Berührung zwischen den beiden.

Rossi ging daraufhin in Kurve 4 weit, ehe er als Dritter wieder zurück auf die Strecke kam. Zarco musste daraufhin abreißen lassen und konnte die Pace von Rossi nicht mehr mitgehen. Die Rennleitung argumentiert, dass Rossi einen Vorteil durch das Abkürzen erlangt hätte, daher die Zeitstrafe. "Ja, ich habe einen Vorteil gehabt", gibt Rossi sogar zu. "Drei Zehntelsekunden sind okay für mich."

Rossi: Nicht Rennleitung, sondern Zarco das Problem

Renndirektor Mike Webb erklärt nach dem Vorfall gegenüber 'crash.net' die Argumentation für die Strafe: "Die Denkweise dahinter ist, dass du keinen Vorteil erfahren darfst, wenn du die Strecke verlässt. Es gab einen klaren Vorteil, weil er näher an Marquez herankam. Wir haben diesen Vorteil negiert." Webb muss allerdings auch zugeben, dass Rossi die Strecke nicht freiwillig verlassen hat. "Es war zwar nicht seine Schuld, allerdings hat er dennoch die Pflicht, keinen Vorteil aus solch einer Situation zu ziehen." Wäre Rossis Abstand zu Marquez, der zu jenem Zeitpunkt auf der zweiten Position lag, nicht signifikant geschmolzen, hätte die Rennleitung keine Strafe ausgesprochen.

Rossi sieht auch gar nicht die Rennleitung als Problem an - "eher Zarco", schießt er sich auf den Moto2-Champion ein. Der Fahrstil des Franzosen gefällt dem Yamaha-Star nicht. Zarco, der erst in diesem Jahr in die MotoGP aufgestiegen ist und gleich im allerersten Rennen einige Runden lang Führungsluft schnuppern durfte, habe sich noch nicht an die MotoGP-Spielregeln gewöhnt: "Er ist immer sehr schnell, er fährt das Bike sehr gut und er hat großes Potenzial, aber das ist hier nicht die Moto2", mahnt Rossi. "Wenn du überholen willst, dann solltest du das auf eine andere Art und Weise machen. Er kommt immer sehr spät an. Er müsste ruhiger sein."


MotoGP in Austin

Austin-Seriensieger Marc Marquez sah den Zwischenfall ebenfalls und konnte sich seine eigene Meinung bilden. "Die Strafe ist jetzt nicht so hart. Das ist eben Racing. Es war eng. Ich denke nicht, dass Valentino dadurch einen Vorteil hatte", spricht er sich gegen die Strafe aus.

"Das ist hier nicht die Moto2." Valentino Rossi zu Johann Zarco

Zarco: "Musste meine Chance nutzen" - Attacke war notwendig

Im Endeffekt hatten die drei Zehntelsekunden keine Auswirkung auf das Rennergebnis. Deshalb sieht auch Johann Zarco selbst die Situation gelassen. Nach dem Rennen schildert der Franzose seine Sicht der Dinge. Auf die Aussage von Rossi, dass die MotoGP eben nicht die Moto2 sei, reagierte der Tech-3-Rookie salopp: "Nein, das ist die MotoGP. Das war der Grund, warum die Art und Weise des Manövers vielleicht nicht geklappt hat", lacht er. "Es war aber notwendig, es zu versuchen. Ich hatte die Chance, ihn zu überholen. Es war einfach notwendig, den Angriff zu wagen", ist er nach wie vor von seiner Tat überzeugt.

Zarco hatte am Start ein paar Positionen verloren, ehe er in einen guten Rhythmus kam und schließlich hinter Rossi auf der vierten Position fuhr. "Ich habe versucht, Valentino zu folgen. Ich war ziemlich nahe dran, daher habe ich versucht, Valentino zu überholen. Ich habe mich sehr gut gefühlt. Wir hatten den Kontakt, danach konnte er schneller fahren." Rossi sei in Kurve 2 langsamer geworden, da er in Kurve 1 einen Fehler machte. Da witterte Zarco, der am Ende guter Fünfter wurde, seine Möglichkeit.

"Ich dachte, in Kurve 3 hätte ich eine Chance. Aber er war eben auch in der Lage recht schnell durch Kurve 3 zu fahren. Ich habe eben die Entscheidung getroffen, es zu probieren - und das tat ich dann auch. Es war am Limit. Das Schlimmste daran war, dass ich den Anschluss an die Honda-Jungs verloren habe. Er konnte sie am Ende noch einholen, ich musste abreißen lassen. Das kann eben passieren." Ob die Strafe gegen Rossi gerechtfertigt sei? "Ich weiß nicht. Die Strafe hat ja nichts geändert an seiner Position." Denn trotz Strafe hatte Rossi im Ziel zwei Sekunden Vorsprung auf den drittplatzierten Dani Pedrosa.

Kommunikation: Warum Rossi nichts von der Strafe wissen wollte

Ein weiteres heikles Thema im Rossi-Zarco-Zwischenfall war die Kommunikation der Piloten mit ihren Crews. Denn Rossi wusste während des gesamten Rennens nichts von seiner Strafe. Die Honda-Box diskutierte minutenlang, ob man Pedrosa darüber informieren sollte oder nicht - was man schließlich auch tat. Jedoch ohne gewünschten Erfolg, denn der Spanier konnte nicht auf 0,3 Sekunden an den Italiener heranfahren.

"Wir haben eben keine ständige Kommunikation, man kann nur auf das Bord schauen. Mein Team hat gewartet", erklärt Rossi. "Als ich Dani überholen konnte, fuhr ich einen guten Abstand in den ersten beiden Sektoren heraus, rund eine Sekunde. Daher dachte mein Team, dass es unwichtig sei, es mir zu zeigen." Damit sei der neue WM-Führende auch einverstanden.

Daniel Pedrosa, Valentino Rossi

Rossi konnte Pedrosa drei Runden vor Rennende noch überholen Zoom

Denn solch eine Information kann sich negativ auswirken: "Wenn du das auf das Bord schreibst, also 'Strafe' oder 'Strafe 0.3', dann könnte ich auch nur die Strafe und womöglich statt drei Zehntel noch drei Sekunden lesen. Dann hätte ich auf der letzten Runde das maximale Risiko genommen, da hätten Fehler passieren können. Daher war es für mich die richtige Entscheidung, es nicht anzuzeigen. Ich brauchte es nicht zu wissen."

WM-Führung für Rossi "große Überraschung"

Pedrosa stimmt mit dem "Doktor" überein: "Ich habe nur das Bord mit dem Wort 'Strafe' gesehen. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nichts mehr unternehmen, weil ich mit meinem Reifen gekämpft habe. Es war nicht wirklich wichtig, das zu wissen - außer ich hätte in der letzten Runde noch eine Attacke fahren können. Manchmal ist es ein Problem, wenn man nicht genau sieht, was auf dem Bord steht", gibt der Honda-Pilot zu.

Rossi holte auch mit Strafe den zweiten Platz, sein drittes Podium in diesem Jahr. Mit sechs Punkten Vorsprung auf Maverick Vinales führt er die Weltmeisterschaft an. Er selbst bezeichnet das als "große Überraschung", speziell nach den Testfahrten, die "sehr deprimierend" gewesen seien. "Das waren erst drei Rennen, es wird sehr schwierig sein, in dieser Position zu bleiben", kennt Rossi seine starke Konkurrenz genau.


Fotos: Valentino Rossi, MotoGP in Austin


Auf der M1 fühlt er sich nun wieder wohler. "Wir haben überlegt, das alte Bike zu nehmen, aber wir haben die richtige Wahl getroffen. Das Problem war, dass wir mehr Zeit benötigt haben, um das Bike kennenzulernen. Vor allem gegen Rennende kann ich nun pushen." Schon im Qualifying am Samstag habe man die Balance zwischen Front und Heck gut getroffen, der Medium-Reifen habe ebenfalls gut funktioniert. Der zweite Platz ist Rossis bestes Ergebnis in Austin.