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WM-Dreikampf in der Moto2: Bestandsanalyse von Tom Lüthi

Elf Jahre nach seinem ersten WM-Erfolg greift Tom Lüthi nach dem Moto2-Titel: Der Schweizer schiebt aber WM-Leader Johann Zarco den Druck zu

(Motorsport-Total.com) - Nach dem Australien-Grand-Prix auf Phillip Island werden die Top 3 der Moto2 durch 25 Punkte getrennt. Tom Lüthi schob sich durch den zweiten Sieg in Folge auf die zweite Position und reist mit 22 Punkten Rückstand auf WM-Leader Johann Zarco zur 17. und vorletzten Station der Saison 2016. "Es ist eine schöne WM. Viel ist in dieser Saison passiert", bemerkt der Titelverteidiger vor dem Rennen in Malaysia.

Titel-Bild zur News: Thomas Lüthi

Tom Lüthi setzt WM-Leader Johann Zarco immer mehr unter Druck Zoom

Zarco ist 2016 weniger dominant als im Vorjahr. Im Sommer holte er bei fünf Rennen vier Siege und einen zweiten Platz, doch seit Spielberg stand der Franzose nur noch ein Mal auf dem Podium und gewann kein Rennen mehr. Hauptkonkurrent Alex Rins schwächelte ebenfalls. Lüthi nutzte die Chance und verkürzte in Japan und Australien den Rückstand deutlich.

"Ich habe mich bisher auf Alex konzentriert, weil er WM-Zweiter war. Trotz seiner Schlüsselbeinverletzung hat er Punkte auf mich aufgeholt. Währenddessen wurde Lüthi immer stärker. In Australien ist er ein unglaublich gutes Rennen gefahren. Jetzt ist er WM-Zweiter. Er ist momentan sehr stark", lobt Zarco, der sich aber nicht aus der Ruhe bringen lassen möchte: "Ich bin wahrscheinlich in der besten Situation, weil ich die WM anführe."

"Nach Österreich hatte ich einen guten Vorteil und es sah einfach aus. Dann fühlte ich mich in Tschechien im Regen nicht wohl und machte anschließend in Silverstone einen Fehler. Von diesem Zeitpunkt an habe ich etwas Zuversicht verloren. Ich weiß es nicht. In Japan war es sehr schön, auf dem Podium zu stehen. Ich wusste, dass Australien für mich eine schwierige Strecke ist. Ich fand mein Limit und konnte nicht darüber hinausgehen", kommentiert Zarco den enttäuschenden zwölften Platz beim Rennen auf Phillip Island.

Johann Zarco, Thomas Lüthi, Alex Rins

Tom Lüthi, Johann Zarco und Alex Rins vor dem Sepang-Grand-Prix Zoom

Trotz der schwachen Performance in Australien könnte Zarco den Titel schon vorzeitig sicherstellen, wenn er in Sepang das Rennen gewinnt. "Natürlich kann ich lächeln, denn wenn ich gewinne, dann bin ich Champion. Das wäre der einfachste Weg. Ich hoffe, dass es so wird. Ich muss clever sein. Selbst wenn ich nicht hier Champion werde, dann muss ich vor den anderen beiden ins Ziel kommen", stellt er klar.

Lüthi möchte nicht an die WM denken

WM-Rivale Lüthi befindet sich aktuell in Topform und genießt das Fahren: "Dass ich die Überseetour mit zwei Siegen begonnen habe, ist brillant. Damit bin ich jetzt in einer ganz anderen Position in der Weltmeisterschaft. Für mich ist es wahrscheinlich einfacher als für Johann, denn er muss mehr rechnen und nachdenken. Ich versuche, meine derzeitige Form fortzusetzen und um den Sieg zu kämpfen. Ich glaube, es wäre ein Fehler, wenn ich zu viel nachdenke", erklärt der Schweizer.

Warum ist Lüthi seit Japan so stark? "Ich denke, es liegt an unserer konstanten Arbeit. Für diese Saison habe ich meinen Crewchief gewechselt. Mit Gilles Bigot zu arbeiten, ist brillant. Wir lernen immer noch voneinander und verstehen uns immer besser. Wir wachsen gemeinsam. Das ist ein wichtiger Punkt, den wir fortsetzen wollen", schildert Lüthi, der gern in Sepang fährt.

Thomas Lüthi

Kalex-Pilot Tom Lüthi gewann drei der vergangenen fünf Grand Prix Zoom

"Ja, mir gefällt es hier sehr gut. 2005 habe ich das Rennen gegen Mika Kallio gewonnen. Das ist sehr lange her und ich war geschockt, als ich die Fotos gesehen habe. Die Strecke ist hier sehr schön. Wobei die Veränderungen ein Fragezeichen darstellen", warnt Lüthi, der in Sepang neben dem 125er-Grand-Prix in der Saison 2005 auch das Moto2-Rennen in der Saison 2011 gewann.

Rins nur noch Außenseiter

Konkurrent Rins reist mit 25 Zählern Rückstand auf Zarco zum vorletzten Rennen der Saison. In der laufenden Saison gewann der Spanier nur zwei Rennen. Rins' bisher letzter Sieg liegt weit zurück: Im Frühjahr gewann der Pons-Pilot den Frankreich-Grand-Prix. "Ich hatte in diesem Jahr viele Probleme. In Mugello stand ich auf dem letzten Startplatz, dann habe ich mir die Schulter gebrochen. In Aragon war ich krank. Diese Saison ist für mich sehr schwierig. In diesen zwei Rennen muss ich versuchen, diese beiden Jungs zu besiegen", erklärt der zukünftige MotoGP-Pilot.

In gewisser Weise erinnert die Saison 2016 an das Jahr 2013, als er beim Saisonfinale den Moto3-Titel knapp verpasste. "In der Moto3 war es auch schwierig, den Titel zu gewinnen. In der letzten Kurve der letzten Runde hat dann Maverick (Vinales) den Titel gewonnen. Aber in der Moto3 ist es anders. Tom und Johann haben mehr Erfahrung als ich", vergleicht der Spanier, der nicht zu 100 Prozent fit ist.

Alex Rins

Seit Anfang Mai ohne Sieg: Alex Rins erlebt eine durchwachsene Saison Zoom

"Die Schulter ist jetzt okay. In Japan hatte ich am Freitag etwas Angst, denn durch den Sturz am Freitag hatte ich starke Schmerzen. Ich liebe Malaysia und Valencia. Das ist positiv", so Rins. "Siege sind für mich wichtig. Ich muss beide Rennen gewinnen, was sicherlich schwierig wird."

Wer spürt den größten Druck?

Abschließende Frage: Wer hat den meisten Druck? "Als Weltmeister spüre ich die ganze Saison den Druck", betont Zarco und erklärt: "Ich habe einige Fehler gemacht und gelernt, mit dem Druck zu leben. Klar kann ich den Druck spüren, aber nach Aragon war die Situation schlimmer. Jetzt habe ich etwas mehr Vorsprung. Schwierig zu sagen, wer den größten Druck hat. Wenn Tom dieses Level hält, wird er schwer zu schlagen sein. Alex kann auch zurückkommen", analsysiert der Ajo-Pilot und betont: "Ich mag meine Situation mit 22 Punkten Vorsprung."

"Es geht immer um den Druck", weiß Routinier Lüthi. "Jeder Fahrer steht irgendwie unter Druck. Man muss nur wissen, wie man damit umgeht. Man muss positiven Druck spüren. Johann befindet sich in der besten Situation, denn er führt die WM an, während Alex und ich die Verfolger sind. Alle schauen jetzt auf uns. Die Erwartungen sind jetzt sehr hoch. Damit muss man umgehen können."

"Jeder spürt Druck, wie Tom bereits sagte", bemerkt Rins. "Alle Teams und alle Fahrer stehen unter Druck. Ich denke aber, dass der Druck hilft. Ich muss die beiden ausstehenden Rennen gewinnen. Das setzt mich unter Druck. Gleichzeitig ist es eine Herausforderung. Natürlich bin ich in den Rennen aufgeregt. Zarco steht aber sicher unter einem größeren Druck als ich."


Fotos: Moto2 in Phillip Island


Weltmeister Zarco ließ zuletzt sogar die Monitore aus seiner Box entfernen, um sich nicht zusätzlich unter Druck setzen zu lassen. "Wir versuchen nach wie vor, die Kosten niedrig zu halten. Deswegen haben wir in der Box keinen Monitor", scherzt er. "Das Team verwendet einen Monitor, doch ich möchte lieber am Gefühl für das Motorrad arbeiten. Mir reicht es, meine Position zu kennen. Dann weiß ich, ob ich schnell bin oder nicht."