• 19.09.2016 11:55

KTM-Motorenchef: "V4-Konzept bietet viele Vorteile"

Interview mit KTM-Motorenchef Kurt Trieb: Warum es bei einem MotoGP-Motor nicht nur um die Leistung geht und wieso ein V4-Konzept gewisse Vorteile bietet

(Motorsport-Total.com) - Herzstück des KTM MotoGP-Prototypen RC16 ist der Motor. Schon im Jahr 2005 entwickelte die österreichische Marke einen MotoGP-Motor, der nur kurz im Team von Kenny Roberts eingesetzt wurde. Nun baut KTM ein komplettes MotoGP-Bike. Für die Motorenentwicklung ist der Deutsche Kurt Trieb verantwortlich. Der 54-Jährige studierte Maschinenbau an der Universität Stuttgart und arbeitete bereits für Porsche, Rotax und BMW. Seit fast 20 Jahren lebt Trieb in Österreich und ist seit 2003 bei KTM tätig.

Titel-Bild zur News: Kurt Trieb

Kurt Trieb entwickelt den V4-Motor für die MotoGP KTM RC16 Zoom

In dieser Zeit entwickelte Trieb den alten 990ccm MotoGP-Motor, Motocross-Motoren und auch den Moto3-Motor. Nun leitet er die Triebwerksentwicklung beim neuen MotoGP-Projekt. Im Interview spricht Trieb über die technische Herausforderung beim Bau eines Motors für die Königsklasse und warum es nicht nur um Leistung alleine geht. Außerdem glaubt Trieb, dass in Zukunft die Leistung der MotoGP-Motoren per Reglement beschnitten werden wird.

Frage: "Kurt, hat KTM für das MotoGP-Comeback den alten 990ccm Motor entstaubt, der 2005 im Chassis von Kenny Roberts verwendet wurde?"
Kurt Trieb: "Nein, wir starteten mit einem weißen Blatt Papier und wollten die Fehler vermeiden, die wir 2005 gemacht haben. Das ist klar. Aber sicherlich haben wir uns das alte Design angesehen. Ich war sehr glücklich, dass ich wieder mit so einem Projekt beginnen konnte. Und es hilft natürlich, wenn man auf Erfahrung zurückgreifen kann."

Frage: "Warst du mit dem ersten KTM MotoGP-Motor zufrieden?"
Trieb: "Es war ein starker Motor, der nicht die Chance hatte, sein wahres Potenzial zu zeigen. Es gab einige Probleme mit dem ursprünglichen Motor, bestimmt. Es war damals eine andere Zeit. Wir bauten die ersten fünf Motoren und fuhren dann damit Rennen. Es war eine komplett verrückte Situation! Jetzt haben wir einen vernünftigen Test- und Entwicklungsplan."

Zwischen 16.500 und 18.000 Umdrehungen

Frage: "Warum hat sich KTM wieder für ein V4-Design entschieden?"
Trieb: "Es gibt viele Vorteile beim V4-Motor bezüglich Performance und Zuverlässigkeit. Ich habe Erfahrung mit Vierzylinder-Reihenmotoren. Dieser Motor wurde aber nicht als charakteristisch für KTM angesehen. Schließlich hatten wir nicht viele Diskussionen über die Konfiguration. Es ging mehr um den Zylinderbankwinkel. Mit einem größeren Winkel brauchst du keine Ausgleichswelle. Es ging um solche Entscheidungen."

Frage: "Wie schwierig ist es, einen MotoGP-Motor zu bauen?"
Trieb: "Schwierig! Wir hätten nicht genug Zeit, um über alles zu sprechen. Es gibt einige Einschränkungen beim MotoGP-Motor. Zum Beispiel darf die Bohrung nicht größer als 81 Millimeter sein. Es würde auch keinen Sinn ergeben, einen Motor mit 20.000 Umdrehungen zu bauen, weil die Ventile zu klein sind, um dabei irgendetwas zu gewinnen. Es gibt also eine natürliche Motorgeschwindigkeit, die zu dieser Bohrung passt - irgendwo zwischen 16.500 und 18.000 Umdrehungen pro Minute."

Akrapovic

Beim Auspuffsystem arbeitet KTM mit Akrapovic zusammen Zoom

"Wir sind in diesem Bereich. Zusätzlich musst du eine gute Leistungscharakteristik entwickeln. Zum Beispiel sinkt in Jerez in der langsamsten Kurve die Motordrehzahl auf 5.000 Umdrehungen. Wenn man seine maximale Leistung zum Beispiel bei 17.500 Umdrehungen hat, musst du darüber nachdenken, die Leistungskurve breiter zu machen, damit es zu allen Strecken passt. Unser erster 990ccm Motor hat erst über 8.000 Umdrehungen funktioniert. Das war ein klares Problem und wir haben es aus der Welt geschafft."

Technologie wie Seamless-Getriebe für die Straße?

Frage: "Wie sieht die Motorenabteilung beim MotoGP-Projekt aus?"
Trieb: "Im Rennteam gibt es viele Projekte und ich bin für das Motordesign verantwortlich. Wir sind ein Team von fünf Leuten. Ein größeres Team kümmert sich um die Entwicklung und den Workshop. Der Vorteil, dass wir in der Rennabteilung verschiedene Projekte betreuen, liegt darin, dass wir andere Aspekte ins MotoGP-Projekt einfließen lassen können. Zum Beispiel haben wir die Erfahrungen der Moto3 bezüglich Verbrennung und Ventiltrieb eingebracht."

Frage: "Wird der MotoGP-Motor auch den KTM-Kunden auf der Straße helfen?"
Trieb: "Ob die Technologie übertragen werden kann? Das ist eine schwierige Frage. Wenn wir keinen Serien-V4-Motor bauen, dann wahrscheinlich kaum. KTM verfügt mit Einzylindern über sehr viel Erfahrung auf hohem Level, vor allem beim Motocross und der Moto3. Das hilft definitiv anderen Produkten."

KTM WP Hinterradschwinge

KTM setzt nicht nur auf Motorleistung, sondern auf die Fahrbarkeit Zoom

"Es wird interessant werden, wie lange es dauert, bis man Technologie wie ein vollwertiges Seamless-Getriebe bei Straßenmodellen sieht. Das sollte nicht zu schwierig sein. Es existieren Systeme mit zwei Kupplungen, sie sind aber nicht leicht herzustellen. Es ist aber die gleiche Technologie mit ähnlichen Grundproblemen."

Frage: "Wie hast du dich gefühlt, als das Motorrad im November 2015 zum ersten Mal auf dem Red-Bull-Ring gefahren ist?"
Trieb: "Es war so wie bei allen anderen, wir fühlten Erleichterung, dass alles gut gelaufen ist. Wir konnten sofort viele Runden ohne mechanische Defekte fahren. Das ist unsere Stärke bei allen Tests. Das Motorrad ist mechanisch sehr stabil! Natürlich ist es eine andere Geschichte, die höchste Performance herauszuholen."

Moto3: Großer Entwicklungssprung beim Motor

Frage: "In der Moto3 warst du für den ursprünglichen Motor verantwortlich, der so extrem erfolgreich war."
Trieb: "Ja, aber ich bin kaum noch in der Moto3 involviert. Eine andere Gruppe arbeitet an der Entwicklung und verfolgt die Rennen. Ich versuche im Blick zu halten, was dort passiert. Überraschenderweise, und ich meine das nicht respektlos, haben wir beim Motor für das nächste Jahr einen guten Fortschritt gefunden. Ich dachte, wir wären am Limit, aber wir fanden noch sehr gutes Potenzial und sind für 2017 optimistisch. Das zeigt, dass sich KTM weiterhin auf die Moto3 konzentriert und weiterentwickelt. Wir haben wirklich einen großen Fortschritt für nächste Saison gefunden."

Brad Binder

Kurt Trieb entwickelte auch den ersten erfolgreichen Moto3-Motor Zoom

Frage: "Was sagst du zum Sound des RC16 Motors?
Trieb: "Wir haben beim Rollout mit Schalldämpfern angefangen. Für die Fahrer war das viel komfortabler, aber alle dachten, dass wir lauter sein müssen. Das ist aber nur ein Seitenaspekt. Vielleicht hätte der originale Motor mein Gehör geschädigt!"

MotoGP-Motoren derzeit zu stark

Frage: "Wenn du die Motorenregeln der MotoGP bestimmen könntest, was würdest du bauen?"
Trieb: "Wenn man sich die Höchstgeschwindigkeit in Mugello ansieht, dann erreichen die Fahrer am Ende der Zielgeraden mehr als 350 km/h. Das ist sehr, sehr schnell. Vielleicht gibt es in den kommenden Jahren Regeländerungen. Eher kein komplett neuer Motor, so wie damals, als man von 990 auf 800 Kubikzentimeter reduziert hat. Aber vielleicht kommt ein Luftmengenbegrenzer. Ich wäre damit nicht glücklich!"

"Ich würde mich für einen Motor mit kleinerem Hubraum entscheiden. Wenn man zurückblickt, war es klar ein Fehler, von 800 Kubik wegzugehen. Die aktuellen Motoren sind zu stark, aber man braucht sie auf der Geraden. Wir machen es für die Elektroniker sicherlich nicht einfach. Wenn ich entscheiden könnte, würde ich mich für einen 600ccm Prototypen-Saugmotor für die MotoGP entscheiden. Die Elektronik und andere Gimmicks sollten sehr eingeschränkt sein. Ich denke, das wäre sehr interessant. Der Fahrstil wäre ähnlich der Moto2. Aber versteh mich nicht falsch. Ich bin sehr glücklich, dass ich diesen MotoGP-Motor bauen darf. Aber mein genereller Eindruck ist, dass die MotoGP-Motoren zu leistungsstark sind."

Mika Kallio

Mika Kallio spulte die meisten Testkilometer mit der RC16 ab Zoom

Frage: "Wie viel Leistung braucht ein MotoGP-Motor?"
Trieb: "Ducati hat den stärksten Motor, Yamaha hat weniger Leistung. Aber Honda gewinnt Rennen. Diesen Kompromiss muss man finden, um auf jeder Strecke schnell zu sein. Damit man schnelle Rundenzeiten fahren kann und der Fahrer ein gutes Gefühl hat."

Frage: "Was sagen die Fahrer über den RC16-Motor?"
Trieb: "Das Feedback ist gut, ein wenig zu gut! Nach den ersten Tests in diesem Jahr gab es eine Pause. Davor sagte Mika (Kallio; Anm. d. Red.), dass der Motor etwas zu aggressiv ist, wenn er das Gas öffnet. Seither testeten wir in Brünn, Mugello und Jerez und er meinte, es fühlt sich jetzt besser an. Aber ist das eine Verbesserung der Elektronik oder gewöhnt sich Mika an die Power? Ich denke, ein Fahrer muss spüren, dass er noch zusätzliche Power zur Verfügung hat, wenn er das Gas aufdreht. Wenn ein Fahrer meint, der Motor fühlt sich sanft oder einfach zu kontrollieren an, dann weiß ich aus Erfahrung, dass der Motor zu langsam ist. Wir wollen auf jeder Strecke schnell sein, aber dem Fahrer trotzdem positives Feedback vermitteln. Es ist ein Kompromiss, an dem wir sehr hart arbeiten."

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