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Sekundenkrimi: Warum Lorenzo Marquez schlagen konnte

Jorge Lorenzo konnte sich im Fotofinish beim Rennen in Mugello gegen Marc Marquez knapp durchsetzen - Die Faktoren, die zum Sieg führten

(Motorsport-Total.com) - 0,019 Sekunden können manchmal über Sieg oder Niederlage entscheiden. Im Fall von Marc Marquez und Jorge Lorenzo am Sonntag im MotoGP-Grand-Prix in Mugello war das Glück auf der Seite des Mallorquiners. Er behauptete seine Führung in einem spannenden Duell gegen Ende des Rennens. Den Grundstein dazu konnte er bereits am Start legen. "Ich habe einen guten Start hingelegt und konnte von der ersten Runde an meinen Rhythmus fahren", schildert der WM-Führende.

Titel-Bild zur News: Jorge Lorenzo, Marc Marqquez

Jorge Lorenzo und Marc Marquez schenkten sich in Mugello keinen Millimeter Zoom

Musste er sich zu Beginn noch gegen seinen eigenen Teamkollegen Valentino Rossi durchsetzen - dieser konnte sein Heimrennen aufgrund eines Motorschadens nicht beenden -, war es am Ende sein WM-Konkurrent Marquez mit der Honda, der ihm den Arbeitstag in Italien erheblich erschwerte. Auch Lorenzo selbst war überrascht vom Tempo des 23-Jährigen: "Marquez habe ich nicht so stark und konstant eingeschätzt. Mit ihm im Nacken wollte ich einfach nur davonfahren, daher habe ich sehr viel Energie aufgewendet, um vorne zu bleiben."

So konnte Marquez gegen Ende auch noch mehrere Angriffe fahren, glaubt Lorenzo: "Im Schlussabschnitt hatte ich nicht mehr so viel Energie. Daher konnte mich Marquez überholen. Als er in der letzten Runde ankam, dachte ich nur, dass ich hinter ihm bleiben sollte. Vielleicht würde er ja einen Fehler machen, davon hätte ich profitieren können." Doch der Kampfgeist des aktuellen Weltmeisters blieb ungebrochen, auch als Marquez in den letzten Runden immer wieder aggressive Manöver fuhr.

0,019 Sekunden zwischen Sieg und Niederlage

Der Yamaha-Pilot konnte von seinem Erfahrungsschatz profitieren: "Zu diesem Zeitpunkt erinnerte ich mich wieder an 2005, als ich de Angelis in der 250er-Klasse überholt habe. Ich dachte mir, vielleicht kann ich so ein Manöver ja noch einmal machen. Warum sollte ich es nicht noch einmal probieren?" Er habe dann das Gas aufgemacht, sei schnell in die Kurve gestochen, konnte die Linie allerdings nicht halten, sodass Marquez wieder überholen konnte. "Ich dachte schon, dass es das jetzt gewesen ist."

Der Krimi ging in der letzten Runde aber noch weiter: Nachdem Marquez als Führender in die letzte Kurve ging, riskierte Lorenzo noch einmal alles auf den letzten Metern bis ins Ziel - mit Erfolg. "Ich hatte Glück, dass ich gegen Marc auf der Honda gekämpft habe, da das Bike in diesem Jahr Probleme mit der Beschleunigung hat. Ich bin schnell in die letzte Kurve gefahren und konnte gutes Tempo mitnehmen und habe diesen unerwarteten Sieg eingefahren."

Lorenzo gibt zu, dass er sich auf seiner Yamaha M1 nicht wohlgefühlt hat. Das schiebt er auf die Abstimmung des Bikes. Da man mehr Last auf der Hinterachse fuhr, war die Frontpartie unruhiger, was bei wenig Grip in den Kurven schwierig wurde. So erklärt er sich auch, warum er seine Führung nicht entscheidend ausbauen konnte. Im Gegensatz zum Teamkollegen erlitt Lorenzo bereits im Warmup einen Motorschaden. Im Rennen hatte er keine Probleme mehr damit, er lobt seinen Antrieb sogar: "Ich habe es einfach versucht, und natürlich hatte ich auch Glück, dass der Motor heute so gut war."

Lorenzo: "Habe Kritiker zum Schweigen gebracht"

Ein weiterer Faktor für die Führung von Lorenzo: Er konnte im Gegensatz zur Konkurrenz später in Kurve 1, der beliebtesten Überholstelle, bremsen. "Ich habe mich auf der Bremse immer wohlgefühlt, bei diesem Bremspunkt konnte ich sehr spät draufgehen. Zwar sehr spät, aber nicht mit voller Härte", erklärt der 29-Jährige.

Angesprochen darauf, dass er es bevorzugt, einsam an der Spitze zu sein und nicht in Zweikämpfe gehen zu wollen, kontert der zukünftige Ducati-Pilot: "Viele Leute, die dich nicht mögen, finden immer etwas, das sie kritisieren können. Ich habe viele Rennen gewonnen, in denen ich von weiter hinten gestartet bin, viele Plätze gutgemacht habe und schließlich in der letzten Runden gewonnen habe. Wenn man gut startet und eine gute erste Runde fährt, muss man daraus natürlich etwas machen. Heute konnte ich ohne der schnellsten Pace und ohne der Pole-Position gewinnen. Damit kann man seine Kritiker zum Schweigen bringen."

Ob dies einer seiner schönsten Siege ist? Immerhin konnte er (in allen Klassen insgesamt) bereits 64 Rennen gewinnen: "Der letzte Sieg ist natürlich immer der schönste. Ich hatte Glück, dass ich schon so viele Rennen gewinnen konnte, in denen ich Seite an Seite mit großartigen Fahrern gekämpft habe." Einen besonderen Platz hat aber sein erster Triumph in der 125er-Klasse: "Ich werde niemals den Sieg in Brasilien 2003 vergessen mit einer unglaublichen letzten Runde. Mein Kampf mit Marc in Silverstone, auch dieser Sieg heute ist recht nahe an jenem Rennen dran."


MotoGP in Mugello

Marquez: Den Sieg auf den letzten 15 Metern verloren

Marc Marquez konnte bisher (in allen Serien) insgesamt 52 Mal gewinnen, ganze 26 Mal in der Königsklasse. Für ihn kommt kein weiterer Triumph an diesem Sonntag hinzu. "Heute habe ich den Sieg auf den letzten 15 Metern verloren, das ist mir in meiner ganzen Karriere noch nicht passiert. Auf dieser Strecke habe ich immer mehr Schwierigkeiten als auf anderen. Ich bin glücklich mit dem zweiten Platz, aber natürlich ganz knapp am Sieg vorbei", schildert der Honda-Pilot.

Er spricht nach dem Rennen von einer "großartigen Show" für die Fans. "Die letzten Runden waren toll, da habe ich nicht an die Weltmeisterschaft gedacht. Ich habe nur an Attacke gedacht. Ich habe eben immer beim Beschleunigen verloren. In der letzten Kurve habe ich versucht, die Tür zuzumachen und mich auf den Ausgang zu konzentrieren, weil ich wusste, dass Lorenzo mich vor der Start-Ziel-Geraden noch überholen könnte. Das gesamte Rennen war ich hinter ihm und konnte ihn nie ganz einholen. Nur auf der letzten Runde hatte ich ihn kurz, weil er einen Fehler beim Schalten gemacht hat in der ersten Kurve. Ich habe es so sehr versucht", so der Spanier.

Jorge Lorenzo, Marc Marquez

Ein knapper Kampf bis zum Schluss zwischen Lorenzo und Marquez Zoom

In der ersten Kurve auf der letzten Runde passierte Lorenzo das Missgeschick. Er schaltete sprunghaft in den ersten Gang. Im Nachhinein erklärt er den Vorfall wie folgt: "Wenn du bremst, gibst du deinen Fuß normalerweise auf das Getriebe bevor du das Gas zumachst, um runterzuschalten, aber in diesem speziellen Bremspunkt kannst du das so nicht machen. Ich habe das im ersten Training gemacht, und das Gleiche ist auch im Rennen wieder passiert."

In der WM ist noch alles offen

Er habe sich also dazu entschieden, den Fuß nicht auf das Getriebe zu geben, "weil du sonst zu schnell vom sechsten Gang bei 330 km/h in den ersten schaltest. In der letzten Runde ist es mir trotzdem passiert. Ich hatte Glück, dass wir nicht gecrasht sind. Ich habe mich bei ihm entschuldigt."

Denn Marquez war durch das abrupte Abremsen von Lorenzo etwas verwirrt: "Von hinten hat es ein bisschen schlimmer ausgesehen. Ich habe mein Bike gepusht im Windschatten. Dann habe ich gesehen, dass er plötzlich langsam ist." Durch eine Berührung der beiden, wurde Marquez' Ellbogen-Schutz beschädigt: "Das Teil war mein Ellbogenschutz, der dabei runtergeflogen ist. Ich habe geplant, dass ich in der ersten Kurve angreife, das hat mich dann also ein bisschen überrascht", schmunzelt der Honda-Fahrer. Er beklagt weiterhin die fehlenden Beschleunigung der Honda, die ihm schlussendlich auch den Sieg gekostet hat.

In der Weltmeisterschaft liegen die beiden nun zehn Punkte getrennt auf den ersten beiden Plätzen. "In der Weltmeisterschaft bin ich dran", weiß Marquez. "Zehn Punkte sind kein großer Abstand. Natürlich wäre ich gerne vorne, aber wir sind gut dabei. Auch in Barcelona ist Jorge jedes Jahr sehr schnell, aber dort werden wir weiter an der Beschleunigung arbeiten, das sollte uns helfen". Er werde ein Meeting mit Honda haben, "um diese paar Zehntelsekunden zu finden. Hätte man mir vor dem Rennen gesagt, dass ich Zweite wäre, hätte ich es blind unterschrieben."