Gründe für den Zuschauerschwund in der Superbike-WM

Die Europarennen der Superbike-WM sind dürftig besucht, während Thailand ein voller Fanerfolg war - Es sprechen mehrere Gründe für das nachlassende Interesse

(Motorsport-Total.com) - Die MotoGP boomt und verzeichnet auch im Jahr 2015 ein Plus an Zuschauern an den Rennstrecken dieser Welt. In Jerez versammelten sich am Rennsonntag 122.000 Fans um den Kurs. Anschließend besuchten mehr als 90.000 Zuschauer die Rennen in Le Mans, Mugello, Barcelona, Assen und auf dem Sachsenring. Im Gegensatz dazu sind die Zuschauerzahlen bei der Superbike-WM vernichtend gering. Meist fahren Jonathan Rea, Tom Sykes, Chaz Davies und Co. vor fast leeren Tribünen.

Titel-Bild zur News: Tom Sykes, Jonathan Rea

Die Rennen der Superbike-WM findet oft vor spärlich gefüllten Tribünen statt Zoom

Beide Motorrad-Weltmeisterschaften werden von Promoter Dorna gemanagt. Abgesehen vom Rossi-Faktor - warum pilgern immer weniger Fans zu den Rennen der Superbike-WM? Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti kümmert sich nicht nur um das MotoGP-Projekt der italienischen Marke, sondern hat seine Augen auch bei der Superbike-WM. Ciabatti war zwischen 2007 und 2012 Manager der Superbike-WM, als die Serie noch von Paolo Flammini geführt worden war. Nachdem die Dorna auch das Management der Superbike-WM übernommen hatte, kehrte Ciabatti zu Ducati zurück.

"Ich war in diesem Jahr bei vier Superbike-Rennen, nämlich auf Phillip Island, in Thailand, Imola und Misano", erläutert der Italiener im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. Ein Rennen stach in diesem Jahr besonders hervor: "Das beste Rennen war Thailand. Es war ein neues Rennen und zum ersten Mal war eine richtige Weltmeisterschaft in Thailand. Es waren sehr viele enthusiastische Fans vor Ort. Abgesehen davon sind die Zuschauerzahlen etwas enttäuschend."

Startzeiten für Fans vor Ort ungeeignet?

"Ich habe die Situation nicht im Detail analysiert, aber vom Gefühl her würde ich sagen, dass auf der einen Seite die großen Nahmen fehlen. Vor wenigen Jahren hatten wir Biaggi, Checa und Melandri. Ich bin mir auch nicht sicher, ob das aktuelle Wochenendformat, das für das Fernsehen gut ist, auch für die Zuschauer vor Ort hilfreich ist", verweist Ciabatti auf die Startzeiten. In der Regel beginnt das erste Rennen um 10:30 Uhr und das zweite um 13:10 Uhr.

"Ehrlich gesagt, muss man ein Hardcore-Fan sein, damit man zeitgerecht für das erste Rennen auf der Tribüne sitzt. Wenn man nicht direkt an der Rennstrecke wohnt, muss man um 05:00 Uhr in der Früh aufstehen", spricht Ciabatti eine Tatsache an, denn die meisten Fans müssen eine Anreise einplanen. "Ich wohne in Bologna und habe nicht in Imola übernachtet. Um für das Warmup und das erste Rennen vor Ort zu sein, musste ich um sieben Uhr aufstehen. Okay, das ist mein Job."

Claudio Domenicali, Paolo Ciabatti

Ducati-CEO Claudio Domenicali (li.) und Sportdirektor Paolo Ciabatti (re.) Zoom

Und wie viele Fans wollen an ihrem freien Sonntag um 05:00 Uhr aufstehen, um mit der Familie zu einem Superbike-Rennen zu fahren? "Wenn man weiter entfernt wohnt, muss man noch früher aufstehen und dann ist um 14:00 Uhr an der Rennstrecke alles vorbei. Ich bin mir nicht sicher, ob das der richtige Weg ist", glaubt Ciabatti. Das Problem ist das Fernsehen: "Einige Rennen überschneiden sich mit der Formel 1. Natürlich will man nicht zeitgleich mit der Formel 1 fahren, weil man dann der Verlierer wäre."

Dorna muss Superbike-WM positionieren

"Auf der anderen Seite denke ich, dass die Superbike-WM in der Vergangenheit für die Fans den ganzen Tag etwas geboten hat. Früher ist es um neun oder zehn am Vormittag losgegangen und man konnte bis in den Nachmittag hinein mehrere Rennen genießen." Die Startzeiten sind für Ciabatti aber nicht alleine ausschlaggebend für die geringen Zuschauerzahlen: "Es sind mehrere Gründe. Dazu herrscht auch die Meinung, dass die Motorräder durch das neue Reglement etwas eingebremst wurden und nicht mehr so aufregend sind."

Das Beispiel Thailand hat gezeigt, dass man auch mit der Superbike-WM vor ausverkauften Tribünen fahren kann, während man in Europa selten die Haupttribüne füllen kann. "Ich habe die Serie sechs Jahre lang gemanagt und kenne mich aus", verweist Ciabatti auf die Vergangenheit. "Damals war die Dorna noch unser Gegner, es gab einen Wettbewerb. Wir wollten eine Alternative sein. Jetzt wird auch die Superbike-WM von der Dorna gemanagt. Sie machen es sehr gut, aber es gibt natürlich Prioritäten."

Carmelo Ezpeleta

Dorna-Boss Carmelo Ezpeleta: Muss die Superbike-WM erst positioniert werden? Zoom

"Vielleicht muss sich die Dorna noch genau überlegen, wie sie die Superbike-WM positionieren will. Ich denke, sie werden gute Arbeit leisten, denn man darf nicht vergessen, dass die Superbike-WM eine Möglichkeit ist, um mit einer professionellen Serie und einer guten Show neue Märkte zu erobern." Die Superbike-WM könnte so wie das Beispiel Thailand zeigt, in den nächsten Jahren der Vorreiter in neuen Ländern sein. Mit der Superbike-WM kann die Dorna überprüfen, ob nicht nur Interesse der Fans besteht, sondern auch die Infrastruktur testen, bevor die MotoGP-Stars dieses neue Land besuchen.