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Nachwuchs: Fehlende Unterstützung von DMSB und ADAC

Die Situation für den Motorradnachwuchs ist in Deutschland schwierig: Terrell Thien kritisiert die mangelnde Unterstützung von DMSB und ADAC

(Motorsport-Total.com) - In der MotoGP-Saison 2015 sind insgesamt sechs deutsche Fahrer in allen drei Klassen vertreten, aber es gibt kein neues Gesicht. Philipp Öttl geht in seine dritte volle Moto3-Saison. Luca Grünwald ist nicht mehr in der WM und auch kein neuer Deutscher hat den Einstieg in die WM geschafft. Fahrer wie Toni Finsterbusch, Luca Amato, Daniel Kartheininger oder eben zuletzt Grünwald konnten sich in der WM nicht etablieren. Florian Alt hat über den Umweg der spanischen Meisterschaft das Comeback geschafft.

Titel-Bild zur News: Moto3 Start

In der Moto3-Klasse ist 2015 mit Philipp Öttl nur ein Deutscher vertreten Zoom

In der Moto3 sind mit dem Racing-Team-Germany und Kiefer zwei deutsche Teams dabei, beide fahren mit internationalen Fahrern. RTG unterstützt Nachwuchstalent Max Kappler in der spanischen Meisterschaft und plant in diesem Jahr auch mit drei Wildcard-Starts in der WM. Öttl ist vorerst Einzelkämpfer in der kleinsten Klasse. Der 18-Jährige sitzt nun auf einer KTM und tritt im Schedl-Team an, dass von TT Motion-Events betreut wird. Hinter dieser Firma steht Terrell Thien. 'Motorsport-Total.com' hat sich mit ihm unterhalten.

Frage: "Terrell, warum engagierst du dich so im Nachwuchsbereich?"
Terrell Thien: "Mir liegt diese ganze Nachwuchssache in Deutschland sehr am Herzen. Ich sehe, wie das mit den Jungs ist: Die fangen im ADAC-Juniorcup an und bekommen überall ein bisschen Hilfe. Aber wenn es dann richtig ums Geld geht, wenn sie von der Deutschen Meisterschaft in die WM gehen sollen, dann ziehen auf einmal DMSB, ADAC und alle anderen die Gelder raus."

"Dabei wäre das eigentlich der Punkt, an dem die Jungs wirklich ein bisschen Geld bräuchten. Da sehe ich den Knackpunkt in Deutschland. Da sollte man dran arbeiten, dass die Verbände wie ADAC und DMSB die Notwendigkeit sehen, die jungen Männer zumindest im ersten internationalen Jahr weiter zu unterstützen."

Terrell Thien

Terrell Thien glaubt an das Talent von Philipp Öttl und rechnet mit den Top 15 Zoom

Frage: "Nach dem Abgang von Luca Grünwald ist Philipp Öttl in diesem Jahr unser letzter deutscher Pilot in der Moto3. Eine bedenkliche Entwicklung?"
Thien: "Das hätte nicht sein müssen! Wir müssen selber kämpfen: Wir haben noch nicht das ganze Budget zusammen, wir haben ungefähr 80 bis 85 Prozent. Uns fehlt auch noch etwas und wir hoffen natürlich, dass wir das im Laufe der Saison hier und da noch ein bisschen aufforsten können."

Finanzielle Unterstützung fehlt

"Auch aufgrund der Tatsache, dass ich davon ausgehe, dass Philipp sich wirklich unter den Top 15 etablieren kann. Aber wir haben auch keine Hilfe von irgendeinem Verband aus Deutschland. Das sind alles Freunde des Teams oder Freunde von Philipp oder Peter Öttl (Philipps Vater; Anm. d. Red.). Die finanzieren das ganze."

Frage: "In Spanien und Italien sieht es ganz anders aus. Da hat man das Gefühl, dass pausenlos neue Fahrer in die WM kommen..."
Thien: "Adi Stadler hat es so schön gesagt: 'Ohne Masse keine Klasse!' Du brauchst eine bestimmte Anzahl von Fahrern, aus denen du herauspicken kannst. Aber wenn in Deutschland die Jungs schon mit 13 oder 14 überall Steine in den Weg gelegt bekommen - nicht nur finanzieller Art, sondern man darf hier nicht fahren und dort nicht fahren - das ist einfach nicht schön."

"Ganz im Gegensatz zum Automobilsport, wo ADAC und DMSB wirklich richtig tief in die Tasche greifen und auch nationale Serien mit sehr viel Geld unterstützen. Diese Unterstützung fehlt uns auf internationaler Ebene."

Luca Grünwald

Luca Grünwald konnte in der Saison 2014 keinen einzigen WM-Punkt sammeln Zoom

Frage: "Also liegt es im Endeffekt - wie so oft im Leben - nur am Geld?"
Thien: "Es lässt sich vieles aufs Geld zurückführen, denn es ist nun einmal alles mit Geld verbunden. Wenn man trainieren will, dann ist das mit Geld verbunden. Marcel (Schrötter; Anm. d. Red.) zum Beispiel konnte auch erst durch einen privaten Sponsor diese Trainingsmöglichkeiten erfahren, wie sie die Spanier haben."

"Da war aber kein Verband dahinter, der ihn irgendwo hingeschickt hat oder ihm erklärt hat: 'Jetzt trainier mal da' oder 'Wir öffnen dir irgendwelche Türen.' Das war leider nie der Fall. Es waren immer Privatleute oder Gönner oder Leute, die wirklich gesehen haben: 'Okay, ich hab da Spaß dran und der junge Mann gehört gefördert.' So ist es momentan bei allen deutschen Fahrern, selbst bei Sandro Cortese."

Frage: "Würde sich diese Einstellung vielleicht mit einem deutschen MotoGP-Champion ändern?"
Thien: "Das denke ich nicht, denn die Verbände machen sich das einfach: Die unterstützen die Fahrer ein bisschen, wenn sie so zwischen zehn und 14 sind. Wenn sie dann international weiter kommen - ohne die Unterstützung von den Verbänden - ist es gut. Sind sie dann Weltmeister geworden, wie zum Beispiel ein Sandro oder ein Stefan Bradl, werben ADAC und DMSB trotzdem mit den Fahrern und sagen: 'Wir haben sie groß gemacht!' - Obwohl das so eigentlich nicht richtig ist."


Fotostrecke: Die Deutschen in der Motorrad-WM 2015

"Die Erkenntnis wird sich garantiert nicht ändern, denn das ist alles 'autogesteuert'. Alle Leute in den Vorständen sind 'autoverseucht' - Was klar ist, denn es ist eine riesige Industrie. Aber das hilft uns in der Motorradbranche absolut gar nicht. Hans-Joachim Stuck wurde bei einer offiziellen Diskussion einmal gefragt: Was macht der DMSB denn in Sachen Motorrad? Und da sagte er ganz klar: 'Da haben wir nichts mit zu tun.' Das tut mir dann echt leid..."

"Der durchschnittliche Motorradfahrer in Deutschland ist 55. Der steht halt mehr auf Heizgriffe als auf Knieschleifer." Terrell Thien

Frage: "Hat die Motorradbranche in Deutschland generell ein Problem?"
Thien: "Die Zulassungszahl an Motorrädern ist in Deutschland wirklich hoch. Man muss die mal mit Spanien, Italien und so weiter vergleichen. Es ist nicht so, dass es in Deutschland keine Motorräder gibt. Es ist halt so: Der durchschnittliche Motorradfahrer in Deutschland ist 55. Der steht halt mehr auf Heizgriffe als auf Knieschleifer."