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Spies: "Kann jetzt sagen, was ich sagen will"

Ex-MotoGP-Pilot Ben Spies erinnert sich an Höhen und Tiefen seiner aktiven Karriere und erklärt, warum er sich glücklich schätzen darf

(Motorsport-Total.com) - Ben Spies' Karriere als Motorrad-Rennfahrer ist angesichts seiner langwierigen Schulterverletzung(en) endgültig beendet. Dies unterstrich der 29-jährige US-Amerikaner am Rande des zweiten MotoGP-Saisonlaufs in Austin noch einmal nachhaltig. "Ich sehe es inzwischen ungezwungen. Ich weiß, dass ich physisch nicht auf diesem Level mithalten kann. Darüber bin ich nicht böse oder aufgebracht. Natürlich würde ich mir wünschen, körperlich auf dem Level zu sein, um mitfahren zu können. Das ist aber nicht realistisch", so Spies gegenüber 'MotoGP.com' zum aktuellen Stand seiner Fitness.

Titel-Bild zur News: Ben Spies

Ben Spies' MotoGP-Karriere nahm bei Pramac-Ducati ein unrühmliches Ende Zoom

So vertreibt sich der Superbike-Weltmeister von 2009 und dreimalige AMA-Superbike-Champion (2006 bis 2008) die Zeit heutzutage hauptsächlich mit Radfahren. Den Kontakt zur MotoGP-Szene möchte Spies aber aufrechterhalten. Am Austin-Wochenende stellte er seine Expertise als Co-Kommentator fürs Fernsehen zur Verfügung und will diese Aufgabe künftig bei weiteren Rennen übernehmen.

Zudem engagiert sich der Texaner seit dem Ende seiner aktiven Karriere verstärkt für wohltätige Zwecke. "Ich arbeite mit 'Love for Kids' zusammen. Wir kümmern uns um Kinder, die im Grunde nichts haben. Einige von ihnen haben keine Familien, andere haben kein Geld. Bei uns können sie Weihnachten oder Thanksgiving gemeinsam erleben. Es ist eine Wohltätigkeitsinstitution, die mein Großvater Ende der 1970er-Jahre gegründet hat", bemerkt Spies im Gespräch mit 'Crash.net'.

"Bei diesen Treffen finden sich ein paar tausend Kinder zusammen. Ich habe mit ihnen gesprochen, Autogramme gegeben und ihnen Mahlzeiten überreicht. Wenn man Zeit mit diesen Kids verbringt, realisiert man, in welch glücklicher Lage man sich selbst befindet", so der zurückgetretene Profi-Rennfahrer.

2010 oder "eines meiner coolsten Jahre als Rennfahrer"

Seine erste komplette MotoGP-Saison fuhr Spies 2010 bei Tech-3-Yamaha. "Texas Terror" war damals Teamkollege von "Texas Tornado" Colin Edwards und erinnert sich heute mit den Worten "Das war wohl eines meiner coolsten Jahre als Rennfahrer" an diese Zeit. "Colin ist verrückt - kein Zweifel. Als ich meine eigene Karriere 1992 auf dem Texas World Speedway begann, war ich ein großer Fan von ihm", bekennt Spies.

Ben Spies in Motegi 2010

Bei Tech-3-Yamaha hatte Spies auf und neben der Strecke Spaß Zoom

"Als er in der Superbike-WM fuhr, drückte ich ihm die Daumen und folgte ihm in gewisser Hinsicht später selbst. Sein Teamkollege sein zu dürfen, war eine große Ehre für mich, auch wenn ich in jenem Jahr einen Tick schneller war als er", erinnert sich der 29-Jährige an die MotoGP-Saison 2010 im Team von Herve Poncharal und fügt grinsend hinzu: "Es war ein lustiges Jahr, in dem wir einige coole Videos gedreht haben." Inzwischen hat Edwards selbst seinen Rücktritt vom aktiven Motorrad-Rennsport verkündet. Der 40-Jährige bestreitet aktuell seine letzte Saison im Forward-Team.

Was Spies betrifft, so stieg dieser zur Saison 2011 ins Yamaha-Werksteam auf. In Assen holte er sich den einzigen Sieg seiner MotoGP-Karriere. "Wenn ich hätte wählen dürfen, welches Rennen mein einziger Sieg sein sollte, dann hätte ich mich für Assen entschieden. Es ist das geschichtsträchtigste Rennen im Kalender und einfach das coolste Rennen im Jahr. Ich wusste aus meiner Superbike-Saison, dass ich dort viele Fans habe. Sehr schnell habe ich dann aber festgestellt, dass dies auf alle Fahrer zutrifft. An einigen Strecken in anderen Ländern feuern die Fans nur ihre Landsleute an. In Assen aber lieben sie jeden", schwärmt der US-Amerikaner von der Atmosphäre in der "Kathedrale des Motorradsports".


Colin Edwards & Ben Spies: "Team Texas Road Trip"

2012 oder das Jahr, in dem "alles schiefging"

Nachdem die Saison 2011 vom Sieg in Assen und drei weiteren Podestplätzen (Barcelona, Indianapolis und Valencia) gekennzeichnet war, entwickelte sich Spies' zweite Saison im Yamaha-Werksteam zu einer Aneinanderreihung von Pleiten, Pech und Pannen: Gebrochene Sitzbank in Doha, Sturz auf nasser Piste in Jerez, beschlagenes Visier in Le Mans, Sturz in Führung liegend in Barcelona, Magenverstimmung in Mugello, gebrochene Schwinge in Laguna Seca, Motorschaden in Indianapolis, Sturz nach Kupplungsproblemen in Brünn, Sturz nach Bremsproblemen in Motegi und schließlich der folgenschwere Sturz mit Schulterverletzung in Sepang.

"In jenem Jahr ging einfach alles schief. Ich gebe zu, dass ich ein paar Fehler gemacht habe, aber diese standen in Verbindung mit anderen Problemen. Ich wollte alles auf einmal lösen", bekennt der aufgrund seines körperbetonten Fahrstils "Elbowz" genannte US-Boy heute. Nachhaltig in Erinnerung geblieben ist Spies der Brünn-Test am Montag nach dem Grand Prix von Tschechien an gleicher Stelle: "Im Rennen war ich mit einer überhitzen Kupplung gestürzt. Am Montagmorgen spielte dann die Elektronik verrückt. Das Gas blieb offen. Kein Scheiß, das passierte wirklich. Ich stellte das Bike ab und war bereit, die Brocken hinzuschmeißen. Ich kam in die Box zurück und sagte 'Dieses Ding will mich umbringen.'"

Ben Spies

In seiner zweiten Yamaha-Saison zog Spies selbst die Konsequenzen aus der Misere Zoom

Nachdem er bereits im Sommer 2012 aus eigenem Antrieb heraus seinen Abschied vom Yamaha-Werksteam zum Saisonende verkündet hatte, wechselte Spies für die Saison 2013 zu Pramac-Ducati. Die Schwierigkeiten in Doha und Austin in Folge seiner Schulterverletzung aus Sepang 2012 sind ebenso hinlänglich bekannt wie die Verletzung der anderen Schulter beim Comeback-Versuch in Indianapolis.

"Nach dem Sepang-Sturz kam ich zu schnell zurück. Ich war nie wirklich bereit, doch irgendwann kam der Punkt, an dem ich zurückkommen musste. Ich hatte keine Wahl", weiß Spies heute und offenbart: "Seit Malaysia hat es keinen einzigen Tag gegeben, an dem ich nicht mit Schmerzen in der Schulter aufgewacht bin. Hoffentlich kann ich irgendwann zum Spaß wieder ein bisschen Dirt-Track fahren. Doch im Moment bin ich noch weit davon entfernt."

Im MotoGP-Paddock bleibt "Elbowz" als Assen-Sieger 2011, vor allem aber als ein ehrlicher und aufrichtiger Fahrer in Erinnerung, der seine Antworten auf, anstatt abseits der Strecke gab. Jetzt, da er sich nicht mehr 24 Stunden am Tag mit dem Rennsport beschäftigt, ist Spies auch auf Twitter aktiver als noch vor einigen Jahren. So postete er vor wenigen Tagen ein Foto, das ihn zusammen mit Casey Stoner beim Angeln in der Nähe seiner Heimatstadt Dallas zeigt.

Am Kurznachrichtendienst im Internet findet Spies aber auch aus einem anderen Grund großen Gefallen: "Ich kann jetzt sagen, was ich sagen will. Ich werde nicht mehr von einem Werk zurückgehalten. Es ist nicht so, dass irgendetwas gegen ein Werk hätte, aber jetzt kann ich geradeheraus schießen."