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Hofmann über Bradls Zukunftschancen

Der 'Sport1'-Experte Alex Hofmann spricht über die bisherige Saison des deutschen MotoGP-Rookies und wirft einen Blick in die Zukunft

(Motorsport-Total.com) - Auch wenn Stefan Bradl als Moto2-Weltmeister in die MotoGP aufstieg, gab es doch Zweifel, ob der 22-Jährige sich auch in der Königsklasse zurechtfinden wird. Der letzte Grand-Prix-Sieg datiert auf den 12. Juni 2011. In der zweiten Hälfte der Moto2-Saison 2011 hatte Bradl Mühe, Marc Marquez zu folgen und profitierte zweifellos von dessen Stürzen. Was Bradl in seiner ersten MotoGP-Saison abliefert, sollte aber alle Kritiker verstummen lassen.

Titel-Bild zur News: Stefan Bradl

Stefan Bradl verpasste sein erstes MotoGP-Podium in Mugello nur knapp

Nach den ersten neun Rennen hat der Deutsche 75 WM-Punkte auf seinem Konto, ist damit Siebter der Fahrerwertung und liegt vor den Werkspiloten Nicky Hayden und Ben Spies. Mit solch einer Halbzeitbilanz hat vor der Saison sicher kaum jemand gerechnet. Zuletzt verpasste Bradl das Podium um lediglich 46 Tausendstelsekunden und machte den deutschen MotoGP-Fans Mut.

Perfektes Timing

Großen Anteil am Erfolg des Deutschen hat das Klima im LCR-Team. Bei Lucio Cecchinello fühlt sich Bradl offensichtlich sehr wohl und kann ohne Druck fahren. Zudem wählte der Deutsche einen sehr guten Zeitpunkt, um in die MotoGP aufzusteigen. In diesem Jahr sind sich die Motorräder der Werks- und Satelliten-Teams sehr ähnlich. "Es war schon sehr glücklich, so eine neue Ära mitzumachen", bemerkt 'Sport1'-Experte Alex Hofmann im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Ich habe das mit der 800er damals auch erlebt. In den ersten zwei oder drei Rennen hatte man nahezu identisches Material."

"Damals kam auch nur Casey Stoner mit dem Material zurecht, doch das hat daran nichts geändert, dass das Material von Beginn an gut war. Es war gutes Timing. Natürlich kann es auch gefährlich werden", ist sich Hofmann bewusst, der weiß, dass die Schere zwischen den Werks- und Satelliten-Bikes spätestens 2013 weiter auseinander gehen wird. "Ich denke, dass er momentan bei Honda sehr gut im Kurs steht, auch wenn Marc Marquez seinen Platz im Werksteam schon sicher hat und eher die erste Geige spielen wird. Ich glaube aber, dass man den Stefan im Moment als großes Talent in der Hinterhand hat. Deswegen enthält man ihm technische Neuerungen nicht vor."

Stefan Bradl

Die RC213V von Stefan Bradl ist der Werksmaschine sehr ähnlich Zoom

"Die Verbindung zwischen Cecchinello und Honda ist sehr intensiv", erklärt der 'Sport1'-Experte, der aber auch Gefahren sieht: "Wenn irgendetwas aus der Reihe tanzt, könnte es zum Problem werden, wenn seine Leistungen nicht stabil wären und Honda das Vertrauen in ihn verliert. Dann könnte es recht schnell umschlagen, weil die Entwicklung immer weiter geht. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass Casey Stoner jetzt schon kleine Elektronikupdates hat, die Stefan noch nicht hat."

Die Chancen auf eine Werksmaschine

Bradls Vertrag bei LCR geht bis Ende 2013. Im Gegensatz zu Marco Simoncelli wird der Deutsche aber kein Werksmaterial erhalten. Hintergrund: Simoncelli fuhr 2011 auf einer Werks-Honda, obwohl er für das Gresini-Team an den Start ging. Der verstorbene Italiener stand bei Honda unter Vertrag, nicht bei Fausto Gresini. "Auch wenn Honda das alles Ende letzten Jahres gepusht hat, steht Stefan bei Cecchinello unter Vertrag. Er ist im Gegensatz zu Simoncelli kein Honda-Talent", stellt Hofmann klar. "Dennoch sind sie sehr interessiert, dass es bei ihm vorangeht."

Dass Bradls Nationalität wohl keinen Einfluss auf die Entscheidungen bei Honda hat, deutete sich bereits vor einigen Rennen an, als HRC-Vizepräsident Shuhei Nakamoto die Nationalität seiner Piloten in den Hintergrund rückte. "Diese Karte des Reisepasses zieht nicht mehr", ist sich auch Hofmann bewusst. "So ein Quoten-Deutscher war auch schon zu meiner Zeit nicht mehr gefragt."

Shuhei Nakamoto

HRC-Vize Shuhei Nakamoto hat ein Auge auf den Deutschen geworfen Zoom

"Wenn man die Leistung nicht bringt, ist man weg. Honda möchte Rennen gewinnen. Ihnen ist es ehrlich gesagt total egal, ob du aus Aserbaidschan oder aus Deutschland kommst. Du musst Rennen gewinnen", erklärt der Ex-MotoGP-Pilot. "Die Amerikaner haben es etwas besser. Wenn man den größten Markt hinter sich hat, dann ist man da im Vorteil."

Nakamoto schloss nach dem Rücktritt von Casey Stoner aus, dass HRC zwei Spanier verpflichtet. Nun steht aber fest, dass Dani Pedrosa und Marquez im kommenden Jahr für Repsol-Honda fahren werden. "Die Politik, die Interessen der Dorna und die der Sponsoren ändern sich in der MotoGP sehr schnell. Wenn man am Ende die Meisterschaft holt sind alle glücklich. Verträge sind schön. Es ist auch schön, wenn sie eingehalten werden. Doch sie stellen keine Garantie dar", bemerkt Hofmann.

Wohin geht die Reise?

Es steht außer Frage, dass Bradl bereits in der laufenden Saison die Erwartungen übertroffen hat. Mit mehr Erfahrung sollte es 2013 noch besser laufen. Cal Crutchlow ist das beste Beispiel: Der Brite machte nach einer durchwachsenen Rookie-Saison im Winter einen großen Schritt und überraschte bei den ersten Rennen mit deutlich besseren Leistungen als 2011.

"Ein Schritt nach vorn wird kommen", ist sich Hofmann sicher. "Ob der dann so groß sein wird wie bei Crutchlow muss man abwarten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Stefan dieses Jahr herausfindet, wo die Stärken und Schwächen sind. Er wird dann sehen, woran er noch arbeiten muss. Wie weit er im nächsten Jahr kommen wird, kann ich nicht sagen. Momentan sind wir verwöhnt, doch wir sollten auch mit einem Tief rechnen."

Alex Hofmann

'Sport1'-Experte Alex Hofmann bescheinigt Bradl eine erfolgreiche Zukunft Zoom

"Die Elektronik und sein Motorrad hat er verstanden. Er wird fürs kommende Jahr körperlich an sich arbeiten. Er kann jetzt schon diese richtig schnellen Zeiten eine Runde lang fahren und das Tempo von Casey Stoner und Jorge Lorenzo mitgehen. Diese Jungs sind aber so vorbereitet, dass sie selbst bei 36 Grad in Malaysia ihr Tempo von der ersten bis zur letzten Runde abrufen können", so Hofmman.

"Das kann Stefan definitiv noch nicht. Das kann man aber auch noch nicht erwarten. Diese körperliche Vorbereitung muss man im Winter machen. Man kann von ihm nicht erwarten, dass er 180 Kilometer Rad fährt, wenn er nach Hause kommt. Er wird dieses Jahr schon robuster werden", schildert Hofmann. "Im kommenden Jahr wird er aber noch einen Schritt machen. Diese Mehrleistung ermöglicht ihm dann eine bessere Konzentration im Rennen."

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