Lorenzo löst Debatte über Überrundete aus

Beim Überrunden verspielt Jorge Lorenzo den Sieg und stößt damit eine Diskussion an: Wie kann man die Überrundeten in Zukunft besser informieren?

(Motorsport-Total.com) - Das Saisonfinale in Valencia sollte die teilweise langatmige MotoGP-Saison vergessen machen. Beim Start auf halbnasser Strecke entschied sich Jorge Lorenzo für Slicks und ging damit volles Risiko. Mit Ausnahme von Stefan Bradl vertraute das komplette Feld auf Regenreifen. Vier Piloten bogen nach der Einführungsrunde in die Box und holten sich ebenfalls Trockenreifen ab.

Titel-Bild zur News: Jorge Lorenzo

Weltmeister Jorge Lorenzo fordert bessere Hinweise für die Überrundeten

Doch der Strategievorteil von Lorenzo bedeutete nicht den Sieg. Beim Überrunden von James Ellison stürzte der Yamaha-Pilot, nachdem er auf eine nasse Stelle kam. "Es war sehr schade", bedauert der Weltmeister, der im hohen Bogen abflog, sich aber nicht verletzte. "Abgesehen vom Knie fühle ich mich glücklicherweise gut."

"Ich schätze nun mehr, dass ich schon in Philipp Island die Meisterschaft gewonnen habe. Wenn ich hier nicht als Weltmeister angekommen wäre, würde ich jetzt sicher nicht so gut gelaunt sein", bemerkt er. "Dennoch ist es schade, weil ich große Hoffnungen hatte, hier um den Sieg zu kämpfen. Ich verhielt mich mit Blick auf die Bedingungen sehr clever. Ich habe die Slicks gewählt. Das war die perfekte Entscheidung. Ich wusste, dass ich geduldig sein und auf den richtigen Moment warten muss. Ich konnte die Fahrer vor mir mit der Zeit überholen und kam näher an die Führenden."

Lorenzo schimpft über die Hinterbänkler

"Ich wusste, dass Dani drei Sekunden hinter mir war. Ich weiß nicht, warum Hector Barbera nicht Platz machte und die trockene Linie nicht verließ. Ich habe in einer Runde meinen kompletten Vorsprung verloren", schimpft Lorenzo. "Dann hatte Dani einen Fehler gemacht und ich hatte wieder einen Vorsprung von vier Sekunden. Doch dann kam ich an eine Gruppe von überrundeten Fahrern heran."

"Es waren vier oder fünf Piloten. Alle haben die trockene Linie verlassen. Ich konnte ohne Risiko vorbeigehen. Dann bin ich auf Ellison aufgelaufen. Er verließ die Ideallinie nicht. Er hat zurückgesehen und mich wahrgenommen. Danach ist er wieder auf die Ideallinie zurückkehrt. Warum er das gemacht hat, weiß ich nicht. Ich wollte schnell an ihm vorbeigehen. In zwei oder drei Kurven hätte ich meinen kompletten Vorsprung auf Dani verloren. Deswegen wollte ich ihn in der Schikane überholen", berichtet der Spanier.

Jorge Lorenzo

Der Yamaha-Werkspilot lag bis zu seinem Sturz deutlich in Führung Zoom

"Dafür musste ich ein bisschen aufs Nasse. Dabei wurde das Motorrad unruhig. Ich dachte, dass ich es abfangen kann. Doch dann kam ich auf die noch feuchteren Stellen und bin via Highsider abgeflogen. Es war schade, weil wir mehr denn je die Mitarbeit der überrundeten Fahrer gebraucht haben. Die Ideallinie war sehr schmal", schildert der M1-Pilot. "Doch die Überrundeten haben das Gegenteil gemacht: Sie haben mehr als je zuvor ihre Linie behauptet."

Richtige Reifenwahl

Dabei hatte Lorenzo alle Trümpfe in der Hand. Die Strategie des Spaniers war optimal: "Wir wussten, dass es mit Slicks schwierig wird. Ramon (Forcada, Crewchief; Anm. d. Red.) hat mich gebeten, beide Reifen auszuprobieren. Ich bin die erste Runde mit Regenreifen gefahren. Es sah so aus, als wäre es trocken genug für Slicks. Ich habe das Motorrad gewechselt. Valentino fuhr bei der ersten Runde vor mir. Er kam ebenfalls in die Box, wechselte aber nicht das Motorrad. Ich habe gewechselt, weil ich wusste, dann einen Vorteil zu haben."

"Ich wusste, dass ich beim Start vorsichtig sein muss. Mich haben viele Fahrer überholt. Mir war bewusst, dass ich geduldig sein musste", so Lorenzo, der den Fehler nicht auf seine Kappe nehmen möchte: "Man kann konzentriert sein und sehr viel Erfahrung haben, doch manchmal hängt es nicht nur von einem selbst ab. Ich hätte geduldiger sein und Ellison auf der Geraden überholen können. Doch dann wäre mein gesamter Vorsprung auf Dani weg gewesen."

Blaue Flaggen hat Lorenzo nur selten gesehen. "Ich war sehr konzentriert und habe nicht so viele gesehen", erklärt er enttäuscht und fordert neue Hinweise für überrundete Fahrer: "Sie (Dorna; Anm. d. Red.) haben gesagt, dass es ein paar Ideen gibt für die Zukunft. Vielleicht wird es an den Motorrädern einen Alarm oder blaue Lichter geben. In der Formel 1 gibt es blaue Lichter an der Strecke."

"Einzig Valentino (Rossi; Anm. d. Red.) hat Platz gemacht. Der Rest hat keinen Platz gemacht. Das hat mich den Sieg gekostet, doch wenn es für die Zukunft hilft, dann bin ich zufrieden", behauptet er. Der Abflug war heftig. "Wenn man fliegt, dann macht man die Augen zu und hofft, sich nicht zu verletzen." Im Gegensatz zu den meisten Konkurrenten konnte Lorenzo vor dem Rennen noch an der Federung Einstellungen vornehmen. "Meine Federelemente wurden etwas weicher eingestellt. Die Elektronik wurde auch etwas stärker eingestellt", erklärt er.


Fotos: MotoGP in Valencia


Teamkollege Katsuyuki Nakasuga fuhr mit Platz zwei ein sensationelles Ergebnis ein. "Ich freue mich sehr für ihn. Er hatte ein Podium verdient, weil er tolle Arbeit leistet, um das Motorrad zu verbessern", lobt Lorenzo. "Manchmal stürzt er, aber heute war er sehr sicher und gleichzeitig schnell. Die Bedingungen haben ihm sicher geholfen, doch er blieb auf dem Motorrad sitzen. Ich denke, dass es das beste Yamaha-Ergebnis der Saison war, das nicht von mir erzielt wurde. Das ist gut."

Beim Test am Dienstag wird Lorenzo mit einem komplett neuen Motorrad auf die Strecke gehen - vorausgesetzt, das Wetter ermöglicht einen aussagekräftigen Test. "Wir haben am Dienstag ein neues Motorrad. Es hat einen neuen Rahmen und einen neuen Motor", so Lorenzo.