• 25.05.2017 15:55

  • von Heiko Stritzke & Roman Wittemeier

Musterreifen-Reglement: Sicherheit oder Risikofaktor?

Mit dem neuen Reifenreglement wollten DMSB und ADAC mehr Sicherheit schaffen - Doch sorgen die neuen Regeln wirklich für mehr Sicherheit?

(Motorsport-Total.com) - "Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht", heißt es im Volksmund häufig. Die Beispiele sind so vielfältig wie das Fahrerfeld beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Ein neuer Diskussionspunkt ist nun hinzugekommen: Es gibt sicherlich keinen Zweifel daran, dass das neue Reglement mit zu hinterlegenden Musterreifen, die von der Konkurrenz für 500 Euro nach jedem Rennen gekauft werden können, mit einem gut gemeinten Sicherheitsgedanken ausgegoren wurde.

Titel-Bild zur News: Reifen

Sicherheit oder Risiko? Die neuen Reifenregeln kommen nicht überall gut an Zoom

Die Zeiten der GT3-Boliden sollten auf der Nürburgring-Nordschleife eingebremst werden. Bislang wurde es zumindest nicht schneller. Doch kommt am Ende auch wirklich mehr Sicherheit dabei heraus? Mitnichten. Gerade die Michelin-Reifen standen nach den ersten VLN-Läufen heftig in der Kritik. Allerdings ohne dass Michelin sonderlich viel dafür konnte. "Die halten nicht einmal einen ganzen Stint bei uns", klagten die Porsche-Piloten bei den ersten VLN-Läufen. Die GT3-Fahrzeuge fahren bei einem normalen Trockenrennen Stintlängen von acht Runden. Doch für Porsche war das bereits ein Problem.

Gerade Michelin, die Porsche beliefern und ein großes Know-how über die vergangenen Jahre angehäuft hat, wurde von dem faktischen Verbot von Entwicklungsreifen hart getroffen. "Wir hatten für unsere konzeptionelle Problematik mit dem Heckmotor eine Lösung gefunden, die für alle funktioniert hat. Die haben wir in die Tonne geworfen", sagt Porsche-GT-Chef Frank-Steffen Walliser im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. Die Kritik richtet sich ausdrücklich nicht an Michelin, sondern an den DMSB.

Kurze Vorbereitungszeit sorgt für Probleme

Michelin klagt über eine zu kurze Vorlaufzeit. Die Nordschleife stellt so spezielle Anforderungen an die Reifen, dass die Bedingungen nirgends simuliert werden können. Durch die Höhenunterschiede in der "Grünen Hölle" wird der Reifen enormen Belastungen ausgesetzt. Bis zu 2.000 Kilogramm lasten in der Kompression in der Fuchsröhre auf einem einzelnen Reifen, wenn das Auto auf Block geht. Hinzu kommen die Steilkurven, unterschiedliche Asphalttypen und die auf der Nordschleife recht speziellen, weil hohen Randsteine. Einzeln mögen sich diese Punkte simulieren lassen, in der Kombination kann jedoch nur der Praxistest Auskunft geben.

Als das neue Musterreifen-Reglement beschlossen wurde, standen noch zwei VLN-Läufe auf dem Programm. Doch im Winter gab es dann die aerodynamischen Änderungen an Fahrzeugen, die eine höhere Bodenfreiheit, einen beschnittenen Frontdiffusor und einen wahlweise nach vorne versetzten oder verschmälerten Heckflügel vorsehen. "Diese beiden Rennen waren dadurch komplett nutzlos", erläutert Michelin-Langstreckenchef Jerome Mondain.


24h Nürburgring

Im Winter ist auf der Nordschleife kein Fahrbetrieb möglich, weshalb die ersten Testfahrten erst mit Beginn der Saison unternommen werden konnten, also bei den Einstellfahrten. Somit musste der Reifen im Prinzip während der Saison entwickelt werden. "Da kann selbst ein Weltkonzern wie Michelin nicht zaubern", zeigt Walliser auf. "Da wurde eine komplette neue Reifenentwicklung in drei Rennen plus ein paar Testfahrten für unterschiedliche Fahrzeugkonzepte betrieben. Zum Zeitpunkt, wo weltweit alle Rennserien starten. Das bringt auch den größten Reifenlieferanten an seine Grenzen."

Falken und Yokohama profitieren

Porsche hat sich mit intensiven Testfahrten der Problematik angenommen und fährt nun einen abgespeckten Stand der Michelin-Reifen, die bereits in der Vergangenheit verwendet wurden. Bei den Testfahrten hatte man gute Ergebnisse erzielt, aber ob die neuen Reifen den hohen Temperaturen, die beim diesjährigen 24-Stunden-Rennen erwartet werden, standhalten, steht auf einem anderen Blatt. Bei solch hohen Temperaturen konnte nämlich noch gar nicht getestet werden.

Falken-Porsche

Ein Profiteur der Regeln: Der Falken-Porsche Zoom

Dunlop hatte es etwas leichter, vor allem da hier keine Reifen für Heckmotorfahrzeuge entwickelt werden musste. Dementsprechend waren die Fahrzeuge mit Pneus aus dem Goodyear-Dunlop-Konzern gut aussortiert. Doch auch hier hält sich die Zufriedenheit in Grenzen: Sollten Änderungen an den Fahrzeugen auftreten, was mittels BoP und Set-up-Änderungen häufig geschieht, besteht kein so großer Handlungsspielraum mehr wie mit Entwicklungsreifen. Ein Reagieren auf Änderungen ist schwieriger geworden. Gerade der um 20 Kilogramm schwerere Mercedes wird die Reifen noch einmal stärker belasten.

Die großen Profiteure sind Falken und Yokohama, die weniger Fahrzeuge beliefern und sich auf eine Top-Marke konzentrieren können. Falken hätte beinahe den VLN-Auftakt gewonnen und Yokohama ist mit Bentley stärker aufgestellt denn je. Enger ist es auf dem Reifenmarkt also geworden, aber sicherer wohl eher nicht.