Mercedes-Vorschau: Gejagter oder doch Jäger?

Mercedes ist als Vorjahressieger in der Rolle des Gejagten - Doch die Realität sah im Zuge der neuen Regeln bislang anders aus - Topspeed-Manko behoben?

(Motorsport-Total.com) - Bessere Werbung für die eigene Marke hätte es im Vorjahr nicht geben können: Zwei Mercedes AMG GT3 von zwei unterschiedlichen Teams kämpften 2016 bis zu letzten Runde um den Gesamtsieg bei den 24 Stunden auf dem Nürburgring. Das spektakuläre Manöver von Maro Engel (Black Falcon) gegen Renger van der Zande (HTP Motorsport) ist als eines der absoluten Highlights in den Annalen des 24-Stunden-Rennens auf der Nürburgring-Nordschleife für immer verewigt.

Titel-Bild zur News: Uwe Alzen, Lance David Arnold

Das Haribo-Team war das stärkste AMG-Team der bisherigen Nordschleifen-Saison Zoom

Ein Jahr später steht nun die Titelverteidigung auf dem Programm. Und schon im Vorfeld des Rennens lagen die Nerven blank. Wilde Diskussionen um die BoP-Einstufung haben sich insbesondere nach dem zweiten VLN-Lauf abgespielt. "Wir sind auf der Geraden absolut wehrlose Beute", klagte Uwe Alzen beim DMV-4-Stunden-Rennen. Die Gegner hielten ihre Meinung ebenfalls nicht hinterm Berg. "Der zieht aus der Kurve raus wie sonstwas", meint ein Fahrer eines anderen Fabrikats. Tenor: Wie soll dann so viel Topspeed fehlen, ohne dass geschummelt wird?

Natürlich lag die Wahrheit irgendwo in der Mitte: Mercedes hat einen neuen Schalldämpfer homologiert. Dieser kostete allem Anschein nach mehr Leistung als ursprünglich angenommen. Die BoP-Macher reagierten sofort und spendierten dem Mercedes AMG GT3 einen größeren Luftmengenbegrenzer, ohne jedoch die maximale Leistung anzuheben. Nach dem Qualifikationsrennen gab es zusätzlich - wie auch bei BMW - 20 Kilogramm Zuladung.

Welcher Reifen macht das Rennen?

Doch nicht nur in Sachen BoP gibt es Gegenwind. Aufgrund der neuen Reifenregularien haben HTP und Black Falcon ihre Fahrzeuge zwischen Michelin- und Dunlop-Reifen aufgesplittet. Der Wechsel auf Dunlop war nicht ganz einfach, wie Jan Seyffarth im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' erklärt: "Der Michelin-Reifen war sehr gut auf der Vorderachse und hatte ein sehr gutes Einlenkverhalten. Beim Dunlop hat es mit dem Set-up vom Michelin nicht funktioniert. Da hatten wir erst ein wenig Untersteuern. Du hast eingelenkt, und das Auto ist erst einmal ein Stück geradeaus gefahren."

Bei den ersten Rennen mussten HTP und Black Falcon bei den Dunlop-Autos daher erst mit völlig neuen Spur- und Sturzwerten herumhantieren. "Mittlerweile haben wir das Problem in den Griff bekommen", versichert Seyffarth. Die Pole-Position durch den Dunlop-HTP-Mercedes #47 von Sebastian Asch, Dominik Baumann, Christian Hohenadel und Stefan Mücke unterstreicht diesen Aspekt.

Es war das erste Mal, dass ein anderes Fahrzeug als der Michelin-bereifte Haribo-Mercedes in dieser Saison aufzeigte. Der AMG #8 (Alzen/Arnold/Götz/van der Zande) erwies sich bis dahin klar als das stärkste Fahrzeug in den AMG-Reihen. Erst mit der starken Qualifying-Leistung brachte sich HTP Motorsport mit dem Fahrzeug #47 ins Gespräch, das aber kurz nach dem Start zum Rennen schon draußen war.

Neue Aero-Regeln treffen Mercedes' Stärke

Von Black Falcon war bislang nicht allzu viel zu sehen. Das zweimalige Siegerteam der 24 Stunden auf dem Nürburgring hat sich bislang sehr unauffällig präsentiert. Es scheint, als hätte die Mannschaft aus Meuspath bislang die größten Probleme mit den neuen Aerodynamik-Regelungen gehabt. "Das Auto bewegt sich mehr und rollt mehr. Man spürt, dass man etwas weniger Abtrieb hat", klagt Maro Engel gegenüber 'Motorsport-Total.com'.

Mercedes hat mit dem AMG GT3 ein Fahrzeug, das tendenziell mehr auf Abtrieb denn auf Topspeed ausgelegt ist. "In den schnellen Kurven sind wir zusammen mit BMW die Schnellsten", zeigt Engel auf. "In einigen Kurven haben wir unsere Stärken, in anderen der BMW. Dafür sind wir, zusammen mit dem BMW, auf der Geraden die langsamsten Fahrzeuge. Das ist unsere Achillesferse." Und die neuen Aerodynamik-Regelungen, die fünf Millimeter mehr Bodenfreiheit und kleinere oder weiter nach vorn gesetzte Flügel vorsehen als im Vorjahr, zielen genau auf die große Stärke von AMG ab.

Wie viel von dem Vorteil noch übrig ist? Der Vorjahressieger sieht zumindest keinen Nachteil für Mercedes-AMG: "Beim Quali-Rennen hatte ich nicht das Gefühl, dass es große Diskrepanzen in der Balance of Performance gibt. In meinem ersten Stint hatte ich einen Audi vor mir und einen BMW hinter mir, und da gab es keine großen Unterschiede." Der Nachteil bleibt hingegen: Mercedes ist im Zweikampf angreifbar; der AMG ist auf freie Fahrt angewiesen, um sein Tempo gehen zu können. Verkehr vor der Döttinger Höhe ist Gift für das Fahrzeug.

HTP sinnt auf Revanche

Die drei Teams Black Falcon (drei Fahrzeuge, zwei werksunterstützt), HTP Motorsport (drei Fahrzeuge, zwei werksunterstützt) und Haribo Racing (ein werksunterstütztes Fahrzeug) werden auch in diesem Jahr zunächst zusammenarbeiten, bevor es im Rennen dann gegeneinander geht. Und hier hat HTP noch eine Rechnung aus dem Vorjahr offen. Die ehemalige Persson- und Heico-Mannschaft war 2016 so dicht dran am Sieg, verlor ihn aber an den Rivalen Black Falcon. Immerhin weiß man mittlerweile Vorjahressieger Bernd Schneider in den eigenen Reihen, aber nicht auf dem werkseingesetzten Boliden.

Christian Hohenadel, Stefan Mücke

HTP hat sich mit der Pole-Position beim Qualifikationsrennen aufs Radar gebracht Zoom

Bei aller markeninternen Rivalität droht die größte Gefahr aber natürlich von außerhalb. Und hier ist Mercedes nach den bisherigen Rennen eher in einer Jäger- als Gejagten-Position. Doch die Dinge können sich bekanntlich schnell ändern...

Technische Daten Mercedes AMG GT3 - 24h Nürburgring

- Länge: 4.746 mm
- Breite: 2.049 mm
- Höhe: 1.238 mm
- Radstand: 2.625 mm
- Mindestgewicht: 1.345 kg
- Leistung: 495 PS
- 6,2l-V8 mit 2x32,2 mm Luftmengenbegrenzer
- Tankinhalt: 118l

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