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Ischgl Cart Trophy 2015: Die Promis, der Motorsport und Ich

Motorsport-Total.com-Redakteurin Rebecca Friese traf beim "Ischgl Summer Opening" auf eine neue Welt und entdeckte nebenher die Rennfahrerin in sich

(Motorsport-Total.com) - Ich kann meinen Herzschlag fühlen. Ein wenig schwindelig ist mir auch. Die laute Musik und die Stimmen um mich herum verschwimmen langsam. Zittere ich? Ich habe Angst mich in jeder zweiten Kurve zu drehen und komplett zu blamieren. Ein Unfall ist auch nicht auszuschließen - ich bin nicht die einzige Unerfahrene da draußen. Ich blende es aus. Ich will mich nur rein setzen und Gas geben. Mein Team nicht hängen lassen. Wenn ich Stärke zeige, kann ich sie mitziehen. Ich bin unheimlich aufgeregt. Es ist ein geiles Gefühl!

Titel-Bild zur News: Motorsport-Total.com Kart

Im "Monaco der Alpen" war es schwer, dem Motorsport-Fieber zu entkommen Zoom

Die "Ischgl Cart Trophy" im Rahmen des "Ischgl Summer Openings" ist ein sommerlicher Society-Event in der Wintersport-Hochburg, in der sich die Reichen und Schönen eigentlich meist zum Après-Ski treffen. Sehen und gesehen werden klappt aber auch vor grünen Bergen und ohne Schneeanzug. Da kann man sogar noch mehr sehen und sehen lassen!

Ohne Anlass will man sich aber selten zusammenfinden und sportlich möchte es im Tirol auch bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt zugehen. Deswegen wird auch zum Anstoß der Sommersaison nicht nur zum Champagner-Empfang geladen. Man setzt auf Speed!

Nicht nur in der Formel 1: In Ischgl trifft Galmour auf Rennsport

Zum neunten Mal fanden sich dabei im "Monaco der Alpen" Prominente, Wirtschaftsbosse, Profi- wie auch Hobbyrennfahrer zur "Formel 1 im Kleinformat" zusammen, um auf dem Straßenkurs im Herzen Ischgls im Kart gegeneinander anzutreten. Und wer denkt, da würden neben dem Posieren vor der Kamera und Austauschen von Visitenkarten nur ein paar lustige Runden gedreht, der irrt sich...

Ich bin weder reich, noch (in Relation zu den Eventteilnehmerinnen gesetzt) schön. Ich bin Motorsport-Redakteurin und war hauptsächlich zum Berichten da. Dafür hatte ich aber auch ein Team, wurde in einen Rennanzug gesteckt und entwickelte im Laufe der Veranstaltung ein Bestreben, das ungeahnten Ehrgeiz in mir weckte: Ich wollte dem Team, dem Arbeitgeber und dem Veranstalter Ehre erweisen!

Rebecca Friese, Motorsport-Total.com

Konzentration, Anspannung, Mitfiebern: Die volle Gefühlswelt in Ischgl Zoom

Die Sportler unter euch werden wissen: Dass muss nicht bedeuten, die besten Ergebnisse zu holen und Pokale einzuheimsen. Das bedeutet vor allem, sein Bestes zu geben, eigene Befindlichkeiten auch einmal zurückzustellen und sich mit voller Konzentration der Sache zu widmen. Aufregung, Nervosität, Ambitionen, Teamwork, Anspannung, Freude, Analysen, Enttäuschung, Erleichterung... und die Schmerzen danach - es war eines der intensivsten Wochenenden, die meine Gefühlswelt je zu bewältigen hatte.

Blind vor Aufregung

Ich wusste nicht, was ich zu erwarten hatte, als ich die Reise nach Österreich antrat. Dem Promi-Anstrich der Veranstaltung stand ich gespannt gegenüber. Vor der Motorsport-Seite der Medaille graute es mir etwas. Jetzt kann ich es ja zugeben: Ich habe in meinem Leben erst einmal in einem Kart gesessen - vor etwa 18 Jahren auf einem Supermarktparkplatz. Und ich hatte schon immer eine Grundangst: Totale Blamage!

"Na gut, dann gehe ich zuerst", überwand ich meine Angst und trottete zum Parc ferme, um das erste Freie Training anzugehen. "Noch kaum jemand hier", dachte ich noch, als ich nur acht Minuten vor dem offiziellen Start ankam. Deswegen suchte ich mir die nächstbeste Fahrerin und setzte mich neben sie. "Und? Auch aufgeregt?" - "Ja, auf jeden Fall!" - "Hast du denn schon Erfahrung?" - "Nein, gar nicht! Du?" - "Nein, überhaupt nicht. Ich bin übrigens Rebecca", reichte ich ihr die Hand. "Ich bin Simone", entgegnete mir offensichtlich Frau Ballack. Meine erste Motorsport-Eigenerfahrung wurde also zu einer ersten Promi-Begegnung.

Lange nachgedacht habe ich darüber aber nicht. Helm auf, Handschuhe an und ein erster Kontakt mit dem schicken schwarzen Kart, dem das Motorsport-Total.com-Logo zierte. Der Motor lief bereits. Die Vibrationen gingen direkt in einen über. "Was mache ich hier", dachte ich noch, als es auch schon losging. 0,650 Kilometer Kurven, Geraden, Haarnadel-Turns und Schikanen. Die erste Runde beinhaltete zwei Drifts, aber keinen Abflug.


Onboard beim Team von Motorsport-Total.com

Das Team zählt

Auch die zweite, dritte und vierte Runde bekam ich den ersten U-Turn nur driftender Weise hin. Das fühlte sich cool an, machte Spaß und sah bestimmt auch cool aus, aber mir war sofort klar: Das kostete Zeit, das ist ärgerlich, das muss ich in den Griff bekommen - das ist also sportlicher Ehrgeiz!

Fahrerwechsel - das A und O der "Ischgl Kart Trophy". Denn die 35-minütigen Rennen werden durch dreimaliges Wechseln von dem vierköpfigen Team gemeinsam bewältigt. Das bietet Raum für Taktiken, das schweißt zusammen, das spornt an. Erfolg gibt es nur über das Team. Misserfolg möchte man durch eigene Bestleistung dem Team ersparen.

Team Motorsport-Total.com

Maria, Rebecca, Kathi und Leonie (von links) vom Team Motorsport-Total.com Zoom

Am Tag vor der Abreise traf ich mich mit einem Kollegen - ein netter Abend im Freien bei dem einen oder anderem Bierchen. Ich bekam durchaus die von mir gewünschten Tipps und Motivationen, doch - Frau wie ich nun einmal bin - hatte ich weniger Verständnis für den mehrmaligen Hinweis des Gewichtsnachteils, den ich mit in den Wettbewerb tragen würde.

Vom Ehrgeiz ergriffen

Jörg hatte Recht. Bei den Honda GX 270 Motoren mit nur 9 PS macht dich jedes Kilo langsamer. Und mir tat mein Gemütlichkeitsüberschuss nicht wegen der Foto-untauglichkeit oder des Revier-markierenden Weibchen-Vergleichs leid. Es brachte Nachteile für mein Team! Konnte ich das mit Leistung und Motivation wieder herausholen?

"Hauptsache, wir werden nicht Letzte" - das war das Credo, mit dem wir den Wettbewerb angingen. Spaß sollte es uns machen - und davon nahmen wir auch nicht zu wenig mit! Aber auch wenn es in diesem Jahr zum ersten Mal eine eigenen Frauenwertung gab und sich auch unter den sogenannten "Wildcats" viele unerfahrenen Damen tummelten - es blieb ein Wettbewerb. Und dem kann sich auch das vermeintliche schwächere Geschlecht nicht entziehen.

Ischgl Cart Trophy, Motorsport-Total.com

Heiße Duelle auf der Strecke: In der Damenwertung wurde nicht zurückgesteckt Zoom

Die Kart-Veranstaltung an sich war äußerst professionell aufgezogen. Vom Fahrerbriefing beim ersten Empfang, über Fahnenlehre und Strafen-Katalog - einfach drauf los fahren ließ man uns nicht. Weswegen die echte Motosport-Atmosphäre aber auch erst aufkam. Und während es auch durchaus professionelle Rennfahrerinnen unter den Damen gab, war ich mitnichten die einzige, die auch ohne jegliche Vorerfahrung schnell erkannte, dass man mit Spaß und Begeisterung allein keinen Blumentopf gewinnt...

Emotionen kochen hoch

Eines der insgesamt sieben Rennen über zwei Tage ist zu Ende. Wir gehen ins Parc ferme um die letzte Fahrerin unseres Teams zu empfangen und ihr von unserer Platzierung zu berichten. Sie steigt mit einer unglaublichen Wut aus. Grund ihrer Unzufriedenheit: Eines der Top-4-Teams, dass blaue Flaggen zum Anlass nahm, einen durch wiederholtes Rammen klar zu machen, dass man als solides Mittelfeldteam gefälligst Platz zu machen hat. "Gerne", dachten wir, aber aufgrund mangelnder Fähigkeit des In-Luft-Auflösens ist das in der Schikane oder anderen engen Kurven schwer möglich.

Ein Kameramann muss einen "Cat-Fight" gewittert haben als er drauf hielt, wie wir uns mit dem gegnerischen Team auseinandersetzten. Aber wir mussten ihn enttäuschen. Es fielen deutliche Worte, aber die Sache wurde geklärt. Die anderen erklärten ihre Frustration über andere Teams, denen die Bedeutung der blauen Flaggen unklar schien und versicherten danach, dass sie ein Auge auf unsere Startnummer haben, und uns in Ruhe lassen würden.

Ischgl Cart Trophy, Motorsport-Total.com

Diskussionsbedarf: Manchmal hörte der Spaß auch kurz auf Zoom

Runde für Runde lernte ich die Strecke besser kennen. Nach den Rennen eilte ich zur Rennleitung, um mir unsere Rundenzeiten ausdrucken zu lassen, damit wir unsere Taktiken besser planen konnten. Beobachtungen der Männer-Riege lehrten uns, wie wir die Ideallinie zu nehmen hatten. Und ich stellte fest: Jahrzehntelanges Formel-1-Schauen, jahrelanges Zuhören bei Rennanalysen und detailliertes Berichten über Geschehnisse auf den professionellen Rennstrecken dieser Welt gaben mir doch ein schnelleres und besseres Verständnis dafür, was zu tun ist, als anderen.

Der Tiefpukt als Höhepunkt

Meine Rundenzeiten konnte ich kontinuierlich verbessern. Und dann setzte der Regen ein. Die mittlerweile überwundene Angst kehrte wieder. Bedeute eine feuchte Strecke nicht ein völlig anderes Fahrverhalten? Fangen wir also noch einmal von vorne an? Ich kann gar nicht beschreiben warum, aber meine erste Regenrunde fühlte sich... noch geiler an! Und woran es auch immer gelegen hat - das gesamte Team konnte ich verbessern.

Aus unseren Ängsten entstand die Taktik: Wir fahren vorsichtig und vermeiden Dreher. Wenn nämlich die anderen ausrutschten, könnten wir so nach vorne gespült werden. Ich redete noch auf meine Teamkollegin ein, das so umzusetzen, aber ich fürchte, ich konnte mich selbst nicht dran halten... Während meine angewiesene Kollegin kontinuierlich gute Zeiten fuhr, fühlte ich mich so sicher, dass ich über mich hinauswuchs, Zeiten fuhr, die an die Bestzeiten im Nassen herankamen, auf einer Spitzenposition lag - und mich drehte. Dreimal! Endresultat: Platz sieben.


Onboard beim Regenrennen der "Wildcats"

Ich ging einige Meter mit dem Helm noch auf dem Kopf, riss ihn schließlich ab und feuerte die Sturmhaube rein. Ich trat gegen die Absperrung und überlegte noch, ob ich mich erst einmal irgendwo zurückziehen könnte, bevor ich meinem Team gegenübertreten musste. "Was ist passiert", kamen sie mir entgegen. "Bis 30 Sekunden vor Schluss lagst du auf Platz eins!"

Erkenntnisse

Erst später realisierte ich, dass es genauso solche Szenen sind, die mich am Motosport stets fasziniert haben - emotionale Szenen. Ein Mika Häkkinen, der zusammengekauert am Streckenrand weint. Ein Michael Schumacher, der in die generische Box stürmt, um David Coulthard zur Rede zu stellen. Oder auch ein Williams-Team, das einen Maldonado-Sieg ausgelassen feiert. Es war ein zerstörender Moment für mich - im Nachhinein: ein geiles Gefühl!

Vom 25. bis 28. Juni konnte ich in eine andere Welt abtauchen. Das Promi-Gucken war nett, die Betreuung vom Organisationsteam um Veranstalter Peter Saliger an der Strecke war fabelhaft und die Rahmen-Veranstaltungen exquisit. Aber ich hatte Blasen an den Händen, blaue Flecken am ganzen Körper, von zahlreichen Anstößen, Auffahrunfällen und Remplern tat mir der Rücken weh und meine Nackenschmerzen trug ich noch eine ganze Woche mit mir herum - und dafür bin ich dem Veranstalter, meinem Team, unserem Betreuer Detlef Schmidt (Präsident des AvD Schweiz und Inhaber der 'first move!ag') und Motorsport-Total.com, noch viel dankbarer!


Fotostrecke: Motorsport Total beim "Wildcat Race" in Ischgl

Im Kart spürte ich keinen Schmerz. Mein Adrenalin-Ausstoß war Formel-1-reif. Und als Fan habe ich das Gefühl, dem Motorsport etwas näher gekommen zu sein. Ein Teil in mir bedauert, dass an mir vielleicht eine Rennsportlerin verloren gegangen ist. Ein andere hofft, dass diese Erfahrung aus mir eine bessere Rennsport-Reporterin gemacht hat.