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Marvin Kirchhöfer: "Ich hatte mir 2016 deutlich mehr erhofft"

Enttäuscht blickt Marvin Kirchhöfer auf die vergangene GP2-Saison zurück und muss nun erst einmal schauen, wie es mit seiner Karriere weitergeht

(Motorsport-Total.com) - Für Marvin Kirchhöfer lief die erste GP2-Saison nicht wie gewünscht. Nach Rang drei in der GP3 war der Leipziger mit hohen Erwartungen aufgestiegen, doch bei Carlin lief nicht viel zusammen. Abgesehen von einem zweiten Platz in Monaco blieb die Saison des Deutschen ohne große Höhepunkte, den letzten Event musste er aufgrund finanzieller Probleme zudem auslassen - genau wie die anschließenden Testfahrten.

Titel-Bild zur News: Marvin Kirchhöfer

Marvin Kirchhöfer erlebte ein enttäuschendes Jahr 2016 Zoom

Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' blickt Kirchhöfer auf die vergangene GP2-Saison zurück und spricht darüber, wieso bei Carlin nicht viel zusammenlief und wie es mit seiner Karriere nun weitergeht.

Frage: "Herr Kirchhöfer, Sie haben Ihre erste GP2-Saison mit 21 Punkten auf Rang 17 abgeschlossen. Kann man damit zufrieden sein?"
Marvin Kirchhöfer: "Logischerweise nicht! Es war nicht meine Ambition, am Ende auf Platz 17 anzukommen. Ich hatte mir schon deutlich mehr erhofft. Besonders nach dem guten Trend in Monaco hatte ich mir mehr vorgestellt. Das Ziel war definitiv schon, in die Top 8 reinzufahren - maximal in die Top 10. Aber das hat leider nicht wirklich funktioniert."

Frage: "Nehmen wir doch zunächst mal das Positive: Monaco dürfte ganz klar als Höhepunkt der Saison gelten. Wie ist es, dort auf dem Podium zu stehen?"
Kirchhöfer: "Monaco war etwas ganz Besonderes: Zum einen, weil ich das erste Mal in Monaco war, zum anderen war es für mich auch das erste Mal überhaupt auf einer Stadtstrecke. Dass es an meinem zweiten GP2-Wochenende natürlich gleich so gut läuft, war natürlich umso besser. Das war eines meiner absoluten Highlights. Ich werde mich noch lange daran zurückerinnern, denn das war ein ganz, ganz tolles Erlebnis und ein toller Erfolg. Nach dem Rennen hätte ich mir natürlich erhofft, dass so etwas auch in den anderen Rennen klappt."

Marvin Kirchhöfer

Höhepunkt: Der Leipziger feiert in Monaco sein erstes GP2-Podium Zoom

Frage: "Wie kamen Sie beim ersten Mal auf einem Stadtkurs generell zurecht? Was macht den Unterschied zu einem normalen Kurs aus?"
Kirchhöfer: "Ich kam von Anfang an sehr gut zurecht. Auf der Strecke kann man die Performance noch deutlich mehr beeinflussen und ist nicht mehr so abhängig vom Auto. Die Strecke verzeiht keinen einzigen Fehler, was mir in die Karten gespielt hat. Ich konnte nach den ersten paar Runden einen richtig guten Fokus entwickeln - mir lag die Strecke einfach sehr gut."

Carlin: Irgendwo hat es gefehlt

Frage: "Gab es sonst noch Höhepunkte in der Saison, die nicht unbedingt auf den ersten Blick zu erkennen waren?"
Kirchhöfer: "Baku war gar nicht so schlecht. Im Qualifying lag ich auf Platz sieben, und da haben mir nur eineinhalb Zehntelsekunden auf Rang drei gefehlt. Die wären drin gewesen, aber da habe ich leider einen kleinen Fehler gemacht. Ansonsten war die Saison ziemlich übersichtlich, ich hätte mir doch ein paar Höhepunkte mehr erhofft. Leider ist das bis auf Monaco ausgeblieben."

Frage: "Wie erklären Sie sich, dass Carlin nicht mehr zu den Spitzenteams gehört, obwohl man noch 2014 um den Titel kämpfte?"
Kirchhöfer: "Das ist eine gute Frage. Das würde ich selber auch gerne wissen. Vor zwei Jahren gehörte man noch zu den stärksten Teams. Im vergangenen Jahr hat man leider schon den Faden verloren, und in diesem Jahr gefühlt noch mehr. Woran es genau lag, da muss man wohl ins Detail gehen. Die Jungs sind wirklich gut drauf und auch wirklich nett, aber leider hat es irgendwo gefehlt. Speziell im Rennen hat die Pace nicht gestimmt, und dafür gibt es nun einmal die meisten Punkte."

Frage: "Gab es einen speziellen Punkt, ab dem Sie besonders frustriert waren?"
Kirchhöfer: "Das hat sich im Laufe der Saison entwickelt, weil es keinen weiteren Lichtblick gab. Wir haben sehr viel gearbeitet, ich war sehr viel in England, saß viel im Simulator und habe gepusht, wo es geht, aber leider wurde das von den Ingenieuren nicht richtig umgesetzt. Und so haben wir am Ende ein wenig auf der Stelle getreten."

Frage: "Haben Sie nach Monaco an einen Aufschwung geglaubt oder war Ihnen zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass der Rest der Saison schwierig werden würde?"
Kirchhöfer: "Nach Monaco war ich eigentlich sehr optimistisch gestimmt, nachdem wir in Barcelona schon einige Probleme gehabt hatten, die sich am Ende der Saison wieder gezeigt haben. Aber nachdem es in Monaco so gut lief und auch die Pace sehr zufriedenstellend war, dachte ich, dass es vorangeht. Baku war ebenfalls ein Lichtblick, weil es im Qualifying voranging, aber leider hat sich das Tief danach durch die Saison gezogen."

Hilmer für 2017 eine Option?

Frage: "In Abu Dhabi waren Sie aus finanziellen Gründen nicht mehr dabei, genauso wenig bei den Testfahrten im Anschluss. Zudem waren auch die Prema-Cockpits schnell vergriffen. Wie stehen die Chancen auf einen guten Platz im kommenden Jahr?"
Kirchhöfer: "Momentan sind die Chancen gering, weil die besten Plätze schon weg sind. Ich habe in diesem Jahr gelernt, dass es eigentlich nur Sinn hat, wenn man mit einem Topteam fährt. Diese bedeuten aber einen großen Budgetaufwand, den wir im Moment nicht zur Verfügung haben. Wir wissen daher nicht ganz, wo die Reise hingeht. Wir arbeiten daran, aber im Moment ist alles offen."

Frage: "Das spricht dafür, dass die GP2-Saison 2017 ohne Sie stattfinden könnte..."
Kirchhöfer: "Das ist bei uns momentan noch nicht raus. Es gibt Angebote in Richtung GP2, es gibt aber auch Angebote in anderen Kategorien. Im Dezember schauen wir darauf, wo es am meisten Sinn ergibt, zu fahren, um für die Zukunftsplanung etwas Positives zu finden."

Marvin Kirchhöfer

Partner: Käse Maik steht auf der Airbox, Formtech auf dem Heckflügel Zoom

Frage: "Eine Option könnte doch das Hilmer-Team sein, das gerne wieder einsteigen möchte. Franz Hilmer hat sich mit Maik Schiede zusammengetan, und deren Firmen Formtech und Käse Maik sind oder waren Partner von Ihnen, wie man auch auf Ihrem Auto sehen konnte."
Kirchhöfer: "Natürlich wäre es von meiner Seite interessant, dort einzusteigen, aber im Moment ist auch das leider nicht in unserem Rahmen des Budgets möglich. Für uns ist es nicht realisierbar, aber wenn sich dort eine Chance ergeben könnte, wäre das auch in meinem Interesse."

Frage: "Blickt man in der Situation neidisch auf Esteban Ocon, mit dem Sie 2015 noch zusammengefahren sind. Immerhin haben Sie in der GP3-Saison fünf Siege geholt, er nur einen..."
Kirchhöfer: "Sicherlich, aber im Motorsport läuft es nun einmal so. Er hat den Aufstieg absolut verdient, und von meiner Seite aus gilt: Hätte, wenn und aber gibt es nicht. Meine Situation ist nicht so scheiße, um es mal so auszudrücken, und ich bin froh, wie es bislang gelaufen ist."

Der Traum von der Formel 1 bleibt

Frage: "Ist die GP2 für Sie überhaupt noch die geeignete Serie für einen Formel-1-Aufstieg?"
Kirchhöfer: "Realistisch betrachtet ist die GP2 definitiv ein gutes Sprungbrett, aber die Formel 1 ist ohnehin ein schwieriges Thema. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit dem richtigen Erfolg sein. Ob das am Ende in der GP2, der GP3 oder der Formel 3 ist, ist völlig egal. Wichtig ist der Erfolg und wie schnell der kam. Und auch der Background eines Fahrers spielt eine Rolle. Das sind die Faktoren, um in die Formel 1 zu kommen. Für Pierre (Gasly; Anm. d. Red.) ist es schlecht gelaufen, weil im nächsten Jahr kein möglicher Platz bei Toro Rosso frei ist. Wenn das Interesse der Formel 1 an ihm besteht, dann wird er seinen Platz im Jahr darauf finden."

Frage: "Ist die Formel 1 noch im Hinterkopf oder realisiert man, dass es eng werden könnte?"
Kirchhöfer: "Natürlich bleibt es der große Traum, in die Formel 1 zu kommen, aber man denkt auch irgendwann realistisch und schaut, was wirklich möglich ist. Wenn es nicht möglich ist, muss man auf andere Wege schauen. Motorsport ist eine ganz große Welt, wo man auch außerhalb der Formel 1 erfolgreich als Rennfahrer tätig sein und vor allem auch Spaß haben kann. Deswegen schaue ich mit einem Auge auf die Formel 1, aber man orientiert sich auch auf andere Dinge. Man muss abwiegen, welcher Weg der bessere ist."


GP2-Testfahrten in Abu Dhabi

Frage: "Am Ende der Saison war ein gewisser Johnny Cecotto wieder dabei, der seit 2009 in der GP2 unterwegs ist. Wie viele Jahre würden Sie sich geben?"
Kirchhöfer: "Das ist eine Frage des Budgets, das man zur Verfügung hat. Das GP2-Auto ist ein super Auto und macht extrem viel Spaß. Das ist eines der schönsten Fahrzeuge, die ich bisher jemals gefahren bin. Aber man muss auch sehen, dass es ihn wahrscheinlich nicht weiterbringen wird, egal wie erfolgreich er noch sein mag. Zwei, drei Jahre sind okay, bei allem darüber hinaus wird es schwierig."