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  • 31.05.2010 13:47

Spieletest: SBK X - The X-Factor

Black Bean und Milestone ziehen das Tempo an. SBK X soll der bislang größte Sprung nach vorne in der Superbike-Reihe sein - ausführliches Review

(MST/Speedmaniacs.de) - Milestone und Black Bean sind seit langem ein erfolgreiches Team, wenn es um die Entwicklung von Rennspielen geht. Mit der wiederbelebten SBK-Reihe haben sich die Italiener vor allem bei Simulationsfreunden einen guten Ruf erarbeitet. Seit Jahren gelten die SBK-Games im Genre als der Maßstab für realistische Motorradrennen auf PC und Konsole. Für 2010 wollen sich die Macher aber nicht damit begnügen einfach nur ihren Simulationsjüngern das jährliche Futter an anspruchsvollem Superbike-Handling vorzusetzen. SBK X soll breiter werden als seine Vorgänger und so auch Arcade-orientierte Zocker für sich gewinnen. Damit das gelingt hat man das Spiel neuerdings in drei Teile geteilt und der Simulation einen vollwertigen Arcademodus zur Seite gestellt. Die dritte Säule im Bunde stellt der Mehrspielerbereich.

Titel-Bild zur News: SBK X

Für PC und Konsole zu haben: SBK X von Black Bean Games und Milestone

Zweiklassengesellschaft?

Der größte Unterschied zwischen Arcade- und Sim-Modus liegt natürlich im Fahrverhalten, doch darauf kommen wir noch zu sprechen, denn Milestone hat die Modi auch inhaltlich der jeweiligen Zielgruppe angepasst, womit wir uns zuerst beschäftigen möchten. Beide Bereiche verfügen über das übliche Standard-Repertoire, wie Schnelles Rennen, komplette Meisterschaft und Zeitrennen. Im Zentrum des Sim-Bereiches steht aber der Karriere-Modus, der ziemlich genau das ist was der Name vermuten lässt. Zu Beginn kann man aus einigen Vorlagen seinen persönlichen Alter Ego zusammenstellen und einen Vertrag in der untersten Rennklasse annehmen. An den Rennwochenenden selbst steht dann harte Arbeit an, denn je nach Witterungsbedingungen und gewählter Gegner-Intelligenz muss man im Zusammenspiel mit seinem Renningenieur die Reserven des Fahrwerks ausloten.#w1#

Neben dem offensichtlichen Ziel, eine gute Position in der Staraufstellung im Qualifiying zu ergattern, stehen ab und zu auch Tests für neue, verbesserte Bike-Komponenten an. Hierfür verlangt das Spiel zum Beispiel, dass ihr mehrere Runden eine bestimmte Durchschnittsgeschwindigkeit nicht unterschreitet, die Ideallinie haltet oder Ähnliches. Leider gibt es während der Tests sehr wenig Rückmeldung darüber, wie der Fortschritt ist, da der entsprechende Balken am unteren Bildschirmrand nur nach einer erfolgreichen Runde wächst. Die Runde an sich fährt man also erst einmal "blind". Nach den ersten Erfolgen erhöht das Team eure Zielvorgabe für die Saison entsprechend euren Leistungen und am Ende der Saison flattern, so ihr euch denn gut verkauft habt, Angebote von besseren Teams und aus den höheren Meisterschaften ins Haus. Bis zum SBK-Titel ist es aber gewiss ein langer Weg.

SBK X

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Genau diesen eher langwierigen Prozess hat man für die Arcade-Spieler entscheidend abgekürzt. Das Pendant zur Karriere heißt hier einfach Story-Modus. Anstatt die kompletten Rennwochenenden mit sämtlichen Trainingssitzungen absolvieren zu müssen, setzt euch das Spiel einfach mitten im Rennen und in einem vorbestimmten Szenario ab. Kein Training, keine Qualifikation, einfach rauf aus Bike und los. Eure Aufgabe ist es dann zum Beispiel in der letzten Runde noch mindestens drei Gegner zu überholen, einen Erzfeind mindestens 5 Sekunden hinter sich zu lassen oder mit einem angeschlagenen Bike die eigene Position zu verteidigen bis die schwarz-weiß-karierte Flagge fällt.

Eine zusammenhängende Story gibt es also nicht und man wechselt von Challenge zu Challenge fröhlich die Teams und Bikes, um maximale Abwechslung zu erreichen. So arbeitet man sich entlang einer typischen Arcade-Pyramide kreuz und quer durch rund 50 Rennen der drei Bike-Klassen. Damit bleibt der Story Modus, rein vom zeitlichen Umfang, natürlich deutlich hinter der vollen Karriere zurück, auch wenn die späteren Missionsziele nicht mehr so leicht zu knacken sind.

Pop-Up-Orgie

Ein kleines bis mittleres Minus muss SBK X aber für die Präsentation, sowohl im Story- als auch im Karrieremodus, kassieren. Während man für die Karriere immerhin ein animiertes 3D-Büro als Hintergrundbild eingebaut hat, besteht der Story-Modus eigentlich nur aus Menüs und ellenlangen Text-Pop-Ups - Sprachausgabe = Fehlanzeige. Zusätzlich nervt SBK, mal wieder muss man sagen, mit seiner andauernden Speicherei und vielen Ladezeiten. Anno 2010 sollte eigentlich auch Milestone in der Lage sein, den Autosave im Hintergrund ablaufen zu lassen, aber stattdessen muss man nach jedem Rennen gleich zwei nervige Speicherzugriffe verkraften, bei denen man taten- und willenlos auf den Bildschirm glotzt.

SBK X

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Ganz ähnlich verhält es sich mit den Ladezeiten. Die sind zwar an sich relativ kurz, dafür aber macht deren Häufigkeit sie umso nerviger. Wenn man zu einem neuer neuen Strecke aufbricht, folgt zunächst eine circa fünf Sekunden lange Ladezeit nach der man zur Bestätigung den X-Button drücken muss, worauf ein zehn Sekunden kurzer Videozusammenschnitt der jeweiligen Strecke folgt und erst danach werden die eigentlichen Spieldaten in weiteren rund 10 Sekunden in den Speicher geschaufelt. Dafür kommt SBK X aber immerhin ohne Installation auf der Festplatte aus.

Vollgepackt mit tollen Sachen

SBK X ist das größte Spiel der Reihe bis hierhin, denn neben dem neuen Arcade-Bereich finden sich nun erstmalig auch alle drei Superbike-Kategorien mitsamt der originalen Datensätze im Spiel. Während die unterste Stufe der Superstock-Meisterschaft nur bei den zehn Europa-Rennen gastiert, geht die zweite Liga Supersport mit der Superbike-Serie auf große Welttournee zu über 14 Stationen. Neu hinzugekommen ist in diesem Jahr die Grand Prix-Variante des Nürburgrings, was vor allem die hiesigen Fans freuen dürfte.

Die Vorschule

Die Qualität eines Rennspiel steht und fällt auch immer mit der Umsetzung der Fahrphysik und deswegen setzt SBK X de facto auch auf zwei völlig eigenständige Routinen für Arcade und Simulation. Die Arcade-Physik macht ihrem Namen alle Ehre und ermöglicht für Motorräder wahnwitzig später Bremspunkte, was besonders Spielern entgegenkommt die niemals zuvor ein Rennmotorrad über eine virtuelle Piste bewegt haben. Wer dagegen schon Erfahrungen mit früheren SBK-Teilen gesammelt hat, dem könnte genau das im Arcade-Modus zum Verhängnis werden, denn dann bremst man eigentlich von Natur aus viel zu früh und geht viel zu zaghaft mit dem Gashahn um, weil die Bikes hier Querstehen und Rutscher bis zu einem Grad erlauben der unter Sim-Bedingungen den sicheren Sturz bedeutet hätte.

Auch das Verstecken des Körpers hinter dem schmalen Windschutz auf der Geraden, das hier auf Knopfdruck erfolgt, ist erst einmal etwas gewöhnungsbedürftig. Dennoch bietet auch die Arcade-Physik reichlich Feedback über die jeweilige Fahrsituation, sodass sich das Fahren an sich natürlich nur eben viel einfacher an fühlt, denn durch Fahrfehler kann man im Arcade-Modus eigentlich gar nicht stürzen. Nur bei Kollisionen küsst der Biker schon einmal den Asphalt. Trotzdem kann der Ausflug ins Kiesbett auch ohne Sturz nervig werden, denn vom Gas sollte man schon. Weil es im herkömmlichen Sinne keine Traktionskontrolle gibt, dreht das Hinterrad nämlich fröhlich durch, wenn man auf dem Gas bleibt und tut dies auch dann noch, wenn man auf den Asphalt zurückkehrt, was viel Zeit kosten kann.

SBK X

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Das Herzstück

Milestone selbst behauptet, dass die Fahrphysik mit SBK X so gut geworden ist, wie schon seit SBK 2001 nicht mehr. Auf jeden Fall bietet auch der neueste Ableger in diesem Bereich wieder alles was dem Realisten gefällt, auch wenn man vielleicht zuerst suchen muss, denn die Entwickler haben das alte, überladene Optionsmenü über Bord geworfen und fassen die meisten Einstellungen nun in drei Vorgaben zusammen. Man kann bei der Sim-Fahrphysik also noch einmal aus den drei Stufen, Leicht, Mittel und Voll wählen. So können sich ungeübte Spieler tatsächlich sukzessive vom Arcade-Modus hocharbeiten.

Alte SBK-Profis greifen wahrscheinlich eher direkt zur mittleren oder vollen Simulation. Während die mittlere Einstellung noch ein gutes Polster für Fehler lässt, wird es unter kompletten Sim-Bedingungen schon ziemlich gnadenlos. Wenn Brems- und Einlenkpunkte nicht hundertprozentig passen, bekommt man schnell arge Probleme, die rund 200 PS im Zaum zu halten. Unabhängig von der gewählten Voreinstellung, lassen sich noch die automatische Schaltung, die Gewichtsverlagerung, die Verletzungsgefahr, der Reifenabrieb und die realen Regeln zu oder abschalten. Die Kontrolle über die Gewichtsverlagerung befindet sich übrigens ungewohnter Weise standardmäßig auf dem rechten Analog-Stick, was sich aber dank frei belegbarer Tasten im Handumdrehen korrigieren lässt.

Die Strecke lebt

Dafür, dass die potente Fahrphysik auch richtig zur Geltung kommt, sorgt unter anderem auch das Evolving Track-System, mit der Gummiabrieb während eines Rennens realistisch abgebildet wird. Jedes bisschen mehr Gummi auf der Strecke kann man unmittelbar als Grip spüren und in der Rundenzeit sehen. Mit steigender Simulationsstufe werden die Auswirkungen der Ideallinie und abgefahrener Reifen dann immer gravierender. Wer sich seine Reifen mit Ausritten durch die Prärie versaut, wird unter Umständen schwer zu kämpfen haben weiterhin die Ideallinie zu halten, denn selbst wenn man zum richtigen Zeitpunkt bremst und einlenkt, können, je nach Fahrlage, Vorder- oder Hinterrad blockieren, was schnelles und beherztes Gegensteuern erfordert.

SBK X

Evolving Track erweckt den Asphalt zum Leben Zoom

Solange die Reifen noch frisch sind, kann man dagegen in der leichten und mittleren Simulation sehr gut auch am Limit fahren ohne direkt aus dem Sattel geschmissen zu werden. Wenn man bei über 200 km/h und platschnasser Fahrbahn voll in die Eisen haut, segelt man nicht selten so quer auf die Schikanen zu wie der Australier Gary McCoy zu seinen besten MotoGP-Zeiten. Aber wie gesagt, man kann sehr genau spüren was geht und was die Grenzen sprengt. Sollte es dauerhaft regnen, bleibt natürlich auch die Strecke feucht. Hat es sich aber einmal ausgeregnet, trocknet die Ideallinie innerhalb weniger Runden rapide ab und eine Bestzeit jagt die nächste.

Schöne neue Welt

Auf technischer Seite hat Milestone viel Arbeit ins Detail gesteckt, sodass SBK X zwar nicht radikal anders aussieht als seine diversen Vorfahren, aber auch ohne den direkten Vergleich eindeutig attraktiver geworden ist. Verbesserungen, wie die nun endlich größtenteils in 3D dargestellten Bäume und animierten Zuschauer, fallen schon mit bloßem Auge auf. Die überarbeitete Beleuchtung bemerkt man dagegen erst richtig, wenn man die gleiche Strecke in verschiedenen Witterungsbedingungen gesehen hat. Für die richtige Stimmung sorgen außerdem opulente Spiegelungen auf dem nassen Asphalt und gegen die Mattscheibe klatschende Regentropfen.

Aber auch Rennen bei strahlendem Sonnenschein haben nun mehr Reize, denn dank runderneuerter Hintergründe offeriert SBK X nicht selten ein tolles Panorama über die jeweiligen Örtlichkeiten. Dass das Ganze nur in einer 720p-Auflösung dargestellt wird verzeiht man dem Spiel gerne, denn im Gegenzug flimmert SBK X erstens jederzeit superflüssig über den Schirm und kann darüber hinaus auch noch mit einem tollen Geschwindigkeitsgefühl aufwarten.

SBK X

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Maßgeblich zum lebendigeren Spielgefühl tragen aber auch die Animationen der Biker bei, die nach wie vor unerreicht sind. Die SBK-Profis rutschen auf ihren Bikes viel herum, strecken zum Beispiel beim Bremsen stilecht das Knie raus, flippen dabei mit dem Stiefel die Gänge durch und ziehen natürlich nachdrücklich am Bremshebel. Ein besonderer Augenschmaus ist das natürlich aus der Cockpitperspektive. Und wer sich einmal überwunden hat so einen Wheelie zu vollführen, wird den lieben langen Tag nichts anderes mehr machen wollen. Und wenn es dann doch einmal schief geht, sieht man dank der Schadenstexturen auf der Lederkombi wenigstens, was man angerichtet hat.

Raus in die große weite Welt

Den Online-Part hat Milestone ja, wie bereits erwähnt, als dritte Säule des Spiels ausgelagert. Dabei profitiert SBK X von der Umstellung auf ein Peer-to-Peer-Netzwerk und bringt so insgesamt 12 Spieler gleichzeitig in einem Online-Rennen unter, was immerhin vier mehr sind als noch bei SBK 09. Das Matchmaking geht überwiegend problemlos und zügig vonstatten und natürlich darf auch übers Headset gechattet oder bei Bedarf geflucht werden. Natürlich dürft ihr auch mit eurem selbst erstellten Charakter antreten und allen euer Hinterteil zeigen, denn auf dem Rücken der Lederkombi kann man einen Spitznamen oder einen kurzen Spruch eingeben.

Ebenfalls neu im Multiplayerbereich ist ein Rangsystem das den Fortschritt und die Erfahrung der einzelnen Spieler misst und einen Rang ausweist, der dann bei den Onlinerennen auch eingeblendet wird. Zu guter Letzt könnt ihr natürlich auch hier wieder einmal Trophäen und Achievements sammeln und SBK X schenkt euch sogar zu Spielbeginn eine davon, als Dankeschön für den Erwerb des Spiels. Ein Splitscreen-Modus gehört dagegen leider nicht zur Ausstattung.

Einfach zum Schreien

Verbesserungen hat Milestone auch noch einmal bei der Soundkulisse vorgenommen. Nahezu sämtliche Motorengeräusche wurden neu aufgenommen und klingen deshalb kerniger denn je. Ein besonderes Highlight ist hier sicherlich der Klang der BMW S 1000 RR. Aber egal auf welchem Bock ihr auch Platz nehmt, jedes Mal möchte man den Motor einfach nur ausdrehen. Während die komplette Motorpalette also überarbeitet wurde, klingt das Quietschen der Reifen im Grenzbereich inzwischen doch etwas überholt. Subjektiv hört sich das noch genauso an wie vor vier Jahren. Dagegen sorgt der rockige Soundtrack wieder für ordentlich Stimmung, auch wenn sich die wenigen Songs schnell wiederholen.

Dürfen es auch ein paar Käfer sein?

Leider hat sich SBK X während unserer ausgiebigen Testphase nicht ganz fehlerfrei präsentieren können. So wurde uns unter anderem eine heiße Runde im Qualifikationstraining geklaut, weil das Spiel direkt mit Ablauf der Zeit ins Menü zurücksprang ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass wir noch mitten auf der Strecke waren. Im Gegenzug wurden wir an anderer Stelle mit Extra-Zeit in einer Trainingssitzung bedacht in der auch ein Komponententest anstand.

Weil wir die Sitzung unterbrachen, wurde der Test-Fortschritt gespeichert, die bis zu diesem Zeitpunkt schon abgelaufene Trainingszeit jedoch nicht, sodass wir noch einmal die vollen 60 Minuten zum Vollenden des Testprogramms hatten. Außerdem ging, nach mehreren Stunden Spielzeit, irgendwo unsere modifizierte Controllerbelegung verloren und musste neu konfiguriert werden. Ärgerlich, zugegeben, aber zum Glück alles keine echten Spielspaß-Killer.

Fazit:

Die Entwickler haben Wort gehalten. SBK X ist die kompletteste Ausgabe der Superbike-Reihe bislang. Die überarbeitete Technik steht SBK X gut zu Gesicht und der Inhalt ist mit nunmehr grob dreimal so vielen Bikes und Fahrern plus einer zusätzlichen Strecke aller Ehren wert. Der Arcade-Modus ist eine willkommene Beigabe, aber auch nicht mehr. Man sollte sich nicht täuschen lassen, denn das Herz und die Seele dieses Games liegen nach wie vor in der Simulation und so ist SBK X wahrhaftig ein echter "Meilenstein".