powered by Motorsport.com
  • 07.06.2010 17:05

Spieletest: Split/Second - Action-Racing a la Hollywood

Disney Interactive und das Black Rock Studio präsentieren mit Split/Second: Velocity einen temporeichen Arcade-Racer - ausführlicher Testbericht

(MST/Speedmaniacs.de) - Mit ihrem Debütprojekt PURE hat Black Rock Studio aus dem englischen Brighton 2008 bewiesen, dass man etwas von actiongeladenen Arcade-Racern versteht. Und weil das so ist, schlägt auch das aktuelle Projekt, das kürzlich in den Handel gekommen ist und auf eineb eigenwilligen Namen hört, diese Richtung ein. Die matschigen Offroadpisten und kleinen ATVs aus PURE haben die Entwickler jedoch gegen überwiegend asphaltierte Kurse und ausgewachsene Automobile eingetauscht. Split/Second bedeutet ins Deutsche Übersetzt so viel wie Sekundenbruchteil und wie das zum Spielprinzip von Black Rocks neuem Racer zusammenpasst, erklärt unser Review.

Titel-Bild zur News: Slpit/Second

Kraftspiel auf vier Rädern: Autos bei der Verfolgungsjad in Split/Second

Mächtig großes Baddabum!

Schon das stilecht inszenierte Intro-Video zeigt, wo es in Split/Second langgeht. Split/Second ist ein reinrassiger Arcade Racer ohne lizenzierte Wagen oder ähnlichen Schnickschnack. Es geht ums Rasen, Driften und - das ist der Clou - Zerstören. Ihr sagt jetzt, kenn ich schon, heißt FlatOut oder Full Auto? Stimmt nicht ganz, denn so wie Split/Second habt ihr die Strecken noch nie in Schutt und Asche gelegt. Der erste große Unterschied liegt in der schieren Größe der hier dargestellten Zerstörungswut. Die reicht über kleinere Objekte, wie am Straßenrand parkende Autos oder Benzintanks, über komplette Häuserfronten, bis hin zu ganzen Hochhäusern, Türmen oder Brücken, die im Extremfall zum Einsturz gebracht werden können.#w1#

Und das alles auf euer Geheiß hin, denn der zweite große Unterschied zu ähnlichen Games ist, dass ihr die Landschaft nicht durch euren rabiaten Fahrstil oder mit wilder Waffengewalt klein bekommt, sondern dass die Strecken von vornherein so präpariert sind und zwar mit jeder Menge Trinitrotoluol oder kurz TNT.

Willkommen in der Show

Wie kommt es also dazu, dass eine Innenstadt, ein Hafendock oder ein ganzer Flughafen mit Sprengstoff vollgestopft werden? Ganz einfach, diese und neun weitere Locations sind Filmsets die eigens für eine abgefahrene Reality-TV-Show gebaut wurden und genau diese Show ist Split/Second. Was auf den ersten Blick nach einem innovativen Konzept klingt entpuppt sich in der Praxis als billiger Vorwand dafür die Strecken in die Luft jagen zu können, denn außer ein paar flott geschnittenen, aber äußerst sparsamen Trailer-Videos vor jeder neuen Folge tut Split/Second rein gar nichts dafür die Illusion aufrecht zu halten.

Split/Second

In Split/Second: Velocity löst der Spieler Explosionen und damit Veränderungen im Spiel aus Zoom

Der Einzelspielerbereich unterteilt sich in insgesamt 10 Folgen mit jeweils 8 einzelnen Events, wovon wiederum die letzten beiden Spezial-Events sind, die erst freigeschaltet werden müssen. Für Abwechslung in den einzelnen Folgen sorgen neben normalen Rennen, Eliminator- und Zeitrennen, bei denen sämtliche Sprengsätze der Strecke hochgehen, auch noch zwei weitere, besondere Renntypen. Im Ersten müsst ihr es mit einem Hubschrauber aufnehmen und dessen Raketen ausweicht. Später besteht sogar die Möglichkeit zum Gegenangriff überzugehen. Im Zweiten gilt es möglichst lange auf einer Endlosschleife durchzuhalten und dabei immer wieder Trucks zu überholen, die explodierende Fässer von der Ladefläche fallen lassen. Alles in allem also eine sehr explosive Mischung an Spielmodi.

Wenn die Erde bebt

Im Rennen selbst muss man sich das Privileg, einen Sprengsatz zu zünden, erst mit seiner Fahrweise verdienen. Punkte gibt es fürs saubere Driften, lange Flugphasen und das so genannte Draften, also das Windschattenfahren. Mit diesen Punkten füllt man dann seine Powerplay-Leiste auf die in drei Stufen gegliedert ist. Mit den beiden ersten Stufen kann man nur kleinere und mittlere Ladungen auslösen oder auch mal hier und da eine interaktive Abkürzung aktivieren. Richtig rund geht es, sobald die rote, dritte Stufe aktiv ist.

Dann können an zwei bis drei bestimmten Stellen pro Level richtig große Aktionen ausgelöst werden, wie etwa ein Schiff das die Kaimauer rammt und dabei in Flammen aufgeht, eine Autobahnbrücke, die zusammenbricht, sodass die Autos auf die darunter verlaufende Fahrbahn stürzen wie Kugeln in einem Flipper oder dass ganze Kühltürme von Kraftwerken in sich zusammenstürzen und alles unter sich begraben. Diese großen Powerplays ziehen in der Regel auch eine Veränderung der Streckenführung nach sich, weil dabei aber auch fast immer eine andere Route verschüttet wird, bleiben die Kurse relativ linear.

Split/Second

Durch Driften lässt sich die Boost-Leiste schnell auffüllen Zoom

Streng nach Drehbuch

Der Schlüssel, um sich schnell bewegende Fahrzeuge mit fest platzierten Bomben abzuschießen, ist natürlich das richtige Timing und Ortskenntnis. Beides sollte spätestens ab Mitte der Staffel kein Problem mehr sein, weil man bis dahin fast alle Strecken des Spiels zur Genüge gefahren ist. Negativer Nebeneffekt der gewonnen Routine ist aber auch, dass die zweite Spielhälfte dadurch etwas an Aufregung verliert, denn wenn man vorher schon weiß was passiert, ist jeder Film nur noch halb so spannend.

Dass Split/Second den ganz großen Adrenalinschub auf dem Weg zum Finale einbüßt ist aber auch ein hausgemachtes Problem, weil sämtliche Powerplays im Endeffekt nichts anderes als simple Skripts sind, die auf Knopfdruck ausgelöst werden. Will heißen, wenn der riesige Kontrollturm des Flughafens zu Grunde geht, dann tut er das immer auf die exakt gleiche Art und Weise, sodass dieser Vorgang einen nach dem zwanzigsten Mal nur noch wenig beeindruckt. Man weiß genau, wo Gesteinsbrocken als Hindernisse auf der Fahrbahn landen und wo die neue Streckenführung verläuft.

Split/Second: Velocity

In Split/Second: Velocity geht es allemal explosiv und actionreich zu Zoom

Das wiederum ist natürlich auch eine Grundsatzfrage des Designs, denn wenn das nicht so wäre und alle Objekte wirklich volldynamisch und allein von der Physik-Engine gesteuert durch die Gegend fliegen würden, wäre Split/Second - mal ganz abgesehen von dem dafür benötigen Rechenaufwand - wohl höllisch schwer geworden. Aber auch so verkommt das Spielen manchmal zur Glückssache.

Immer im Blick

Aber Black Rock geht nicht nur beim Konzept von Split/Second neue Wege, sondern zeigt auch interessante neue Detaillösungen. Beispielshaft dafür steht das Head-Up-Display, ein Instrument das seit Jahrzehnten fester Bestandteil nahezu jedes Videospiels ist. Und obwohl das so ist, ist erst Black Rock auf die Idee gekommen die Anzeigen, die irgendwie traditionell rund um den Außenrand des Bildschirms platziert sind, in die Mitte, also direkt ins zentrale Blickfeld des Spielers, zu verlagern. So werden direkt hinter eurer Stoßstange nur die drei wichtigsten Informationen angezeigt, nämlich eure aktuelle Position, in welcher Runde ihr euch befindet und welchen Powerplay-Status ihr zur Verfügung habt.

Andere, nebensächliche Infos werden nur dann eingeblendet, wenn sie auch gebraucht werden, wie zum Beispiel Zeitanzeigen, die euch über Vorsprung oder Rückstand auf die gegnerischen Fahrer informieren. Soweit die graue Theorie. In der Praxis jedoch entpuppt sich das neue Layout allenfalls als Hingucker, denn durch die Powerplays hat man seinen Blick eigentlich ständig sehr weit nach vorne gerichtet und muss seinen Blickwinkel doch wieder anpassen, wenn man die Informationen des HUD abrufen will. Trotzdem bleibt es natürlich ein interessanter Ansatz.

Schwerstarbeit

Als interessant kann man - diplomatisch formuliert - auch das Fahrverhalten von Split/Second beschreiben. Um ehrlich zu sein war ich arg schockiert, nachdem ich vor einigen Wochen die Demo aus dem PSN und nun die ersten Runden mit der Vollversion gefahren bin, denn die Karren von Split/Second fühlen sich mehrheitlich an wie tonnenschwere und schwerfällige Sattelzüge oder Omnibusse. Erst mit fortschreitendem Spielverlauf schaltet man den einen oder anderen Wagen frei der etwas leichter ums Eck geht. Insgesamt wirkt das Handling aber relativ träge, was für einen Arcade-Racer schon ziemlich ungewöhnlich ist.

Split Second

Fahrzeuge und Strecken sind hübsch anzuschauen Zoom

Doch woran liegt das? Der Hauptgrund liegt definitiv in der Lenkung. Selbst flachste Sportflundern im Stile von LMP-Fahrzeugen haben grundsätzlich eine ausgeprägte Tendenz zum Untersteuern. Will heißen, fahre ich zu schnell in eine Kurve hinein, schiebt das Auto brachial über die Vorderräder, rutscht also mehr oder weniger geradeaus Richtung Leitplanke. Wobei das Attribut "zu schnell" für ein Arcade-Rennspiel generell nicht gelten sollte und auch bei Split/Second ist das Bremspedal eigentlich nur Dekoration. Grundsätzlich könnte man die meistens breiten und weit gezogenen Runden schon komplett unter Volllast fahren, wenn da nicht das besagte Untersteuern wäre.

So muss man schon ein bisschen Tricksen, um das Heck zum Schwenken zu bewegen. Hartes und kurzes Hämmern auf die Bremse, um nur wenig Geschwindigkeit zu verlieren, aber das Fahrzeuggewicht so gut wie möglich auf die Vorderachse zu verlagern und damit das Heck zu entlasten, dann rauf aufs Gas. Das alles am besten schon vor dem Scheitelpunkt, um schon vor dem eigentlichen Einlenkpunkt quer in die Kurve hinein zu segeln. Das zu beherrschen erfordert viel Übung, auch weil die Federung von Split/Second quasi gar nicht existiert beziehungsweise nicht spürbar ist. Die Autos liegen einfach immer platt wie ein Brett auf der Straße. Das Beste, was man über das Handling sagen kann, ist, dass es eine Herausforderung darstellt.

Nach dem Urknall

Wer keine Lust mehr auf die Staffel, also den Einzelspielermodus hat der kann Split/Second natürlich auch mit menschlichen Gegenspielern zocken. Das funktioniert dann allerdings nur über die DSL-Leitung, denn einen Splitcreenmodus für zwei oder mehr Spieler an einer Konsole hat der Titel leider nicht im Gepäck. Online können dafür bis zu acht Kontrahenten gleichzeitig im wahrsten Sinne des Wortes die Fetzen fliegen lassen. Mit Ranglisten und einfachen Online-Rennen, in den aus dem Einzelspielerbereich bekannten Modi, verfügt Split/Second allerdings nur über die Online-Grundausstattung. Online-Meisterschaften oder ein Rangsystem sucht man vergebens. Um trotzdem euren Status hervorzuheben, klebt das Spiel von sich aus sämtliche errungenen Trophäen- und Achievement-Symbole auf euren Boliden.

Schönheit liegt im Auge des Betrachters

Auf den ersten Blick fährt Split/Second in Sachen Grafik ziemlich große Geschütze auf, denn wenn das perfekt durch animierte Schauspiel von explodierenden Tanklastzügen, sich verwindenden Stahlträgern und in sich zusammenfallenden Betonklötzen Fahrt aufnimmt, bleibt sicher kein Auge trocken. Der Detailgrad der Umgebungen ist wirklich bemerkenswert und Spezialeffekte, wie Spiegelungen und unzählige Blend- und Rauchschwaden tauchen die Szenerie in eine tolle Atmosphäre. Während die großen Powerplays allesamt voranimiert sind und demzufolge immer gleich ablaufen, setzt das Spiel für kleinere Streckenrandobjekte auch auf die bewährte Havok Physik-Engine.

Und trotzdem, obwohl Split/Second viel mehr Details in eine Szene quetscht als beispielsweise der Genrekönig a.D. Burnout Paradise, macht das das aktuelle Black Rock-Spiel nicht automatisch um ein Vielfaches schöner als so manch betagten Titel. Das mag vielleicht auch an der Bildwiederhohlrate liegen, denn um so viele Details zu erreichen geben sich die Entwickler mit 30 Bildern pro Sekunde zufrieden. Theoretisch ist das natürlich immer noch mehr als genug und auch praktisch kennt Split/Second keine Ruckler, aber für Arcade-Racer Jahrgang 2010 bleibt das Geschwindigkeitsgefühl irgendwo zwischen dem vierten und fünften Gang stecken. Erst ab der Mitte des Karrieremodus bekommt man Wagen die einen zufriedenstellenden Geschwindigkeitsrausch besorgen.

Und die Detailschlacht fordert noch ein weiteres Opfer, denn auch die Bildqualität lässt Federn und ist mit ihrem häufigen Kantenflimmern, mangelnder Filterung und auch sporadisch auftretenden Pop-Ups in einiger Entfernung insgesamt nicht mehr als mittelprächtig.

Wie im Kino

Zu guter Letzt wollen wir noch einmal auf die Sache mit der Reality-TV-Show zurückkommen, denn das Thema drängt sich natürlich auch für die Ausgestaltung der Soundkulisse auf. Das hat Black Rock auch dementsprechend genutzt und einen eigenen orchestralen Soundtrack komponiert, der das Geschehen passend und dynamisch, wenngleich etwas dezent, unterstützt. Gut machen sich auch die reichhaltigen Spezialeffekte, die natürlich enorm von einer Surround-Anlage profitieren. Die Motorensounds sind allesamt satt und böse bis manchmal sogar brachial, Explosionen senden zischende Schockwellen aus und fieses Pfeifen oder gellendes Kreischen kündigen zusammenbrechenden Beton und nachgebendes Metall frühzeitig an.

Fazit:

Zweifelsohne, Split/Second hat seine Reize und geizt auch nicht damit diese stolz dem Spieler unter die Nase zu reiben. Ganz im Gegenteil, der Disney-Renner schmeißt im wahrsten Sinne des Wortes geradezu damit um sich. Die fetten Explosionen und fatalen Kettenreaktionen nehmen nicht selten den gesamten Bildschirm in Beschlag und sind ohne Wenn und Aber das Highlight. Aber genau damit sind wir auch schon auf das Kernproblem von Split/Second gestoßen, denn das restliche Spiel hinter den bombastischen Hollywood-Spezialeffekten ist eher guter Durchschnitt.

Umfang und Abwechslung entsprechen für Einzelspieler dem Genre-Standard und der Mehrspieler-/Onlinebereich muss sich sogar hinter dem aktueller Konkurrenten einordnen. Somit kommt neben dem gewöhnungsbedürftigen, trägen Fahrverhalten vor allem die geringe Langzeitmotivation ganz oben ins Lastenheft. Split/Second ist immer gut für ein paar unterhaltsame Stunden und wird in diesen wahrscheinlich nicht wenigen seiner Zocker die Kinnlade auf die Knie fallen lassen, doch was sich im Vorfeld nach einem revolutionären Konzept anhörte, spielt sich unterm Strich nicht so. Split/Second ist heftig, gut und kurz.