• 07.10.2009 12:00

"In der Realität gibt es mehr Verstellmöglichkeiten"

Thomas Schiemann, Technischer Leiter des FIA WTCC Teams Wiechers Sport, im Interview über die Arbeit eines Rennteams an einem Rennwochenende

(Motorsport-Total.com) - Schiemann: In der Realität gibt es mehr Verstellmöglichkeiten

Titel-Bild zur News: Thomas Schiemann; Technischer Direktor Wiechers-Sport

Thomas Schiemann, Technischer Leiter des FIA WTCC Teams Wiechers Sport, im Interview über die Arbeit eines Rennteams an einem Rennwochenende

Frage: "Herr Schiemann, hinter den Kameras der Fernsehübertragungen füllen Sie eine der wichtigsten Positionen aus, die ein Racing-Team zu bieten hat. Ärgert es Sie persönlich, wenn nach einem erfolgreichen Rennen diverse Medien beim Fahrer Schlange stehen, während Sie kaum Beachtung finden?"
Thomas Schiemann: "Ach, das würde ich so nicht sagen, auch ich gebe nach dem Rennen das eine oder andere Interview. Natürlich gibt der Fahrer das eine oder andere Interview mehr, aber das ist schon in Ordnung. Motorsport ist Teamsport und so arbeiten wir alle in unseren Bereichen."

Frage: "Wann und wie fängt für Sie ein Rennwochenende an?"
Schiemann: "Die Vorbereitung für jedes Rennen beginnt bereits bei uns im Hause. Meine Divise ist ganz klar, jedes unserer Rennautos muss den Hof 'rennfertig' verlassen. Andere Teams reparieren ihre Fahrzeuge teileweise noch an der Rennstrecke, das hat es bis jetzt bei uns nicht geben. An der Rennstrecke geht es höchstens noch um kleine Setup-Veränderungen. Ansonsten konzentrieren wir uns vor Ort um das Wesentliche."#w1#

Frage: "Wer schon mal während eines offiziellen Trainings in einer virtuellen Boxengasse war hört solche 'Phrasen' wie 'Drehmomentverteilung nach hinten', 'Zugstufe erhöht' oder vielleicht 'wieder ein loses Set erwischt' - kommen Ihnen solche Aussagen bekannt vor?"
Schiemann: "Ja zum Teil kommen mir diese bekannt vor. Im realen Motorsport gibt es natürlich weitaus mehr Verstellmöglichkeiten als bei einem Spiel."

Frage: "Diverse Strecken wiederholen sich im Laufe eines Rennkalenders, 'schrauben' Sie aber jedes Mal komplett neue Setups oder übernehmen Sie auch schon mal Erfahrungswerte aus dem Vorjahr?"
Schiemann: "Die Erfahrungswerte aus dem Vorjahr dienen zweifelsohne immer als Basis, jedoch muss man immer verschiedene Faktoren beachten. Oft ändert sich das Streckenlayout durch kleine Umbauarbeiten, durch eine neue Asphaltschicht ändert sich der Grip. Das muss man natürlich alles beachten."

"Wenn wir auf einer neuen Rennstrecke unterwegs sind, nutzen wir als Basis erst mal ein Setup aus vergangen Rennen, das ungefähr dem Layout der Strecke entspricht. Dort wird zu Grunde gelegt die Höhe der Kerbs, Neigung der Kurven, Radien. In erste Linie wird aber erst mal die Übersetzung ausgefahren, die man ja meist vorher auch noch nicht weiß."

Frage: "Mal ehrlich, wann ist das Setup für das Rennen spätestens fix und sie basteln nur noch an der Taktik, nach dem ersten, zweiten Training?"
Schiemann: "Sicher, dasIideale ist, wenn der Fahrer nach dem ersten Training total zufrieden ist und er seine guten Leistungen auch im zweiten Training bestätigen kann, manchmal spielt einem aber auch das Wetter nicht in die Karten. So kann es sein, dass man in den ersten beiden Trainingssitzungen Regen hat und zum Qualifying wieder eine trockene Bahn. Da muss man natürlich alles auf den Kopf stellen und die Erfahrung spielen lassen."

"Stefano ist auch ein sehr guter Fahrer, der das ein oder andere mal auch mit einem nicht 100%igen Setting das Beste aus dem Auto rausholt. Zumal, aus meiner eigenen Rennerfahrung kann ich mich mit den Fahrern gut auseinandersetzen und mich in sie hineinversetzen. So habe ich vielleicht ein leichteres Spiel und ein Vorteil gegenüber anderen Renningenieuren, zumal ich dieses Fahrzeug zwischendurch selbst hin und wieder bewege, kann man so den ein oder anderen Fehler im Voraus ausmerzen."

"Wenn man aus allen Sektoren einen guten Kompromiss gefunden hat, selbst wenn man dabei in dem einen oder anderen Sektor Zeit verliert und in den anderen Sektoren wieder Zeit gewinnt. Dabei ist unsere Datenaufzeichnung von 2D Datarecording ein hilfreiches Werkzeug."

Frage: "Auf was schauen Sie während der einzelnen Sessions genau?"
Schiemann: "Wichtig ist, dass ein Fahrer Änderungen am Fahrzeug oder neue Reifen optimal und umgehend umsetzt, mit optimal meine ich, dass der Fahrer sich während einer Runde in allen Sektoren verbessert. Wichtig ist auch, dass ein Fahrer die guten Zeiten konstant bestätigt. Zum anderen möchte ich auch sehen, wie der Reifen über die Distanz arbeitet, die Reifentemperatur und Reifenluftdruck in einem optimalen Fenster liegen."

Frage: "Beobachten Sie auch schon mal die anderen Teams und ziehen kurzfristig Schlüsse aus dem Handeln?"
Schiemann: "Sicher, ein Auge auf die Konkurrenz zuwerfen ist niemals verkehrt. Gerade im Qualifying ist es halt wichtig, den einen oder anderen Windschatten zu bekommen, und so schaut man schon, ob der Vordermann auch mit neuen Reifen rausgefahren ist."

Frage: "Wann ist während eines Rennwochenendes Ihr Puls am höchsten und warum?"
Schiemann: "Die ersten ein bis drei Runden jedes Rennes sind eigentlich immer am aufregendsten, da passiert in der Regel am meisten. Oft entscheiden die ersten beiden Kurven über den Rennverlauf, wenn man sich da aus allen 'Kämpfen' heraushalten kann, ist das schon die halbe Miete."

Frage: "Über welches Ereignis haben Sie sich als Technischer Leiter für Wiechers Motorsport bisher am meisten gefreut beziehungsweise. was hat Sie am meisten emotional bewegt?"
Schiemann: "Unsere beiden Titel in der Independent Trophy der FIA WTCC aus 2005 mit Marc Hennerici und 2007 mit Stefano D'Aste waren schon sehr schön. Zudem habe ich mich natürlich sehr über unsere ersten WM Punkte mit Olivier Tielemans und Matthew Marsh im letzten Jahr gefreut.Zu dem freue ich mich sehr darüber, dass wir seit dem Rennen in Valencia mit Stefano den Speed der Werksfahrer mitgehen können und nun Regelmäßig in den Top10 zu finden sind."

Frage: "Zum Schluss noch ein Frage: Momentan ist Stefano d'Aste Vierter mit nur einem Punkt Rückstand auf Platz drei, auf welcher Position wird er am 22 November sein?"
Schiemann: "Ich hoffe ganz stark auf einen viel besseren Platz als aktuell, denn wir wurden Anfang der Saison eindeutig unter Wert geschlagen, hatten viel Pech mit Unfällen und Durchfahrtsstrafen etc."

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