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  • 03.11.2008 17:23

Spieletest: MotoGP 08 - Nach der Saison ist vor der Saison

In der Realität ist die MotoGP WM 2008 entschieden, nicht aber für Capcom und Milestone, denn die haben gerade jetzt das offizielle Spiel zur Saison veröffentlicht

(MST/Speedmaniacs.de) - Es ist schon irgendwie kurios, was da zurzeit bei den Motorradrennspielen und rund um den kleinen italienischen Entwickler Milestone vor sich geht. Erst in 2006 entschloss sich das Studio, das seinerzeit durch die EA Sports Superbike-Reihe Ruhm und Anerkennung erntete, nach längerer Abstinenz mit diversen Autorennspiel-Experimenten zurück zur ihren Wurzeln zu kehren. Während das 2006 erschienene Super-Bikes Riding Challenge noch viele der hauseigenen Rollenspielideen verwendete und ohne irgendeine Rennserienlizenz auskommen musste, folgte ein Jahr später, im Sommer 2007, das lang erwartete Comeback in der Superbike WM. Noch im gleichen Jahr erhielt man vom japanischen Publisher Capcom den Auftrag auch noch ein Motorradrennspiel auf Basis der anderen großen Motorrad WM, der MotoGP, zu entwickeln.#w1#

Titel-Bild zur News: MotoGP 08

Auf PC und Konsole beginnt die MotoGP 08-Saison jetzt

Während dieser Kontrakt 2007 nur die Produktion einer PS2-Version betraf, übernimmt Milestone nun, da THQ und Climax ihre eigene MotoGP-Spielereihe auf Eis gelegt haben, in diesem Jahr alle nennenswerten Plattformen, die da wären: PC, Xbox 360, PlayStation 3, PS2 und Wii. Klingt nach jeder Menge Arbeit und dieser Klang wird noch viel lauter, wenn man bedenkt, dass Milestone auch dieses Jahr wieder zusammen mit dem langjährigen Partner Black Bean ein aktuelles SBK Game veröffentlicht hat und das auch für ganze sechs Plattformen. Doch nicht genug damit, dass sich Milestone auf diese Weise quasi selbst Konkurrenz macht, zu allem Überfluss sind die beiden Spiele aus der italienischen Traditionsschmiede auch noch die beiden einzigen ernsthaften Motorradrennspiele die dieses Jahr in unseren Breiten das Licht der Shops erblickt haben.

Stellt sich nur die Frage, warum die MotoGP-Fans bis zum späten Oktober auf ihr Spiel warten mussten, als die Entscheidung in der WM gerade zu Gunsten Valentino Rossis gefallen ist, wohingegen die SBK-08-Versionen fast alle bereits Mitte des Jahres bei den Händlern standen. Ist das etwa ein Indiz dafür, wie die Sympathien bei Milestone verteilt sind? Zumindest erscheint das Veröffentlichungsdatum von MotoGP 08 genau vor dem alles entscheidendem Rennwochenende der MotoGP WM unglücklich. Wir haben uns angeschaut, ob der Titel trotzdem sein Geld wert ist und welcher der beiden Milestone-Renner dieses Jahr die Nase vorn hat.

Alle an Bord

Mit ins Rennen um die Motorrad-Rennspielkrone schickt Capcom bei MotoGP 08 das MotoGP-Rund-um-Sorglos-Paket mit allen offiziellen Fahrern, Teams und Strecken der 2008er-Saison, welche dieses Jahr nicht nur die prestigeträchtige MotoGP-Königsklasse sondern auch die beiden Nachwuchs-Klassen 125ccm und 250ccm beinhaltet. Demzufolge könnt ihr hier nicht nur in die Lederkombis der arrivierten Stars, wie Valentine Rossi, Nicky Hayden oder Dani Pedrosa schlüpfen, sondern auch den möglichen zukünftigen MotoGP-Stars, zum Beispiel Hector Barbera, Gabor Talmasci, die deutschen Talente Stefan Bradl und Robin Lasser, sowie dem aktuellen Shootingstar Scott Redding. um nur einige wenige zu nennen, über die Schulter schauen.

MotoGP 08

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Ähnlich abwechslungsreich stellt sich die Streckenauswahl dar. Mit nicht weniger als 18 rund um den Globus verstreuten Kursen gibt es auch auf lange Sicht genügend Spielraum. Darunter finden sich international bekannte Circuits wie Indianapolis, Laguna Seca, Le Mans, Donnington oder Sepang. Aber auch einige weniger bekannte, kleinere Kurse, wie das niederländische Assen, das tschechische Brno oder das italienische Misano haben ihren festen Platz im Rennkalender. Ebenfalls nicht zu vergessen ist das einzige Nachtrennen der gesamten MotoGP beim Saisonauftakt in Qatar. Alles in allem eine breite Mischung, die zumindest in Sachen Umfang den nur zwölf Strecken von SBK-08 überlegen ist.

Für den kleinen Spaß zwischendurch

So viel zum MotoGP-Lizenz-Cocktail, aber was haben die Entwickler aus diesem Stoff gemacht? Neben den Standard-Spielmodi des Schnellen Spiels und einer kompletten Meisterschaftssaison gibt es auch einen Karrieremodus, in dem man sich zunächst in den kleineren Rennklassen beweisen und WM-Punkte sammeln muss, bevor bessere Teams aus den höheren Klassen verfügbar werden. Zusätzlich werden Erfolge noch durch zwei weitere Boni vergütet. Zum einen werden mit der Zeit immer mehr und immer ausgefallenere Helm-Designs für euer Alter Ego frei geschaltet und zum anderen gibt es auch noch Erfahrungspunkte.

MotoGP 08

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Damit bewegt sich Milestone mal wieder, wir erinnern uns an Spiele, wie S.C.A.R., Evolution GT oder Super-Bikes Riding Challenge, im hybriden Milieu eines Renn- und Rollenspiel-Crossovers. Allerdings muss man gleich einschränkend sagen, dass das Ganze hier, zu Gunsten der Einsteigerfreundlichkeit, äußerst simpel und minimalistisch gehalten ist. Wer also einen Grand Prix gewinnt erhält nicht nur Punkte für die WM, sondern eben auch ein oder zwei XP-Pünktchen. Diese kann man dann in die vier Kategorien Geschwindigkeit, Beschleunigung, Bremsen und Traktion investieren und so Fahrverhalten und Leistung seines Bikes beziehungsweise seines Charakters verbessern. Anders als in klassischen Rollenspielen sind die Kategorien aber nach obenhin gedeckelt, sodass nach 10 Aufwertungen Schluss ist.

Um etwas mehr Schwung und Motivation in die Karriere zu bringen, taugen die zehn Stufen des Systems aber allemal, schließlich gibt es immer etwas zu optimieren. Irgendwann aber wird auch diese Kapitel erschöpft sein und für diesen Tag hält Milestone den bekannten Herausforderungsmodus bereit, der mit circa 50 zusätzlichen Fahraufgaben weiteren Spielwert garantiert. Und wem das alles immer noch nicht reicht, der kann ja immer noch online gegen andere Spieler antreten. Bis zu 12 Kontrahenten können auf einem Server gegeneinander antreten, entweder in einem Schnellen Spiel oder mit benutzerdefinierten Vorgaben. Einen Splitscreen-Mehrspielermodus an einer Konsole gibt es hingegen leider nicht.

MotoGP 08

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Die goldene Mitte

Wenn es ums Fahrverhalten geht, gibt es in der Regel zwei Lager. Auf der einen Seite die beinharten Simulationsfreaks, denen es gar nicht hart und unerbittlich genug sein kann und auf der anderen die Arcade-Gamer, die auf jeglichen Realismus pfeifen und einfach nur Spaß dabei haben wollen auf dem virtuellen Asphalt ein paar Runden zu drehen. MotoGP 08 versucht beiden Gruppen etwas zu bieten und geht daher mit einem Kompromiss aus Realismus und Spielbarkeit an den Start. Wobei Kompromiss eigentlich viel zu negativ klingt, denn tatsächlich hat Milestone in diesem Spiel einen sehr guten Mittelweg gefunden. Grundstein dafür ist die ausgereifte Handlingphysik, die Milestones Motorradrennspiele seit Jahren auszeichnet und dies zuletzt beim diesjährigen SBK-08 erfolgreich unter Beweis stellte.

MotoGP 08

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Während das Fahrmodell in SBK-08 jedoch durch ein gutes Dutzend Fahrhilfen, Regeln und Schwierigkeitsgrade nahezu komplett individuell skalierbar war, macht es Milestone in MotoGP 08 deutlich einfacher, indem es vom Start weg drei Grundausrichtungen bereitstellt. Während die einfachste Einstellung "Arcade" noch viele Sorgen von euren Schultern nimmt, indem es zum Beispiel teilweise automatisch bremst, verlangt die mittlere Option "Erweitert" schon nach vernünftigen Brems- und Einlenkpunkten, sowie einer etwas gefühlvollerer Dosierung des Gashahns. Wer sich an die höchste Einstellung "Simulation" wagt, der sollte nicht nur entsprechende Streckenkenntnisse mitbringen, sondern auch entsprechend feinfühlig mit Gas und Bremse umgehen.

Gleichzeitiges Bremsen und Lenken kann zum Beispiel sehr schnell zum Rutschen oder Stürzen über das Vorderrad führen. Auf jeden Fall ist es aber Gift für jede Rundenzeit. Um wirklich schnell unterwegs zu sein und alle Leistungsreserven der Bikes ausschöpfen zu können, muss man im Simulationsmodus auch entsprechend mit dem Bike arbeiten. Soll heißen, ohne Gewichtsverlagerung geht fast nichts. In die Kurven legt sich euer Held auf zwei Rädern zwar von allein, beim Bremsen und Beschleunigen ist es aber unabdingbar sich nach hinten beziehungsweise nach vorn zu verlagern, um nicht den Bodenkontakt zu verlieren.

MotoGP 08

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Racen leicht gemacht

Wen das jetzt alles überfordert, der braucht sich trotzdem nicht vor MotoGP 08 nicht zu verstecken, denn beim Erststart führt das Spiel zunächst durch einen kurzen Probelauf und analysiert dabei die Fähigkeiten des Spielers. Anhand eurer dargebotenen Fahrkünste gibt das Spiel nicht nur während des kurzen Rennes, wenn auch leider nur in Textform, kleine Hinweise zur Verbesserung des Fahrstils, sondern schlägt am Ende auch einen der drei Handlingmodi vor. Darüber hinaus kann man natürlich auch die Stärke der Gegner anpassen und zwar in vier Stufen: von leicht und locker zu beherrschen, bis hin zu beinharten Kopf-an-Kopf-Rennen.

Wer sich darüber hinaus einen Vorteil verschaffen möchte sucht vielleicht das Setup-Menü auf und wird dabei wohl doch etwas in die Röhre gucken. Denn ein ernsthaftes Motorrad-Setup gibt es hier nicht zu sehen. Gerade einmal fünf Optionen zur Fahrwerkseinstellung beziehungsweise Reifenwahl gestattet das Spiel euch, sodass das Setup weniger zur Verbesserung des Rennspeeds als vielmehr dazu taugt den persönlichen Wohlfühlfaktor mit dem Fahrverhalten zu erhöhen. Auch hier wird eindeutig, dass MotoGP 08 seine Besitzer keinesfalls überfordern und mit unnötigen Menüs zuschütten will.

Einmal Face-Lifting bitte

MotoGP 08 ist nach dem diesjährigen SBK-08 bereits das zweite Spiel welches Milestone auf die Next-Gen-Plattformen hievt. Gehobene Ansprüche an die Technik sollten die Besitzer aber trotzdem nicht an ihr Game stellen, denn nachdem SBK ja erst im Juni auf der Xbox 360 respektive im September auf die PS3 kam, ließ der straffe Zeitplan keinen Raum für echte Verbesserungen. Nach wie vor hat Milestones Engine eine starke und eine schwache Seite. Die Stärke betrifft alles rund ums Bike. Die Motorräder sehen, genau wie ihre Piloten, richtig schick aus und lassen kein Detail vermissen. Die Lederkombis glänzen dank Oberflächen-Effekten schön und spektakulär daher und die Animationen der Fahrer wirken sehr natürlich.

MotoGP 08

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Nach wie vor ist die Cockpit-Perspektive mit den dynamischen Kamerabewegungen und animierten Fahrerhänden ebenso eine Augenweide wie die nasse Fahrbahn und die Tropfeneffekte bei regnerischen Bedingungen. Dass es keinen dynamischen Wetterwechsel gibt kann man beim MotoGP-Reglement, das ohnehin keine Boxenstopps, wie etwa in der Formel 1 ermöglicht, nachsehen. Die große Schwäche des Grafikmotors stellt aber die Landschaftsdarstellung dar. Die Strecken erreichen bestenfalls steriles Fotoniveau. Meistens stören aber schwache, unharmonische Hintergründe, Pappbäume und generell wenig Streckenrandobjekte das Bild.

An eine "lebendige" Rennstrecke mit etwa animierten Streckenposten und Zuschauermengen auf den Tribünen oder auffälligen HDR-Effekten ist dabei gar nicht erst zu denken. Die Strecken ziehen nur sehr selten die Blicke auf sich und selbst Eye-Catcher, wie die filigrane Palmen-Architektur der pompösen Haupttribüne im malaysischen Sepang verblasst dank schwacher Texturen und spartanischer Minimal-Geometrie, sowie endlosen Papp-Menschen-Mengen ohne jegliches Lebenszeichen. Da gilt es auf jeden Fall in der nächsten Saison nachzubessern. Aber das scheint auch Milestone bemerkt zu haben und so kann man im "Schwenkmodus", der jederzeit über das Pausen-Menü erreichbar ist, lediglich um die Bikes herumscrollen, zoomen und sich an deren Detailgrad ergötzen.

Auffällig, unauffällig

Auch der Sound zeigt überraschenderweise zwei Gesichter. Auf der einen Seite knattern und hämmern die verschiedenen Maschinen der unterschiedlichen Hubraumkategorien was das Zeug hält. Insbesondere wer sich beim Fahren für eine Perspektive entscheidet die relativ nah am Auspuff platziert ist, läuft Gefahr, süchtig danach zu werden. Weitere Soundeffekte, wie zum Beispiel Windgeräusche, die man an dieser Stelle wohl erwarten könnte, fallen dagegen nicht auf.

MotoGP 08

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Und dann sind da noch die Menüs, welche ebenfalls durch gähnende Stille langweilen. Außer einem sich ständig wiederhohlenden Jingle gibt es hier nämlich nichts zu hören. Ein paar lizenzierte Songs wären nicht schlecht gewesen, aber vielleicht liefern die Entwickler ja zumindest noch die Unterstützung für eigene Musik von der PS3-Harddisk nach. Und wenn man sich dann auch noch nach einem Sprecher umschauen könnte, der zumindest das eigentlich gelungene Tutorial professionell vertonen würde, dann wäre der Sound von MotoGP 08 schon ziemlich makellos.

Fazit:

Ein ziemlich knappes Rennen, das sich Milestone dieses Jahr mit sich selbst liefert. Da wundert es kaum, dass die beiden Motorradtitel aus Italien Kopf an Kopf auf die Zielgeraden einbiegen. Wer im Endeffekt die Nase vorne hat dürften wohl die persönlichen Vorlieben entscheiden. Das beginnt schon bei der Frage MotoGP oder Superbike WM? In Sachen Bekanntheitsgrad und Umfang geht dieser Punkt wohl eindeutig an die MotoGP, aber dafür sind die Bikes der SBK wenigstens seriennah. Da fällt die Entscheidung nach dem Anspruch schon deutlich leichter. Zwar decken beide Games eine relativ große Bandbreite an Schwierigkeitsgraden und Fahrmodellen ab, unterm Strich bleibt SBK-08 aber der Sim-King, wohingegen MotoGP 08 deutlich besser für den Einsteiger- und oder Gelegenheitsspieler geeignet ist. Stellt sich eigentlich nur noch die Frage, welcher Spielertyp ihr seid. Dass MotoGP 08 hingegen erst jetzt erscheint muss kein echter Nachteil sein, denn so ist es zumindest die perfekte Ergänzung für die MotoGP-freie Winterzeit und hält das Grand Prix-Feuer auch bei Regen, Eis und Schnee vor der Tür am brennen.