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Das große Grübeln: Was macht die Formel E statt Autotausch?

Die Formel E ist dringend auf der Suche nach einem strategischen Element ab Saison 5: Selbst kontaktloses Laden beim Fahren könnte in Zukunft eine Möglichkeit sein

(Motorsport-Total.com) - Die vierte Saison der Formel E ist noch gut vier Monate entfernt, trotzdem wird bereits eifrig über die fünfte Saison gesprochen, wenn die Elektroserie den nächsten ganz großen Schritt machen wird. Große Hersteller wie Mercedes und Porsche sollen hinzukommen, und ganz wichtig: Der Autowechsel soll wegfallen. Die Batterien sollen dann die Kapazität besitzen, um ein ganzes Rennen durchzuhalten.

Titel-Bild zur News: Sebastien Buemi

Nur noch in der kommenden Saison soll der Autowechsel beibehalten werden Zoom

Die Formel E bekommt dann zwangsläufig ein völlig neues Gesicht. Die Rennen werden komplett anders aussehen als bisher, doch es folgen schon die Überlegungen: Was kann man statt dem Autowechsel machen? Das Element ist bislang einzigartig an der Serie und ein beliebter Spannungsmoment. Grundsätzlich ist man sich einig: Ein Strategieelement als Ersatz muss her.

"Am Anfang haben wir uns gefragt, ob der Autowechsel eine gute Sache ist, aber am Ende ist es ein wichtiger Teil des Rennens", betont Dragon-Pilot Loic Duval gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Wir müssen darüber nachdenken, was wir tun können, um die Leute zu unterhalten und die Mechaniker und das ganze Team zu involvieren." Denn aktuell wäre das Team abgesehen vom Fahrer während des Rennens beschäftigungslos - und es droht Langeweile.

Mehr Strategie = besser für die Show?

Denn wenn die 24 Boliden ab 2018 einfach nur vom Start ins Ziel rollen, könnte wenig passieren. Zu ähnlich sind die Fahrzeuge in ihrer Leistung, zu überholfeindlich die Stadtkurse. "Einen Boxenstopp brauchen wir auf jeden Fall", findet Daniel Abt. Renault-e.dams-Kollege Nicolas Prost stimmt zu: "Natürlich muss man verschiedenen Strategien im Rennen offen gegenüberstehen. Das macht es nämlich gut. Je offener wir die Strategie gestalten, desto besser ist es für die Show."

Die Frage ist jedoch, was die Formel E machen kann. Ein Boxenstopp ist nicht notwendig, weil man weder nachtanken noch die Reifen wechseln muss. Und was macht man dann stattdessen? "Stehen", zuckt Abt mit den Schultern. Das ist nun die Aufgabe der Formel E: Sie muss dringend ein strategisches Element finden. "Ob man da jetzt das Auto, den Fahrer oder die Unterhose wechselt, ist im Prinzip egal. Es geht darum, dass die Leute Spaß beim Zuschauen haben", so der Deutsche.

Sam Bird, Daniel Abt

Strategie soll der Action auf der Strecke zuträglich sein Zoom

Die Serie ist dem Thema jedoch schon auf der Spur. In der Sportlichen Arbeitsgruppe wird intensiv über ein Strategieelement diskutiert. "Wir denken jetzt nach und sehen, was das Beste ist", kündigt Renault-e.dams-Teamchef Jean-Paul Driot, der Teil der Gruppe ist, an. Serienboss Alejandro Agag hat zumindest schon die Richtung im Kopf: "Wir müssen etwas machen, was in unseren Bereich fällt. Also so etwas wie Energiemanagement oder so", sagt er.

"Wireless Charging" eine Möglichkeit der Zukunft

Eine mögliche Idee ist, den Boxenstopp zu einem eventuellen Energievorteil zu verwenden. "Für die Standzeit gibt es beispielsweise Extra-Energie", überlegt Abt gegenüber 'Motorsport-Total.com'. Heißt: Wer länger steht, bekommt mehr Energie zur Verfügung. Doch auch hier muss man wieder überlegen, wie man die Idee sinnvoll umsetzen kann. Denn der Zeitverlust in der Boxengasse ist immens - und wenn der Vorteil zu eindeutig ist, fahren auch alle die gleiche Strategie.

Zukunftsmusik könnte in dieser Hinsicht "Wireless Charging" sein. Serienboss Agag stellte jüngst in Aussicht, dass es in Zukunft Ladeschleifen in der Fahrbahn geben könnte, durch die die Boliden beim Überfahren gewisser Zonen wieder aufgeladen werden - Kenner der Videospielreihe F-Zero dürfte das Prinzip bekannt vorkommen. Bei dem futuristischen Rennspiel gibt es solche Ladezonen schon seit 1990.


Formel E: Wie Batterien für E-Autos funktionieren

Technikfans aufgepasst: In diesem Video gibt es einen Einblick in die Funktionsweise der Batterien in der Formel E. Außerdem: Was die Zukunft bringt. Weitere Formelsport-Videos

Natürlich ist die Umsetzung im echten Leben noch einmal eine andere Herausforderung. Mit großer Wahrscheinlichkeit dürfte diese Thematik in Zukunft noch einmal auftauchen, doch 2018 könnte dafür zu früh kommen.

Lieber Push-to-Pass statt Boxenstopp?

Beim NextEV-Team hat man eine andere Idee: Sie wären für die Einführung eines Push-to-Pass-Knopfes ähnlich wie in der IndyCar-Serie. Zwar gibt es dieses Konzept bereits durch den FanBoost, doch diesen dürfen nur drei Fahrer pro Rennen einsetzen - und das lediglich einmal. "Aber wenn man zum Beispiel zehn Push-to-Passes bei einem 40-Runden-Rennen hat, wird man unterschiedliche Strategien sehen", ist Ex-Champion Nelson Piquet jun. überzeugt.

Im Team vertritt man die Meinung, dass die Entscheidung ohnehin im direkten Zweikampf auf der Strecke fallen soll. "Es wäre schön, wenn wir Überholen ermöglichen würden - sei es über Push-to-Pass oder so. Der Fokus sollte sein, dass wir die Autos so viel wie möglich auf der Strecke lassen sollten", sagt Teamchef Gerry Hughes, und auch sein Mahindra-Kollege Dilbagh Gill spricht sich gegen Boxenstopp-Zwänge aus: "Es gibt andere Optionen, die dem Rennen immer noch ein strategisches Element geben können", so der Inder.

Felix Rosenqvist

Ein Push-to-Pass-Knopf könnte ein mögliches Überholproblem lösen Zoom

Die Formel E hat daher in den kommenden Wochen und Monaten viel Arbeit vor sich, um eine geeignete Lösung zu finden. Sie soll dem Zuschauer Spaß bringen, darf ihn gleichzeitig nicht verwirren, weil sie zu kompliziert ist, und soll wenn möglich den Fokus von den Technologieverbesserungen der Hersteller nicht ablenken. "Es gibt viele Ideen, wir müssen einfach sicherstellen, dass wir mit der besten Lösung ankommen", so Hughes. "Die dürfen wir dann nicht nach einer halben Saison wieder umwerfen, nur weil das Rennen eine Prozession ist."