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Ex-Teamchef Paul Jackson: "Glock war mein bester Fahrer!"

Der ehemalige iSport-Teamchef Paul Jackson spricht über seine gemeinsame Zeit mit Timo Glock: Für ihn war der Deutsche der beste Fahrer, der je für seinen Stall fuhr

(Motorsport-Total.com) - Er ist der Mann hinter dem Erfolg von Timo Glock. Paul Jackson war Gründer und Teamchef des iSport-Rennstalls, mit dem der Deutsche vor zehn Jahren seinen letzten großen Titel feierte. Jackson holte Glock 2006 von BCN zu seinem Team und begann damit eine Erfolgsgeschichte, die in der GP2-Meisterschaft 2007 endete.

Titel-Bild zur News: Timo Glock und Paul Jackson

Timo Glock und Paul Jackson feiern die GP2-Meisterschaft 2007 Zoom

"Timo war der beste Pilot, der je für mein Team gefahren ist", sagt der Brite und erinnert sich an erfolgreiche Zeiten mit dem Odenwälder. Im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' lässt Jackson das Kapitel Glock noch einmal Revue passieren und erzählt, wie es zum Erfolgsgespann kam, wieso der Titel 2007 nur über den Deutschen gehen konnte und warum es in der Formel 1 nicht besser für ihn lief.

Der wohl berühmtesten Kollision der GP2-Geschichte, die zwischen Glock und Teamkollege Andreas Zuber in Magny-Cours vor genau zehn Jahren passierte, widmen wir zum Jubiläum im Übrigen einen eigenen Artikel.

Frage: "Herr Jackson, haben Sie noch Kontakt zu Timo Glock?"
Paul Jackson: "Ja, wir sehen ihn von Zeit zu Zeit, aber natürlich passiert das nicht allzu regelmäßig. Ein Kollege von mir arbeitet in Deutschland und sieht ihn regelmäßig, bei uns ist das eher auf ein- oder zweimal im Jahr beschränkt. Wenn, dann reden wir aber eher nicht über unsere gemeinsame Zeit. Das war ein Teil unseres Leben, aber die Dinge sind weitergezogen. Wir sprechen dann über sein aktuelles Engagement in der DTM oder seine Familie - es ist eine normale Konversation unter Freunden."

Frage: "Also haben Sie seine weitere Karriere nach der GP2 intensiv verfolgt."
Jackson: "Aber natürlich! Ich schaue auch heute noch nach den Ergebnissen in der DTM."

Über Umwege zur Traumbeziehung

Frage: "Timo kam mitten in der GP2-Saison 2006 zu iSport, obwohl er das Jahr mit BCN startete. Wie kamen der Kontakt und der Wechsel damals zustande?"
Jackson: "Ursprünglich kamen Timo und sein damaliger Manager Hans-Bernd Kamps zu uns. Das war bereits ganz am Anfang der Saison 2006. Aber nur wenige Tage zuvor hatten wir bereits eine Vereinbarung mit Tristan Gommendy getroffen, von daher konnten wir nicht zusammenkommen. Später im Jahr bekamen wir allerdings Probleme mit Gommendys Sponsoren, die ihre Rechnungen nicht bezahlt hatten. Timo hatte gleichzeitig eine schlechte Phase bei BCN, von daher haben wir uns noch einmal zusammengesetzt und geschaut, ob die Möglichkeit für eine Zusammenarbeit besteht."

"Wir konnten Gommendy aus dem Vertrag entlassen, weil seine Seite den Vertrag gebrochen hatte. Dann haben wir mit Timos Team BCN gesprochen. Wir waren sehr offen und haben gesagt: 'Wir wollen euch euren Fahrer nicht wegnehmen, aber Timo würde gerne wechseln, wenn wir uns einigen könnten.' Sie waren sehr vernünftig und Timo kam kurz vor Silverstone zu uns. Für ihn war es damals eine Veränderung, aber er war sofort zuhause und fühlte sich auch viel wohler im Auto. Dadurch konnten wir auch sofort gute Resultate einfahren."

Adam Carroll, Borja Garcia, Timo Glock

Der Deutsche fand beim iSport-Team ein gutes Umfeld vor Zoom

Frage: "Galt die Vereinbarung damals nur für 2006 oder hattet ihr weitreichendere Pläne?"
Jackson: "Ursprünglich ging es nur um 2006, aber mit fortschreitender Saison realisierten beide Seiten, dass es eine sehr gute Chance auf die Meisterschaft geben würde, wenn wir zusammenbleiben würden. Es war für beide eine ziemlich einfache Entscheidung."

Frage: "Das hat sich letzten Endes auch ausbezahlt, schließlich habt ihr 2007 den Titel zusammen gewonnen."
Jackson: "Das war für uns ein riesiger Erfolg. Wir waren ein relativ kleines Team ohne reichen Gönner im Hintergrund. Wir mussten uns einzig und allein darauf verlassen, was wir selbst einnehmen können. Finanziell war es ziemlich eng, dass der Deal mit Timo klappt, aber glücklicherweise hat es funktioniert - und das war für alle gut."

Mentale Kapazität macht Glock besonders stark

Frage: "Wie gut war iSport denn damals verglichen mit den Topteams wie ART? Was hat euch so stark gemacht?"
Jackson: "Das ist eine schwierige Frage. Es gibt nicht die eine Sache, die alles zum Funktionieren bringt. Es ist eine Kombination aus allem. Mit diesem Auto hatten wir ein sehr gutes Set-up entwickelt - aber auch das war eine Kombination aus vielen Dingen. Schließlich gibt es kein Allheilmittel. Natürlich waren es auch Timos Fähigkeiten, die dazu beigetragen haben. Er ist ein sehr, sehr guter Fahrer auf allerhöchstem Topniveau."

Frage: "Wie schätzen Sie ihn denn unter allen Ihren Fahrern ein?"
Jackson: "Er ist wahrscheinlich der Beste. Wir hatten ein paar gute Fahrer, aber Timo sticht heraus. Wie alle sehr, sehr guten Fahrer - wie zum Beispiel Senna und Schumacher - besitzt Timo eine besondere Eigenschaft: Es ist diese mentale Kapazität. Er konnte das Auto in gewisser Weise auf Autopilot fahren. Dadurch hatte er noch die geistigen Freiräume, um über die Strategie und andere Dinge nachzudenken."

Paul Jackson

Speed, Senna, Bird, Palmer: Jackson hat viele Fahrer kommen und gehen sehen Zoom

"Er konnte während des Rennens mit dem Team reden, die Boxenstopp-Strategie anpassen und einschätzen, ob wir noch etwas ändern müssen. Dieses mentale Vermögen ist ziemlich selten. Die meisten Fahrer nutzen fast 100 Prozent ihrer Fähigkeiten, um das Auto zu kontrollieren und schnell zu fahren. Aber die sehr, sehr guten Fahrer besitzen diese mentalen Freiräume. Das war mit Sicherheit eine der großen Stärken von Timo."

Frage: "Und was ist mit seiner reinen Geschwindigkeit?"
Jackson: "Im Qualifying war er nicht der Beste - sehr gut, aber nicht der Beste. Das war nicht seine Stärke. Dafür war er im Rennen sehr gut. Am Qualifying hatten wir mit ihm intensiv gearbeitet, und er hatte sich dort auch enorm verbessert. Am Ende war er in allen Bereichen sehr stark."

Warum es bei Toyota nicht lief

Frage: "Wieso hatte er dann keine bessere Formel-1-Karriere?"
Jackson: "Das Leben bei Toyota war ziemlich hart. Es ist so eine große Veränderung, wenn man von einem kleinen Team kommt, bei dem sich alle nahe standen und bei dem er einen großen Einfluss hatte. Bei Toyota wurde ihm gesagt, was er zu tun hat. Er selbst konnte nur geringen Input geben. Außerdem hatte Toyota Probleme mit der Konkurrenzfähigkeit."

Frage: "Wie weit fortgeschritten waren die Aufstiegspläne mit Toyota damals, als Timo bei iSport um die Meisterschaft fuhr? Hat es ihn in irgendeiner Weise beeinflusst?"
Jackson: "Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber es war gegen Ende der Saison. Ich wurde von Toyota-Teamvorstand John Howett kontaktiert. Er sagte, dass sie von Timo beeindruckt seien, und fragte, ob sie mit mir über ihn reden könnten. Er stellte mir einige Fragen, und ich gab positive Antworten. Ich sagte zu ihm: 'Ihr werdet nicht enttäuscht sein, wenn ihr Timo nehmt.' Das haben sie dann gemacht."

Frage: "Vorher konntet ihr aber noch die gemeinsame Meisterschaft feiern. Gibt es einen entscheidenden Moment, an den Sie sich besonders gerne erinnern?"
Jackson: "Dafür müssen wir sogar ein Stück zurückgehen! 2006 gewann Timo in Magny Cours sein erstes GP2-Rennen - und das war wirklich wichtig. Das hatte ihm und uns gezeigt, dass wir definitiv gewinnen können. Wichtig war auch das letzte Rennen in Valencia, wo er sich die Meisterschaft geholt hat. Der Druck war enorm. Er durfte keinen Fehler machen. Jeder hat die Daumen gedrückt und gebetet, dass nichts falsch läuft."


Fotostrecke: Der legendäre Startcrash von Glock und Zuber

Frage: "Dass es so knapp wurde, lag auch daran, dass ihr zwischenzeitlich relativ viele Ausfälle hattet ..."
Jackson: "Wir hatten in dem Jahr ziemlich viele Getriebeprobleme, die eine Menge Kopfschmerzen verursacht haben. Die Komponenten, die wir von der GP2 bekommen hatte, waren einfach von schlechter Qualität. Beide Fahrer hatten Probleme damit, was uns viele gute Ergebnisse kostete. Ehrlich gesagt hätten wir in dem Jahr die Meisterschaft schon locker vor dem letzten Rennen eintüten sollen ..."

"Timo hat es nur mit Talent geschafft"

Frage: "Dabei hat Timo viele Rennen gewonnen, doch die meisten waren Sprintrennen. Von den Hauptrennen hat er nur ein einziges gewonnen - das am Nürburgring. Ist das fair?"
Jackson: "Um ehrlich zu sein, war mir das gar nicht bewusst. Es war schwierig, weil wir eben so oft von den Getriebeproblemen heimgesucht wurden. Wir wussten, dass wir konkurrenzfähig waren und viel mehr Siege hätten einfahren sollen. Aber in schlechten Zeiten muss man einfach weitermachen."

Frage: "Auf der anderen Seite hat auch kein anderer Fahrer mehr als zwei Hauptrennen gewonnen. Kann man sagen, dass Timos Konstanz den Titel ausgemacht hat?"
Jackson: "Ja. Er war die ganze Zeit über sehr konkurrenzfähig. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit ihm zu Saisonbeginn. Nach der halben Saison 2006 waren wir alle komplett darauf fokussiert, den Titel zu gewinnen."

Timo Glock

Bei Toyota lief es für Glock nur selten richtig rund Zoom

"Ich sagte zu ihm: 'Schau, du wirst nicht alle Rennen gewinnen. Das musst du akzeptieren. Wenn du nicht in einer Position bist, um das Rennen zu gewinnen, dann bring einfach so viele Punkte wie möglich nach Hause. Denn darauf kommt es am Ende der Saison an. Sie zählen nämlich nicht die Siege sondern die Punkte zusammen - und der mit den meisten Punkten gewinnt den Titel. Also behalte immer im Hinterkopf: Wenn du das Rennen nicht gewinnen kannst, stelle sicher, dass du ins Ziel kommst und Punkte holst.' Das verstand er, denn so gewinnt man eine Meisterschaft."

Frage: "Wie war Timo als Mensch in eurem Team? Wie hat er sich eingefügt?"
Jackson: "Er war absolut brillant. Er war immer enorm involviert und war mit seiner kompletten Crew befreundet. Auch heute noch steht er seinem Ingenieur ziemlich nahe. Er ist ein wirklich wundervoller Kerl. Wir hatten viele gute Zeiten mit ihm. Was hinzukommt: Er ist ein ziemlich normaler Typ aus einer normalen Familie, die kein Geld hatte. Er ist nur mit Talent dorthin gekommen, wo er ist. Natürlich hatte er auch gute Freunde und Partner. Er hatte das Glück, dass DHL ihn unterstützt hat, aber er war nicht reich. Er hat es einfach mit Talent geschafft - und das hat er verdient."

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