• 25.09.2016 19:24

  • von Scott Mitchell (Haymarket)

Wie sich das Technik-Aufrüsten in der Formel E intensiviert

Die Formel-E-Teams rüsten auf - "Sobald die Saison begonnen hat, kannst du das Auto nicht mehr ändern - nur die Software", verrät Sylvain Filippi vom DS-Virgin-Team

(Motorsport-Total.com) - Für viele ist das Rennfahrern eine Kunstform, wobei es eigentlich mehr Wissenschaft als Kunst ist. Das passt den Puristen nicht immer, aber das schnellste Auto für ein Rennen zu erschaffen ist immer eher eine Frage der Mathematik anstatt eine Frage des Geschmacks.

Titel-Bild zur News: Formel E

Nicht nur in Big Apple wird der Konkurrenzkampf in der Formel E größer Zoom

In der Spitzengruppe des Motorsports erfüllen sich immer mehr die Träume der Ingenieure, wie auch in der Formel E, der weltweit ersten elektrisch angetriebene Einsitzer-Meisterschaft, was ein Teil dieser fortschreitenden Entwicklung ist. Dabei wird immer weniger dem Zufall überlassen, wenn man vorab hunderte Lösungsansätze ausprobieren und durchrechnen lassen kann. Großbritannien hat bekanntlich genug selbsternannte "Experten", wie man auch abseits des Motorsports beim Streit über Brexit sehen kann.

Es geht um mehr als nur um das elektrische Antriebselement mittels FE-Technik. Die Teams sammeln die ganze Zeit Daten über Batterie und Antriebstechnik. Die Rennstrecken sind bisher kaum befahren oder sogar völlig neu, sodass es kaum bis gar keine vorhandenen Daten gibt. Dies führt dazu, dass sich zwei technologische Wettkämpfe entwickeln: Der Kampf Hard- gegen Software. Vereinfacht ausgedrückt, bietet die Hardware die Chance für größere Sprünge, währenddessen die Software zu kleineren Optimierungen führt. Beide Techniken werden durch intensive Simulationen unterstützt, mit und ohne Fahrer.

Antriebe im Sommer offiziell zugelassen

Nach Monaten der Entwicklung wurden die Antriebe Anfang Juni homologiert und damit für den Motorsport zugelassen. Das bedeutet, dass die Mehrheit der Testfahrten mit dem Wissen durchgeführt wird, dass auftretende Probleme nicht an dieser Hardware liegen können. Das betrifft den Motor, das Getriebe sowie den Inverter im Motor. Das heißt allerdings nicht, dass jedes Team mit genau demselben Paket in die Saison startet. Das trifft zwar auf die allgemeine Hardware zu, nicht aber wie diese in den jeweiligen Teams optimiert wird.

Lucas di Grassis Ingenieur Franco Chiocchetti verrät gegenüber 'Autosport', dass er zu Beginn der neuen Saison gerne in das Vorjahresauto zurückkehren würde, mit dem dieser zuletzt gewonnen hatte. Denn diese Entwicklungen bei der Software sowie weitere Simulationen im Qualitätsmanagement helfen dem Abt-Team, sodass in jedem Jahr kleinere Verbesserungen durchgeführt werden können. Das sei auch das Ziel aller Teams für die kommende Saison.

"Im ersten Jahr hatte der Fahrer noch einen deutlicheren Einfluss auf die Leistung des Autos, indem je nach Fahrstil mehr Energie eingespart wurde. Als die Software besser wurde, haben viele Fahrer darauf verzichtet", verrät Mark Preston, der Teamchef des Techeetah-Rennstalls.


Präsentation Jaguar I-Type 1

Abtrieb ist Schlüssel zum Erfolg

Dieses Phänomen wurde in der Saison 2015/16 deutlich, da einzelne Antriebe unterschiedliche Daten auswarfen. Die Teams mussten diese verstehen und darauf reagieren. Nach und nach hat sich die Macht zurück zu den Teams geschoben. Je mehr Hausaufgaben diese gemacht haben, umso besser waren sie auf das nächste Rennen vorbereitet. Je mehr Analyse diese nach dem Grand Prix betrieben, umso besser lernten sie daraus, um dies im nächsten Lauf anzuwenden.

"Das ist nicht bahnbrechend, das ist nur mehr Arbeit", gesteht Sylvain Filippi, technischer Direktor des DS-Virgin-Rennstalls, über diese Fleißaufgabe der Teams. "Sobald die Saison begonnen hat, kannst du das Auto nicht mehr ändern. Es gibt nur noch die Software. Es geht da mehr darum, clever die Energie zu nutzen und damit den Fahrern so viel wie möglich zu helfen."

Der Abtrieb ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Dabei ist das Antriebselement mittels FE-Technik bei der Leistung auf 170 kW im Rennen begrenzt, also auf 227 bhp. Das Energie-Management hat strategisch die entscheidende Bedeutung für den Sieg. Wie viel Energie wird in einer Runde verbraucht? Wie viel Energie kann beim Bremsen zurückgewonnen werden? Wie kann man die "lift and coast"-Technik effizient nutzen? Die durchgeführten Simulationen geben auf all diese Fragen die Antworten.

Pierre Gasly

Die Software wird immer mehr zum Schlüssel des Erfolges Zoom

Kleinere Antriebe, aber mehr Leistung

Auf dem Lenkrad werden die Piloten zukünftig größere Displays mit mehr Funktionen haben. Die Teams werden bei den einzelnen Rennen besser auf jeden Fahrer persönlich zugeschnittene Einstellungen parat haben, da im Vorfeld noch mehr Daten gesammelt wurden. "Ich weiß nicht", antwortet Filippi auf die Frage, ob es zukünftig auf einen Software-Krieg in der Formel E hinausläuft und fügt nüchtern hinzu: "Wenn du die Mittel hast, um eine Simulation durchzuführen, führt dies zu besseren Ergebnissen. Je mehr man da macht, desto besser ist man."

Die Einstellungen beim DS-Virgin-Rennstall sind eine Abkehr von den bisherigen Vorgehensweisen bei den Motoren der letzten Saison. Diese sind im Durchmesser kleiner, haben aber weitaus mehr Drehmoment. Die italienischen Elektronik-Experten von Magneti verwenden dafür das Wissen aus der Formel 1, der WEC sowie von den Hybrid-Straßenautos.

Zwei kleinere Motoren sind mit einem Zwei-Gang-Getriebe verbunden, das in einem Kohlefasergehäuse steckt. Bemerkenswert ist die thermische Effizienz der Elektronik, da der Kühlbedarf deutlich geringer ist. Die daraus resultierenden kleineren Kühleinheiten bedeuten weniger Widerstand, was die Leistung des Autos verbessert. Die Motoren laufen langsamer, haben aber mehr Drehmoment. Das bedeutet, dass diese auch ohne mehrere Gänge auskommen. Die Leistungswerte der Vorjahresmotoren waren im Vergleich dazu schlechter. Die provisorischen Verbesserungen waren zudem teuer und führten zu einem zusätzlichen Gewicht.


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Die aktuelleren Motoren orientieren sich an einer Vorjahreskonstruktion. Diese Bauweise verfügt über ein Differential zwischen den beiden Motoren. Die gesamte Anordnung befindet sich in einem Kohlefasergehäuse. Während der Motor von McLaren auf den ersten Blick dem Vorjahresmodell sehr ähnlich zu sein scheint, ist der Inverter aktualisiert worden. Dieser wurde verkleinert, befindet sich aber weiterhin oberhalb der Batterie.

Neuzugang Jaguar hat sich seine eigene Hardware gebaut, wenn auch mit Unterstützung von Williams. Möglicherweise wurde von Jaguars erstem Elektroantrieb zu viel erwartet, doch bis zu den ersten Crash-Tests im Dezember war kaum Zeit. Daher musste der Rennstall Kompromisse eingehen und entwickelte ein Vier-Gang-Getriebe, das nur mit ein paar Zahnrädern auskommt. Das Handicap der sehr kurzen Entwicklungszeit konnte damit etwas umgangen werden. Dabei mangelt es Jaguar nicht an Ressourcen, was langfristig den Unterschied machen dürfte. Dies sollte sich positiv auf die nächste Generation von deren Antriebseinheit auswirken.


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Sollte Jaguar einen ähnlichen Weg wie Renault verfolgen und mit einem möglichst sparsamen Aufwand einen technischen Erfolg suchen, wäre eine Investition von etwa zehn Millionen Euro eine respektable Größe. Dann wären voraussichtlich in kurzer Zeit erste Erfolge sichtbar. Anfang Oktober hat der Rennstall die nächste Möglichkeit, damit zu glänzen.