• 11.11.2015 10:19

  • von Scott Mitchell (Haymarket)

Wieso Renault in der Formel E einen Schritt voraus ist

Trotz der Zuverlässigkeitsprobleme von Putrajaya war Renault e.dams bislag das zu schlagende Team in der Formel E: Wir erklären, wie sie in die Position kamen

(Motorsport-Total.com) - In der zweiten Saison der Formel E dreht sich alles um den Antrieb - abgesehen davon, dass sich nicht alles um den Antrieb dreht. Ein offener Wettbewerb für die zweite Saison der Meisterschaft hat neue Lösungen für den Elektromotor, den Inverter und das Getriebe gebracht, die alle in verschiedene Autos gepackt sind.

Titel-Bild zur News: Sebastien Buemi

Sebastien Buemi führt zwar nicht in der WM, war aber bislang dominierend Zoom

Nach einer Debütsaison, wo es durch Einheitstechnologie nur kleinere Abstände gab, deuten die Pacevorteile von Renault e.dams zu Beginn der Saison natürlich auf einen starken Antrieb. Doch wenn es so einfach zu erklären wäre, dann wäre der Sprung, den Konkurrent Abt von Peking (wo man mit Respektsabstand Zweiter war) bis Putrajaya (wo man fast gleichschnell war und nach Problemen der Favoriten gewann) gemacht hat, nicht möglich gewesen.

Die Antriebe sind für die zweite Saison homologiert. Wenn die Lösung von Abt also fundamental weniger effektiv wäre, wie hätte man dann solch eine Wendung innerhalb von zwei Wochen herbeiführen sollen, sodass man nun in der Fahrer- und der Teamwertung führt? Wäre das der Fall, hätte Malaysia-Sieger Lucas di Grassi nicht Folgendes vermerkt: "Wir müssen verstehen, was wir verbessert haben, und noch ein bisschen mehr tun, um auf Renault aufzuholen. Sie sind immer noch das Auto mit der besten Performance."

Am Antrieb alleine liegt's nicht

Die Theorie, dass Renault e.dams die Wunderwaffe im elektrischen Rennsport gefunden hat, ist viel zu einfach. Es gibt einen umfassenden Aspekt am Z.E.15 des Teams, der den Boliden zum Gejagten 2015/2016 macht. "Es ist nicht nur die neue Technologie, der Motor und der Inverter, es sind auch Getriebe und Aufhängung", sagt Mitgründer und Teammanager Alain Prost. "Es ist schwierig zu sagen, wie viel man bei jedem einzelnen Teil gewinnen kann. Es geht um die gesamte Kombination. Niemand kann sagen, wie viel hier und wie viel da ist."

Diese Kombination aus Faktoren hat dazu geführt, dass Sebastien Buemi die Saisoneröffnung in Peking dominieren konnte und es in Putrajaya fast ein zweites Mal getan hätte, bevor sein Auto in der sengenden Hitze zweimal versagte. Abgesehen vom Technikpech war der Pacevorteil des Z.E.15 offensichtlich. Buemi stand zweimal komfortabel auf der Pole-Position, auch wenn di Grassi ohne Mauerkontakt ein Rivale in der Qualifikation hätte sein können.

Alain Prost

Alain Prost weiß nicht, wie viel Vorteil ein einzelnes Teil bringt Zoom

Am Ende war aber ein Renault auf der Pole, und ein Renault führte auch das Rennen komfortabel ohne Probleme mit dem Energiemanagement an, bevor er das erste von zwei Softwareproblemen durch die Hitze erlitt. "Renault hat offensichtlich viel Geld investiert", meint Andretti-Teamboss Roger Griffiths. "Sie haben Leute von ihrem Formel-1-Programm abgezogen, und es zeigt, was ein Unternehmen schaffen kann, wenn es die nötigen Ressourcen hat. Sie haben gezeigt, dass die Autos viel schneller fahren können."

Vorteil Herstellerunterstützung

In Putrajaya hat man gesehen, wie viel schneller: 1,6 Sekunden in Qualifying und Rennen gegenüber der ersten Saison. Zudem ist erwähnenswert, mit welcher Leichtigkeit sich Buemi die Bonuspunkte für die schnellste Rennrunde dort und in Peking sichern konnte. Peking war zum Vorjahr kein fairer Vergleich, weil die Strecke leicht verändert wurde. In der vergangenen Woche wurde der Sprung nach vorne allerdings vor Augen geführt. Die Investition von Zeit, Geld und Expertise ist der Grund, wieso der Schritt gemacht wurde.

Renault war verantwortlich für die Entwicklung, das Design und die Produktion des Z.E.15-Antriebs, während sich e.dams (oder DAMS für diejenigen, die die Geschichte der Formel E nicht verfolgt haben) darum gekümmert hat, dass diese Verbesserung auch in Performance auf der Strecke umgesetzt wird. Gerüchte schätzen den finanziellen Input von Renault auf zehn Millionen Euro. Das ist exakt, was man von einem Hersteller erwarten kann, der eine Meisterschaft als Testcenter für Straßenentwicklung nutzen möchte. Und wenn man bedenkt, wie viel Renault derzeit in ein Formel-1-Programm investiert und dabei in Schwierigkeiten steckt, dann bekommt man in Sachen Erfolg auf der Strecke einen beträchtlichen Gegenwert.


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Der Einfluss wird beispielhaft vom Karbongehäuse des Zwei-Gang-Getriebes dargestellt. Das ist die Art an wichtigen Produkten, die eine gute Unterstützung mit sich bringt, wenn man bedenkt, dass ein Team vier Getriebe plus Ersatz benötigt. Ein weiteres Teams schätzt die eigenen Kosten der Karbonverkleidung auf mindestens 250.000 Pfund (350.000 Euro).

Abspecken war angesagt

Gewicht ist im Motorsport immer wichtig, aber in der Formel E besonders entscheidend, weil einige Standardteile des Einheitschassis der ersten Saison zu schwer waren. Einige der neuen Antriebe in der zweiten Saison haben sich als schwerer als andere herausgestellt, und nah an das Gewichtslimit heranzukommen, war eine Herausforderung - Renault e.dams ist eines von nur zwei Teams, das darunter geblieben ist.

Bedenkt man das Gewicht der Autos und ihre natürlicherweise heckwärts gerichtete Gewichtsverteilung, dann kann jeder Vorteil in diesem Bereich entscheidend sein. "Wir wissen, dass Chassis in verschiedenen Formelserien schon für lange, lange Zeit aus Karbon bestehen", sagt Renault Sports Programmchef Vincent Gaillardot. "Auch das Gehäuse der Batterie ist aus Karbon - auch das des Antriebs. Es erschien wie die logische Spezifikation."

Nicolas Prost

Gewichtsersparnis: Renault hat den Antrieb bewusst leicht gehalten Zoom

"Wir wussten vom ersten Tag an, dass das Erreichen der Gewichtsgrenze schwierig werden würde, und bei den Arbeiten an unserem Antrieb lag die oberste Priorität darauf, das Gewicht so gering wie möglich zu halten. Ich habe noch nie übergewichtige Autos gesehen, die gut performt haben. Die Leute hatten in der Formel E so sehr den Fokus auf elektrischer Technologie, dass sie vermutlich die Grundlagen des Motorsports vergessen haben."

Tieferer Schwerpunkt

Die Annahme, dass es irgendeine Patentlösung in irgendeiner Sphäre des Motorsports gibt, ist fehlgeleitet. Renault e.dams' Erfolg daher nur auf den Antrieb zu reduzieren, wäre falsch. Was wirklich getan wurde, ist konventionelle Rennlogik auf ein unkonventionelles Auto und Serienkonzept anzuwenden. "Wir haben versucht, effizienter zu sein", räumt Buemi ein. "Wir haben einen besseren Job gemacht, aber es ist das Gesamte. Wir haben an jedem Detail gearbeitet - dem Handling und der Traktion -, um es zu einem richtigen Auto zu machen."

Natürlich ist der neue Antrieb ein beitragender Faktor. Eine der Schlüsselanforderungen war, dass er tiefer im Auto sitzt, um den Schwerpunkt des Einheitschassis von Dallara nach unten zu verlagern. Dadurch wird die Traktion besser, genauso wie es das Team von Jean-Paul Driot auch mit der Hinterradaufhängung geschafft hat.

Hersteller mit einem eigenen Antrieb konnten Veränderungen auf Basis der Getriebemodifikationen durchführen. Während das bedeutet, dass der hintere Teil des Autos etwas sein könnte, das Griffiths als "sehr unterschiedlich" zur ersten Saison beschreibt, kommt der wahre Spielraum für Verbesserungen von den Dämpfern. Die Dämpfereinstellungen waren zwar auch zuvor offen, doch die Aufhängungsänderungen geben den Teams größere Freiheiten darüber, was Driot als "wie man sie in das vorhandene Chassis einbindet" beschreibt.


Formel E in Putrajaya

"Wir sind daran gewöhnt, und ich habe sehr gute Streckeningenieure", sagt er. Indem man einen 7-Stempelprüfstand benutzt, um die Dämpfereinstellungen zu optimieren, und das Gelernte dann bei Streckentests anwendet, konnte e.dams eine wichtige Komponente feintunen, die Zehntelsekunden bringen soll. "Es ist wirklich eine herausragende Rennentwicklung", sagt Gaillardot. "Ich kann nicht glauben, dass es da ein Geheimnis geben soll."

Teamchef Driot warnt

Das Ergebnis ist ein extrem gut funktionierendes Auto, nicht nur ein effizienter Antrieb. Bemerkenswert an Renault in Peking war zudem, wie leichtfüßig man über die Randsteine fuhr. Ein Teamchef schätzte, dass Buemi und Nicolas Prost gut fünf km/h mehr durch die Kurven nehmen konnten. Die Kurvengeschwindigkeit nimmt man auf die nächste Gerade mit, wo der Vorteil verstärkt wird. Und wenn man mehr Momentum aus einer Kurve mitnimmt, dann muss man den Motor weniger pushen, um auf Topspeed zu gelangen, was der Effizienz hilft. "Es ist nicht so, dass unser Auto eine Revolution ist", bemerkt der jüngere Prost. "Alles ist einfach nur einen Hauch besser."

Die Aussagen des Teams gingen bislang dahin, dass man sich des starken Saisonstarts bewusst ist. Wenn der Vorteil öfter wiederholt werden wird als nicht, dann könnte Selbstzufriedenheit der größte Feind des Teams werden. Die Probleme in Putrajaya haben zudem gezeigt, dass es töricht wäre, wenn man sich jedesmal auf eine Wiederholung von Peking verlassen würde. "So ein Start ist gleichzeitig sehr gut und schlecht", sagt Driot.


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"Er ist gut, weil man Zuversicht ausstrahlt und das Ergebnis die Performance des Autos widerspiegelt. Es ist schlecht, weil wir niemals alles für selbstverständlich halten und denken dürfen, dass wir Zigarre rauchend und relaxt zum nächsten Rennen erscheinen können. Das ist das Schlechteste, was wir tun könnten. Wenn die anderen sehen, dass sie ein Stück zurück sind, dann arbeiten sie mehr als wir es im Gedanken, oben zu sein, tun werden. Darum kommt es nicht auf Siege wie unserer in Peking an."