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  • 23.07.2012 13:55

Vettel und die FIA: Schweigen ist Gold

Den Frust über ein verkorkstes Heimspiel auf dem Hockenheimring schiebt Sebastian Vettel lieber im Stillen - Kein "Deutschland-Fluch"

(Motorsport-Total.com/SID) - So wütend hatte man Sebastian Vettel vielleicht noch nie gesehen: Als ihm Physiotherapeut Heikki Huovinen am Ende eines völlig verkorksten Heimatausflugs das ernüchternde Urteil mit der Rückstufung von Rang zwei auf Platz fünf unter die Nase hielt, war für den Formel-1-Weltmeister das Maß voll. Der 25-Jährige schnappte sich einen Teller Nudeln und verschwand wutschnaubend in seiner Kabine im Red-Bull-Motorhome.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel zog seine Pasta am Sonntag den Journalisten lieber vor

Wer daraufhin zu ihm wollte, wurde aufgehalten. Dies sei keine gute Idee, versicherten Vertraute, Vettel sei unglaublich geladen. Ausgerechnet 45 km von seinem Elternhaus entfernt und vor heimischem Publikum erlebte der Heppenheimer einen Tag zum Vergessen - und einen vielleicht entscheidenden Rückschlag im Titelrennen gegen den schon 44 Punkte enteilten Hockenheim-Sieger Fernando Alonso.

Neues Scharmützel mit der FIA?

Zudem musste er sich nach seiner Kritik am forsch fahrenden Lewis Hamilton vom britischen Boulevardblatt 'Mirror' auch noch als "Heulsuse" bezeichnen lassen. "Vettel verlässt den Hockenheimring mit gebrochenem Herzen", spottet die 'Sun'. Nach dem abschließenden Urteil der FIA, die ihn wegen Überholens abseits der Strecke mit einer 20-Sekunden-Strafe belegte, schwieg Vettel lieber.

Verschwörungstheorien wie zuletzt in Valencia wollte er nicht äußern. Das Gefühl, dass der Weltverband den Weltmeister der letzten beiden Jahre und sein finanzstarkes Team mit allen Mitteln einbremsen will, hatte sich allerdings schon am Morgen verstärkt. Für das als illegal eingestufte Auto bekam die FIA Red Bull aber nicht zu greifen.

Viele Beobachter sahen in der persönlichen Strafe für Vettel nach dem Manöver gegen Jenson Button eine Retourkutsche. Fakt ist aber auch: Vettel war selbst schuld. Im Regelwerk sei dies ein eindeutiger Fall, betont der ehemalige Rennfahrer Alexander Wurz, der selbst gelegentlich als Rennkommissar im Einsatz ist: "Vettel hätte sich nach dem Überholen einfach zurückfallen lassen müssen. Das hat er aber nicht gemacht."

Cortese macht Vettel Mut

Auch Ex-Weltmeister Damon Hill betont: "Das Einfachste wäre gewesen, er hätte seinen Platz direkt wieder an Jenson abgetreten." Vettel wäre auf Rang drei zurückgefallen - und hätte alle Chancen gehabt, sich den zweiten Platz wieder zu erobern. "Meine Hinterreifen waren am Ende, er hätte mich sicher nochmal überholen können", sagt Button. Zumindest vom Kommandostand hätte der Weltmeister zurückgepfiffen werden können, doch der Funk blieb stumm.

Schon als vermeintlicher Zweiter nach Rennende auf dem Podium hatte Vettel eher missmutig dreingeschaut. Die Wunde, auch im fünften Anlauf den Heimsieg verpasst zu haben, schmerzte schon zu diesem Zeitpunkt, zwei Stunden vor dem finalen Rückschlag für den Wahl-Schweizer. Von einem "Heimfluch" zu sprechen, halten Experten aber für übertrieben. "Wenn man auf Platz zwei fährt, ist das doch kein Fluch", erklärt Motorrad-Star Sandro Cortese dem 'SID'.


Fotos: Sebastian Vettel, Großer Preis von Deutschland


Der WM-Spitzenreiter der Moto3-Klasse hatte vor zwei Wochen als erster Deutscher seit 41 Jahren einen deutschen Sieg auf dem Sachsenring eingefahren: "Das war ein Hammer-Gefühl. Sebastian fehlt es noch in seiner Sammlung. Aber er hat sonst schon alles erreicht, und ich bin sicher, dass er das in naher Zukunft erleben wird."

Alonso setzt eine politische Note

Auch 'RTL'-Experte Christian Danner will von einem "Fluch" nichts wissen. "Davon kann man sprechen, wenn man immer im selben Rennen ausscheidet", sagt er dem 'SID': "Außerdem gibt es in der Formel 1 nicht so etwas wie Angstgegner im Fußball. Zum Nachdenken hast du unter dem Helm gar keine Zeit." Für Danner, der bisher immer auf Vettel getippt hatte, ist nun aber Alonso der klare WM-Favorit.

"Ihn darfst du nie, nie, nie unterschätzen. Im Moment ist er einfach superstark", glaubt Danner. "Und bei Red Bull wird es Zeit, dass sie mal ein paar Briketts nachlegen." Zumindest hat Vettel vor der Sommerpause noch eine Chance, seinen Frust abzubauen. Am Sonntag in Budapest Alonso an dessen 31. Geburtstag zu schlagen, wäre sicher eine Genugtuung.

Sebastian Vettel

Der ersehnte Heimerfolg gelang Sebastian Vettel auch 2012 nicht Zoom

Die verspürt diesmal nur der Ferrari-Pilot. "Ich bin kein politischer Mensch. Aber dass ein Spanier in einem italienischen Auto, das ein Grieche designt hat, in Deutschland gewinnt - das hat schon was", zählt er schmunzelnd auf. Politische Spitzen verteilen auch die Medien. "Alonso siegt im Vettel-Merkel-Territorium", schrieb die spanische 'AS'. Und auch der italienische 'Corriere dello Sport' schickt einen Gruß an die Kanzlerin: "Dieser Sieg ist Frau Merkel gewidmet."