• 07.06.2012 20:47

Vettel: "Das Hin und Her kann man sich sparen"

Sebastian Vettel über seine Vorfreude auf Montreal, die leidige Unterboden-Diskussion und die vielleicht ausgeglichenste Weltmeisterschaft aller Zeiten

(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel hat mit Montreal noch eine Rechnung offen: Nach der stundenlang unterbrochenen Regenschlacht des Vorjahres führte er bis in die letzte Runde, ehe er unter Druck von Jenson Button einen Fahrfehler beging und den Sieg noch herschenkte. Trotzdem hatte er nach dem Grand Prix von Kanada in der Fahrerwertung 60 Punkte Vorsprung. Derzeit liegt er mit einem Saisonsieg an zweiter Stelle, drei Punkte hinter Fernando Alonso und ex aequo mit seinem Teamkollegen Mark Webber, der das Selbstvertrauen des Sieges in Monaco auf seiner Seite hat. Keine einfache Ausgangsposition also für den zweimaligen Weltmeister, der Montreal zu seinen Lieblings-Grands-Prix zählt.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel hofft darauf, am Sonntag in Montreal zu gewinnen

Frage: "Sebastian, wie sexy findest du die Stadt Montreal?"
Sebastian Vettel: "Sexy sind Frauen, aber keine Städte! Es ist eine schöne Stadt, wirklich. Hat was. Ist recht groß, aber man fühlt sich trotzdem immer ganz wohl und entdeckt jedes Jahr ein bisschen mehr."

Formel-1-Festival in Montreal

Frage: "Wie würdest du die Formel-1-Atmosphäre hier beschreiben?"
Vettel: "Es ist eine ganz besondere Strecke, eine ganz besondere Stadt. In Kombination ist das etwas Tolles für uns. Die Fans sind jedes Jahr zahlreich und die Stimmung ist da. Man merkt, dass die ganze Stadt wirklich den Grand Prix lebt - angefangen mit dem Punkt, wo man am Flughafen landet, und in der Stadt ist das ganze Wochenende der Bär los. Das ist natürlich etwas Besonderes für uns, denn das ist nicht überall so. Deswegen versucht man, das zu genießen und aufzusaugen, um Spaß daran zu haben."

Frage: "In den vergangenen Jahren war Montreal eher eine McLaren-Strecke. Wie groß ist die Chance, dass ihr daran rütteln könnt?"
Vettel: "Schauen wir mal. Letztes Jahr waren wir relativ nahe dran, das Rennen zu gewinnen. Am Ende hat es nicht ganz gereicht. Ich hatte eine halbe Runde vor Schluss einen Patzer. Aber jetzt ist erstmal wichtig, dass wir morgen im Training einen guten Tag haben, schauen, wie sich das Auto anfühlt. Alles Weitere steht noch in den Sternen. Dieses Jahr tut man sich generell schwer mit Vorhersagen."

Sebastian Vettel vor Jenson Button

Im Vorjahr war Sebastian Vettel drauf und dran, in Montreal zu gewinnen Zoom

Frage: "Du hast, wie angesprochen, aus dem Vorjahr noch eine Rechnung offen. Ist das eine zusätzliche Motivation oder ist das längst vergessen und abgehakt?"
Vettel: "Abgehakt sicherlich, vergessen vielleicht nicht ganz. Klar, in dem Moment hat das wehgetan, aber es war insgesamt ein sehr schwieriges Rennen. Ich habe noch nie erlebt, dass es wo so lang geregnet hat! Nach der Pause waren wir aber in Führung. Wir haben alles richtig gemacht, bis ich eine halbe Runde vor Schluss einen Fehler gemacht habe, der uns den Sieg gekostet hat."

Erinnerungen ans Drama von 2011

"Aber wir wollen jetzt auch nicht vermessen sein, denn unser letztes Jahr war auch ohne den Sieg hier ein sehr gelungenes. Für die Zuschauer war es sicher klasse anzuschauen, weil man bis zur letzten Runde nicht wusste, wer am Ende gewinnt. Aber klar, wir versuchen natürlich, dieses Jahr vielleicht den Extra-Schritt zu machen und den Sieg hier zu holen. Jetzt schauen wir aber erstmal auf morgen, auf das Freie Training, schauen, dass sich das Auto einigermaßen gut anfühlt. Was dann passiert, da lassen wir uns überraschen."

Frage: "Wie zufrieden bist du im Moment? Mark Webber rückt dir auf die Pelle und fährt dir um die Ohren. Warum ist das so?"
Vettel: "Das war jetzt ein Rennen, also schauen wir mal. Es ist ein neues Wochenende hier. Wir müssen schauen, dass wir im Qualifying ein bisschen stärker werden - das war in den letzten beiden Rennen nicht so gut. Im Freien Training haben wir uns recht wohl gefühlt und im Qualifying viel verloren. Ich glaube, wir haben zumindest zum Teil einiges verstanden und hoffentlich dazugelernt und können das hier umsetzen."

Auto weiterhin schwierig zu fahren

Frage: "Und du mit dem Auto? Hapert es da immer noch in der Kombination?"
Vettel: "Nein, glaube ich nicht. Es ist immer noch schwierig zu fahren und mit Sicherheit nicht ganz so, wie ich es gerne hätte, aber man muss damit natürlich auch zurechtkommen, denn etwas anderes hat man nicht. Man muss versuchen, das Beste daraus zu machen. Aber wenn wir es im Qualifying schaffen, das Auto etwas weiter nach vorne zu stellen, war der Speed im Rennen bis jetzt immer sehr gut. Auf einer Strecke wie beispielsweise Monaco wird man sich schwer tun, jemanden zu überholen. Das war schon immer so. Hier ist das nicht unbedingt so, hier kann man überholen. Aber im Idealfall fährt man schon von weiter vorne los."

Frage: "Wie verständlich oder unverständlich ist für dich, wenn der Unterboden einmal legal ist und dann plötzlich illegal? Das versteht kein Mensch."
Vettel: "Das ist ein bisschen Zirkus, aber ich glaube nicht, dass uns das trifft. Ich hoffe, dass das Ganze jetzt bald ein Ende hat. Ich glaube nicht, dass es auf der Strecke einen großen Unterschied macht. Ein bisschen schade, dass es erst nicht erlaubt ist, dann erlaubt ist und dann wieder nicht erlaubt ist. Das Hin und Her kann man sich vielleicht in Zukunft sparen, aber ich glaube nicht, dass das einen großen Einfluss auf unsere Leistung hat."

"Das ist ein bisschen Zirkus, aber ich glaube nicht, dass uns das trifft." Sebastian Vettel

Frage: "Worum geht es bei diesem Loch im Unterboden eigentlich? Sind das metergroße Löcher oder wie müssen sich die Fans das vorstellen?"
Vettel: "Nein. Es ist ein relativ kleines Loch am Unterboden, jeweils links und rechts direkt vor dem Hinterreifen. Von der Größe her kann man darüber streiten, aber es ist wirklich nicht die Welt. Es ist eine der Sachen, die an unser Auto gekommen sind. Wenn es schlechter gewesen wäre, hätten wir es wieder zugestopft."

Unterboden-Loch bringt Vorteile

"Es war also ein kleines Stück besser, aber es ist nicht nur eine Sache, die ans Auto kam, sondern es waren viele Sachen - und oftmals in Kombination, also ist das Ganze ein bisschen komplexer als nur zu sagen: Loch da, Kiste geht, Loch zu, Kiste geht nicht. Wie gesagt: Ich glaube nicht, dass es uns am Wochenende und für die Zukunft groß treffen wird. Die Diskussion ist ein bisschen lästig, dass es ständig Hin und Her geht, aber ich habe das nicht so sehr verfolgt. War mir eigentlich ziemlich wurscht."

Frage: "Warum geht ihr in Sachen Regeln eigentlich immer so ans Limit?"
Vettel: "Es sind nicht nur wir, die an die Grenzen gehen, sondern das tun alle. Du kannst die Boxengasse raufgehen und wirst sehen, dass die Autos alle anders aussehen, aber alle innerhalb des Reglements sind. Natürlich versucht man, so viel Performance wie möglich aus dem Auto zu holen, wo immer man das für möglich hält. Ich glaube, es wurde viel über dieses Loch geredet, aber ich glaube, es wird keinen großen Einfluss haben. Wichtiger ist, dass wir im Training gleich einen guten Rhythmus finden und dann sicherstellen, dass wir das richtige Setup haben."

"Es sind nicht nur wir, die an die Grenzen gehen, sondern das tun alle." Sebastian Vettel

Frage: "Hast du das Gefühl, dass ihr schnell genug entwickelt? Kommen aus der Fabrik genug gute Teile nach?"
Vettel: "Ich denke, es kommt auf jeden Fall genug. Bis jetzt war aber das Problem, dass es hie und da noch nicht ganz so funktioniert hat, wie wir das gerne wollten. Das ist im Moment noch der größte Unterschied zum Vorjahr: dass Teile kommen, dass sie aber nicht so funktionieren, wie wir uns das wünschen. Wenn wir das abstellen können in den nächsten Rennen, dann machen wir glaube ich auch einen großen Schritt nach vorne."

Bald der erste zweifache Saisonsieger?

Frage: "Sechs Rennen, sechs Sieger: Wie geht das weiter? Jetzt wird's ja langsam mal so, dass wir in 20 Rennen 20 verschiedene Sieger haben..."
Vettel: "Das glaube ich nicht. Ich denke, dass es hier oder beim nächsten Rennen jemand schafft, ein zweites Mal zu gewinnen. Wenn wir uns anstrengen und alles richtig machen, haben wir vielleicht eine Chance."

Frage: "Red Bull ist das einzige Team, das schon zweimal gewonnen hat. Wie optimistisch bist du, dass ihr von jetzt an wieder zu einem Lauf wie 2011 ausholen könnt?"
Vettel: "Es ist ein anderes Jahr als 2011, aber hoffentlich werden wir das erste Team sein, das dreimal gewinnt. Wir haben dieses Wochenende eine Chance. Es ist wichtig, auf dem richtigen Fuß zu starten, denn es ist eine sehr komplexe Strecke mit vielen Geraden, schnellen Richtungswechseln, Schikanen, harten Randsteinen, langsamen Kurven. Sie ist anders als andere Rennstrecken und der Asphalt ist sehr glatt. Entscheidend wird sein, dass alles zusammenpasst. Das wird dann den Unterschied machen."

Ziel klar definiert: Sieg in Montreal

Frage: "Im Vorjahr hast du die Weltmeisterschaft hier komfortabel angeführt. Jetzt ist es viel schwieriger, sich in der Situation abzusetzen, oder?"
Vettel: "Sicher, es ist ganz anders als im Vorjahr, aber die Einstellung ist die gleiche: Wir kommen hier an und wollen unser Bestes geben, attackieren. Das Ziel ist, zu gewinnen. Wir haben glaube ich ein gutes Auto. Klar brauchen wir eine solide Vorbereitung auf Qualifying und Rennen, damit wir wirklich das Maximum herausholen können."

Frage: "Es ist schon verrückt, dass Fernando Alonso im Ferrari, der nicht so gut ist wie der McLaren oder dein Auto, die Weltmeisterschaft anführt."
Vettel: "Ich schaue mir den Meisterschaftsstand nicht an. Ihr erinnert mich eh ständig dran, was ganz praktisch ist. Es ist bisher für uns alle eine schwierige Saison. Unterm Strich führt Fernando, weil er am konstantesten war. Zwischen den Autos liegt nicht viel. Ich glaube nicht, dass der Ferrari im Moment ein langsames Auto ist. Sicher, bei den Wintertests schienen sie ziemlich weit hinten zu sein, aber sie scheinen den Rückstand aufgeholt zu haben. Sie waren dazu in der Lage, ein Rennen zu gewinnen, eines der schwierigsten bei nassen Bedingungen in Malaysia. Sie verdienen es also, in dieser Position zu sein."

Loch im Unterboden des Red Bull

Das Loch im Unterboden des Red Bull sorgt für teils hitzige Diskussionen Zoom

Frage: "Hier in Montreal hast du bisher immer gepunktet. Wie stehen die Chancen am Sonntag?"
Vettel: "Hoffentlich fahren wir wieder in die Punkte, denn das ist dieses Jahr generell sehr wichtig. Ideal wäre natürlich, 25 Punkte zu holen. Wenn das nicht geht, dann 18, oder sonst 15 - und so weiter. Wir werden sehen. Es ist ein langes Wochenende auf einer schwierigen Strecke. Es ist nicht so leicht, hier alles auf die Reihe zu bekommen. Darum glaube ich, dass wir uns gleich auf das erste Training konzentrieren müssen."

Wieder mit Soft und Supersoft

Frage: "Ihr habt dieses Wochenende die gleichen Reifen wie in Monaco, obwohl es eine komplett andere Rennstrecke ist. Wie schwierig wird es, die Reifen zum Funktionieren zu bekommen?"
Vettel: "Hier ziemlich schwierig. Sowohl hier wie auch in Monaco gibt es keine schnellen Kurven, was normalerweise am besten ist, um die Reifen zum Arbeiten zu bekommen. Aber in Monaco gibt es keine langen Geraden, auf denen die Reifen stark abkühlen, hier jedoch schon."

"Es wird entscheidend, die Reifen ins richtige Fenster zu bekommen, das sehr schmal ist, wie wir gesehen haben. Das kann einen großen Unterschied machen, speziell im Qualifying, ob man dieses Fenster findet oder nicht. Darum glaube ich, dass die Trainings vor dem Qualifying so wichtig sind, um ein Gefühl für das Auto und für die Reifen zu bekommen und sicherzustellen, dass man immer im richtigen Fenster für Auto, Reifen und Setup ist."

Sebastian Vettel

Sebastian Vettel ist trotz der bisher schwierigen Saison bestens gelaunt Zoom

Frage: "Morgen geht die Fußball-Europameisterschaft los. Wem drückst du die Daumen und wie wirst du dir das Ganze reinziehen?"
Vettel: "Für uns geht's ja erst am Samstag los. Ich drücke natürlich der deutschen Mannschaft die Daumen und hoffe, dass die ganzen Diskussionen und das ganze Gerede aufhören, wenn der Ball dann mal rollt, damit wir uns auf den Fußball freuen können. Ich hoffe, dass die deutsche Mannschaft auf dem richtigen Fuß startet und gut ins Turnier findet. Der Rest wird sich dann zeigen."