powered by Motorsport.com

Technik: Das Lotus-Doppel-DRS im Blickpunkt

Schon in Spa soll das Doppel-DRS bei Lotus erstmals zu Rennehren kommen: Was man sich davon verspricht, wie die Entwicklung läuft und wie das System funktioniert

(Motorsport-Total.com) - Lotus setzt dieses Jahr auf eine alte Formel-1-Grundregel: Wenn du einen Trick der Konkurrenz nicht verbieten kannst, dann kopiere ihn. So geschehen zu Saisonbeginn 2012: Die Truppe von Eric Boullier legte gegen das Doppel-DRS System der "Silberpfeile" Protest ein, war aber damit erfolglos.

Titel-Bild zur News: Kimi Räikkönen

Lotus möchte das neue Doppel-DRS schon in Spa im Rennen einsetzen

"Mercedes kam mit einem System, das unserer Meinung nach illegal war", erklärt Teamchef Boullier. "Wir haben protestiert, weil wir von der FIA wissen wollten, wie genau sie die Regeln interpretieren". Als die Regelhüter die Lösung absegneten, machten sich Technikchef James Allison und seine Ingenieure rasch an die Arbeit, um ein System zu entwickeln, das laut Boullier "nach dem gleichen Prinzip arbeitet."

Lotus unter großem Zeitdruck

Die Techniker in Enstone benötigten bis zum Hockenheim-Wochenende, um das System einsatzbereit zu machen. Auch in Budapest war das sogenannte Doppel-DRS-System, bei dem über die Verstellung des Heckflügels ein F-Schacht aktiviert wird, der beim Flügel für einen Strömungsabriss sorgt und damit die Höchstgeschwindigkeit auf der Geraden verbessert, im Einsatz - allerdings in beiden Fällen nur bei Kimi Räikkönen und bloß im Freien Training.

Lotus spricht bewusst von einem Prototypen, den man erst zuverlässig machen möchte. Die regnerischen Wetterbedingungen an den beiden Wochenenden erleichterten die Versuchsfahrten nicht gerade, schließlich steht man unter enormem Zeitdruck. "Wir hoffen, dass es in Spa zum Einsatz kommt", erklärt Allison die schwierige Ausgangssituation. "Es gibt sehr viele Dinge, die wir bis dahin richtig machen müssen. Die Zeit ist ziemlich knapp. Im Kalender sieht es danach aus, als ob wir genug Zeit haben, doch durch die Stilllegung ist die Zeit begrenzt."

Kimi Räikkönen

Bei Räikkönens Lotus führt ein Schacht zum Heckflügel, einer tritt darunter aus Zoom

Allison setzt große Hoffnungen in System

Dennoch scheint sich das Team vor allem auf den schnellen Strecken einiges davon zu versprechen. Romain Grosjean zählt die favorisierten Einsatzgebiete auf: "Spa, Suzuka, Südkorea - auch in Singapur kann es interessant sein."

Doch kann das System Lotus im Titelkampf entscheidend helfen? "Ich denke, man kann durch den Fakt, dass wir bei einigen Veranstaltungen gewillt waren, Streckenzeit zu opfern, um diese Technik voranzubringen, nachvollziehen, dass wir daran glauben, einen Vorteil in den ausstehenden Rennen zu haben", schickt Allison gegenüber 'Sky Sports News' eine Warnung an die Konkurrenz aus.

Romain Grosjean

Der Vergleich macht sicher: Bei Romain Grosjeans E20 fehlen beide Schächte Zoom

Zudem wechselten viele Teams in Sachen Entwicklung bereits auf das 2013er-Auto - Lotus klammert sich aber eisern an seine Chance im Titelkampf 2012. "Die Saison mit 20 Rennen ist kaum mehr als zur Hälfte vorüber, das Ende nicht einmal nahe. Es ist also noch viel wert", argumentiert der Brite die Herangehensweise gegenüber 'Autosport'.

Lotus modifizierte nach Hockenheim Lufteinlass

Das bisherige Fazit ist laut Teamchef Boullier "positiv", dennoch stapelt er im Gegensatz zu seinem Technikchef tief: "Wir gehen es da Schritt für Schritt an. Wir sehen darin nämlich keinen drastischen Vorteil. Wenn es aber gut funktioniert, dann müssen wir es natürlich einsetzen, ganz klar. Wir arbeiten weiter daran. Vielleicht werden wir es in einem der nächsten Rennen am Auto haben - an beiden Fahrzeugen." Einen Einsatz beim kommenden Rennen auf dem Ardennen-Kurs in Spa-Francorchamps schließt auch er nicht aus.

Während Räikkönen bloß anmerkt, dass noch mehr Arbeit am System erforderlich ist, gibt sein Teamkollege mehr Einblicke. Die ersten Aussagen des finnischen Routiniers seien "sehr interessant gewesen", meint Grosjean. Zwischen Hockenheim und Budapest musste man "das Chassis beim Lufteinlass modifizieren. Das gelang uns aber halt leider nur bei einem Auto". Das war auch der Grund, warum er noch nicht in den Genuss des Doppel-DRS kam.

Doppel-DRS, Lotus

Lotus-Ohren: Über zwei Einlässe wird die Luft zum Heck geführt Zoom

Das Lotus-Doppel-DRS im Detail

Doch wie funktioniert das mysteriöse System? Während die Doppel-DRS-Erfinder von Mercedes beim Flachstellen des Heckflügels einen Schacht öffnen, über den Luft durch die Heckflügel-Endplatten quer durch das Auto zum Frontflügel geleitet wird und dort für einen Strömungsabriss sorgt, spielt die Frontpartie beim Lotus-System keine Rolle.

Dort konzentriert man sich voll auf den Heckflügel. Auf den ersten Blick fallen zwei große Lufteinlässe auf beiden Seiten der Lufthutze auf, durch die Luft zum Heck geführt wird. Ein großer Schacht tritt über dem unteren Heckflügelelement aus, ein kleinerer führt direkt hinauf zum Hauptelement des Heckflügels. Wie bei Mercedes öffnet sich durch die Aktivierung von DRS ein Loch auf der Innenseite des Heckflügels - durch Unterdruck dürfte die Luft dadurch hinauf zum Hauptelement des Heckflügels strömen und für den erwünschten Strömungsabriss sorgen, was für eine bessere Höchstgeschwindigkeit auf der Geraden sorgt.

Kimi Räikkönen

Hat das System auch bei geschlossenem Heckflügel einen Effekt? Zoom

Bei geschlossenem DRS dürfte das System ebenfalls eine Auswirkung auf das Fahrverhalten haben, schließlich bläst der untere Schacht auf die Heckpartie des E20. Zusätzliche Luft strömt also auf das untere Heckflügelelement - im Fahrerlager wird sogar spekuliert, dass der Diffusor angeblasen wird. Noch heißt es aber abwarten, denn das System wurde noch nie im Ernstfall eingesetzt - bei der bisherigen Variante könnte es sich also auch um eine reine Testversion handeln. Der Grand Prix von Belgien Anfang September wird möglicherweise die Antwort liefern.