Schumacher: "Motorsport bleibt meine Zukunft"

Ralf Schumacher spricht im Interview über seine neue Freizeit, seine enttäuschenden Jahre bei Toyota und seine Zukunft im Motorsport

(Motorsport-Total.com) - 2007 war möglicherweise die schwierigste Saison in der Karriere von Ralf Schumacher: Speziell am Jahresanfang musste er jede Menge mediale und öffentliche Kritik einstecken, so dass die Interviewrunden an der Strecke fast schon mehr einem Kreuzverhör vor Gericht glichen als einem Pressegespräch - mit den Journalisten als selbsternannte Geschworene.

Titel-Bild zur News: Ralf Schumacher

Ralf Schumacher wird 2008 sehr wahrscheinlich ein Jahr Pause einlegen

Natürlich verging dem Deutschen angesichts dieser Verurteilung auch schon mal die Lust auf das Beantworten der immer gleichen Fragen, doch im Interview mit 'Motorsport-Total.com' kurz vor dem Jahreswechsel präsentierte er sich recht gut gelaunt - und vor allem wie ein Mann, der seiner neuen Karrieresituation durchaus etwas Positives abgewinnen kann. Was er uns zu sagen hatte, können sie in der Folge nachlesen.#w1#

Weihnachten mit der Familie

Frage: "Ralf, ich nehme an, du hast ohne Bindung an ein Team im Moment recht viel Freizeit, die du mit deiner Familie verbringen kannst, richtig?"
Ralf Schumacher: "Die Winter waren eigentlich immer recht ruhig. Aber es ist schon ruhiger geworden. Ich habe einige Tage mit der Familie verbracht, habe aber auch ein paar Dinge erledigen müssen. Ich bin also nach wie vor viel unterwegs."

Frage: "Ist es schön, die Winterfeiertage einmal ganz mit der Familie verbringen zu können und sich nicht groß mit anderen Dingen beschäftigen zu müssen?"
Schumacher: "Es ist schon eher ein befreiendes Gefühl, alles einfach mal ruhig angehen zu lassen und mal zu abzuwarten, was so kommt, ganz klar."

"Es ist schon eher ein befreiendes Gefühl, alles einfach mal ruhig angehen zu lassen." Ralf Schumacher

Frage: "Als wir vor einer Woche telefoniert haben, warst du gerade im Kindergarten. Am meisten freut sich wahrscheinlich dein Sohn über das alles, nicht wahr?"
Schumacher: "David ist recht happy, aber wie gesagt, ich war jetzt trotzdem oft unterwegs, ein paar Dinge erledigen. Für ihn hat sich daher noch nicht so viel geändert, das wird erst nächstes Jahr dann."

Frage: "Diese Dinge, die du erledigt hast, meinst du damit privates Business?"
Schumacher: "Ja, privatgeschäftlich."

Frage: "Kommen wir zum Sportlichen. Du hast deinen Test für Force India als Freundschaftsdienst bezeichnet. Stand für dich von vornherein fest, dass du dich nicht an diesem Shootout beteiligen möchtest?"
Schumacher: "Das war von vornherein eine Standortbestimmung für Vijay (Mallya; Anm. d. Red.), nichts anderes. Ich habe nichts gegen das Team - es ist ein tolles, junges und dynamisches Team mit Vijay, aber nicht mehr und nicht weniger."

Frage: "Was spricht gegen Force India? Schreckt dich der Gedanke ab, nach so vielen Jahren ganz hinten in der Startaufstellung stehen zu müssen?"
Schumacher: "Man muss es so sehen: Ich hatte jetzt drei schwierige Jahre bei Toyota, die sicherlich nicht so gelungen sind, wie ich mir das gewünscht hätte. Ich würde schon gerne etwas machen, aber das Team beginnt bei Null und wäre daher nicht das Richtige für mich gewesen. Wir haben darüber auch nie gesprochen, weil das nie ein Thema war."

2008 steht erst einmal eine Pause an

Frage: "Ist damit das Thema Formel 1 zumindest für 2008 definitiv abgehakt?"
Schumacher: "Ich werde 2008 auf jeden Fall pausieren, wie es im Moment aussieht - es sei denn, irgendein Team überlegt sich das über den Winter noch anders."

Frage: "Pausierst du nur in der Formel 1 oder generell im Rennsport?"
Schumacher: "Das kann ich jetzt noch nicht beantworten. Ich überlege mir das eine oder andere, aber im Moment gibt es noch nichts."

"Ich überlege mir das eine oder andere, aber im Moment gibt es noch nichts." Ralf Schumacher

Frage: "Dein Bruder Michael rät dir via Medien, ein Jahr zu pausieren und dann wieder einzusteigen - bei ihm hat das bei den Tests ja funktioniert. Hast du mal mit ihm direkt darüber gesprochen?"
Schumacher: "Wir haben darüber nicht gesprochen. Ich habe auch seit Jerez oder davor auch gar nicht mit ihm gesprochen. Weil er auch viel unterwegs war, sind wir da gar nicht dazu gekommen. Theoretisch ist das vielleicht möglich, praktisch muss man aber abwarten, was sich ergibt oder auch nicht. Die Formel 1 wartet auf nichts und niemanden."

Frage: "Es waren drei schwierige Jahre bei Toyota. Fühlst du dich jetzt im Kopf ein bisschen müde oder ausgelaugt?"
Schumacher: "Ausgelaugt würde ich jetzt nicht sagen, das wäre übertrieben. Es war aber sehr enttäuschend für beide Seiten und es waren auch drei schwierige Jahre. Das kommt aber durch Umstände, äußere Einflüsse und die Problematik im Team.

"In so einem Konzern wird der Druck doch recht groß, wenn so viele Gelder fließen und so wenig dabei herauskommt, und dann ist es schon besser, wenn man da einfach einen Schlussstrich darunter zieht und deshalb bin ich da auch recht froh. Ich habe die Zeit bei Toyota rein menschlich sehr genossen, aber vom Erfolg her war es eine Katastrophe, ganz klar."

Shanghai war eines der wenigen Highlights

Frage: "2007 gab es zumindest einige kleine Highlights. In Shanghai warst du im Regen sehr schnell unterwegs. War das nach all der Kritik in diesem Jahr Balsam für die Rennfahrerseele? Nach dem Motto: Der Ralf kann es ja doch noch!"
Schumacher: "Ich habe schon immer viel Kritik einstecken müssen. In Shanghai lief das Auto ganz gut und es hat einfach viel Spaß gemacht. Ehrlich gesagt war da die Saison schon so schlecht, da war es mir sowieso egal."

"Ich habe bis dahin Spaß gehabt, wir sind das Risiko mit den Slicks eingegangen, das hat nicht geklappt - aber bis dahin hatte ich wenigstens viel Spaß. Es war auch für die Mechaniker mal wieder schön, dass ein Toyota überholt hat anstatt überholt zu werden. Das war eigentlich das Wichtige an dem Rennen. Das mit der Kritik: Mir war klar, dass das nach solchen Jahren nicht anders sein kann."

Ralf Schumacher

Einer der besseren Auftritte im Jahr 2007: Ralf Schumacher in Shanghai Zoom

Frage: "Du hast Toyota einzig dahingehend kritisiert, dass nie der Versuch gestartet wurde, etwa einen Ross Brawn zu holen. Kollidiert die japanische Mentalität bei Toyota nicht zu sehr mit dem europäischen Rennverständnis? Was war der Grund, warum es nicht geklappt hat?"
Schumacher: "Ich denke, das wäre zu einfach. Ich habe immer versucht, hinter dem Team zu stehen, für das ich gefahren bin, und habe nie versucht, das Team zu kritisieren. Das finde ich als Fahrer nicht angebracht, weil ich immer eine gewisse Grundloyalität gegenüber meinen Partnern habe."

"Ich habe dafür auch als Fahrer sehr viele Prügel einstecken müssen, weil das Toyota-Management für die Medien nicht wirklich existent ist. Es waren immer die Fahrer, die bei Toyota im Vordergrund gestanden sind. Die mussten das immer erklären. Darin liegt das Hauptproblem: Man hat es von Toyota-Seite versäumt, das ordentlich zu kommunizieren - die Erwartungshaltung war meines Erachtens zu hoch. Toyota hat immer gesagt: 'Wir werden gewinnen!' Das ist nicht eingetroffen. Aber vielleicht klappt es ja jetzt, ich würde es ihnen wünschen."

Frage: "Bräuchte das Team eine markante Persönlichkeit, einen Leitwolf von Schlage eines Ron Dennis oder Jean Todt oder Frank Williams? Denn dadurch stehen die Fahrer ja so im Vordergrund, wie du eben angesprochen hast..."
Schumacher: "Es gibt keine markante Persönlichkeit. John Howett hat im Unternehmen nicht unbedingt die Möglichkeiten, die Dinge so zu machen, wie er das vielleicht machen könnte oder wollte. Das lassen die Strukturen nicht zu. Das japanische Management fühlt sich in der europäischen Welt nicht ganz so wohl, auch aus sprachlicher Sicht gesehen, dass man so was durchsetzen könnte."

Motorsport bleibt Teil der Lebensplanung

Frage: "Sollte der Wiedereinstieg in die Formel 1 nicht klappen, wird man dich in anderen Rennserien an der Rennstrecke sehen, sei es als Fahrer, Funktionär oder in der Nachwuchsförderung?"
Schumacher: "Motorsport ist bis jetzt mein Leben gewesen und wird sicher ein großer Bestandteil meiner Zukunft bleiben. In welcher Form, das bleibt abzuwarten. Ich habe weder irgendwelche Angebote noch irgendwelche konkreten Vorstellungen, außer dass ich jetzt momentan gerne mal Ruhe habe."

"Ich werde Anfang des Jahres jetzt noch eine weitere Qualifikation im Flugschein angehen - das ist ein Hobby, das mich sowieso interessiert. Es ist eine Erweiterung, die mich berechtigt, in Zukunft auch gewerbliche Flüge zu machen. Das sind so die Dinge, die ich in der Zukunft machen will."

"Ich werde Anfang des Jahres noch eine weitere Qualifikation im Flugschein angehen." Ralf Schumacher

Frage: "Alexander Wurz fährt nächstes Jahr Le Mans..."
Schumacher: "In Le Mans wirst du mich nie sehen."

Frage: "Gibt es irgendwelche Spezialevents, die dich reizen? Das Indy 500 zum Beispiel oder die Rallye Dakar, die vor der Tür steht?"
Schumacher: "Das reizt mich überhaupt nicht. Ein Oval wird mich aus bekannten Gründen nicht sehen, egal in welchem Auto, und Le Mans werde ich auch nie fahren. Oder die Rallye Dakar auch nicht."

"Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich habe in der Formel 1 schöne Jahre, aber auch viele Unfälle erlebt oder überlebt, wie man es eben nennen möchte. Wenn ich was im Motorsport mache, wird das in den Klassen sein, wo man einen vergleichbaren Sicherheitsstandard hat wie in der Formel 1 oder hoffentlich noch mal in der Formel 1. Alles andere ist nicht denkbar."

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