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"Riesenmassel": Mercedes bedankt sich bei Göttin Fortuna

Perfektes Ergebnis statt Schadensbegrenzung: Für Mercedes lief der Singapur-Grand-Prix optimal - Dass man dabei viel Glück hatte, ist für Silber kein Geheimnis

(Motorsport-Total.com) - Wer hätte heute Morgen gedacht, dass Mercedes als strahlender Sieger den Marina Bay Street Circuit verlassen würde? Eigentlich wollten die Silberpfeile nur so wenig Punkte wie möglich auf Ferrari verlieren, doch stattdessen machte Lewis Hamilton 25 Zähler auf WM-Rivale Sebastian Vettel gut, weil er sich als großer Glückspilz im Startchaos von Singapur herausstellte. "In Wien sagt man ein Riesenmassel", weiß selbst Motorsportchef Toto Wolff, dass Mercedes heute Glücksgöttin Fortuna auf seiner Seite hatte.

Denn während sich Vettel, Kimi Räikkönen und Max Verstappen gegenseitig am Start aus dem Rennen nahmen, hielt sich Hamilton von Startplatz fünf aus den Scherereien hinaus und münzte seine folgende Führung in einen unerwarteten Sieg um. "Gott hat mich heute mit Sicherheit gesegnet", muss der tiefgläubige Brite selbst nach dem Rennen feststellen. "Ich habe von dem Zwischenfall profitiert."

Hamilton wusste, dass ihn heute nur Regen oder eine Startkollision nach vorne spülen konnte - und beides hat der Mercedes-Pilot, der seine WM-Führung auf 28 Punkte ausbauen konnte, heute bekommen. Als sich die Schleusen vor dem Start öffneten, ahnte er es bereits: "Das sind meine Bedingungen", lacht er. "Als ich gesehen habe, dass es geregnet habe, war ich unheimlich glücklich - ihr könnt euch das gar nicht vorstellen."

"Perfektes Szenario"

Denn er wusste, dass er im Normalfall durch eine gute Strategie maximal eine Position gewinnen könnte, wenn er nicht auf das Zuverlässigkeitspech der Gegner bauen wollte. Und so war er bereits am Start bestens gelaunt. "Es ist klar, dass das Szenario heute nicht hätte perfekter sein können", sagt er. Doch es kam aus Mercedes-Sicht sogar noch besser.

In der ersten Kurve lag der Brite plötzlich hinter Vettel auf Rang zwei. Er freute sich schon auf ein neuerliches Duell mit seinem WM-Rivalen, doch plötzlich drehte sich auch der Ferrari weg und schied aus. "Ich habe nur gehofft, dass er mich nicht mit abräumen würde", sagt er, doch auf einmal lag Hamilton sogar in Führung. Was folgte, war für ihn fast ein normales Rennen.

Denn wieder einmal konnte der dreimalige Weltmeister das Geschehen von der Spitze kontrollieren. Er managte die Intermediate-Reifen und ließ sich auch nicht davon aus der Ruhe bringen, dass Daniel Ricciardo hinter ihm während einer weiteren Safety-Car-Phase neue Intermediates auf seinen Red Bull zog, während Hamilton mit seinen gebrauchten Schlappen weiterfahren musste.

Team musste Hamilton einbremsen

Zwar fragte er bei seinem Team nach, ob das die richtige Entscheidung war, doch die Pace gab Mercedes Recht. Hamilton konnte seinen Abstand immer wieder vergrößern, sodass der Sieg so langsam Realität in den Köpfen wurde. "Als Ricciardo nicht viel gegen Lewis' Geschwindigkeit machen konnte - besonders mit den Intermediates - , dann war uns schon klar, dass er das Rennen gewinnen kann", meint Aufsichtsratsvorsitz Niki Lauda.

Mercedes hatte plötzlich die Pace gefunden, die ihm im Qualifying noch gefehlt hatte. Wer dachte, dass Ricciardo Hamilton unter Druck setzen kann, der sah sich getäuscht. Hamilton konnte die Intermediates gut managen und hatte sogar am Ende noch Leben in ihnen, wie er sagt. "Das Auto war ein echter Segen", lobt er sein Team. Denn auch auf Ultrasoft-Reifen war Hamilton später der tonangebende Mann.

Einzig in Runde 44 mussten sich die Fans kurz sorgen, als der Brite plötzlich einiges an Zeit verlor. Gab es Probleme am F1 W08? Keineswegs. "Ich hatte zu diesem Zeitpunkt eine gute Pace und habe viel Zeit herausgeholt. Das Team wollte nicht, dass ich weiter wegziehe", erklärt Hamilton. Denn man wollte Ricciardo kein potenzielles Safety-Car-Fenster ermöglichen. "Dann hätte er uns womöglich überholen können, weil er die besseren Reifen gehabt hätte."

Hamilton: Solche Siege schöner als von Pole

Und so konnte der WM-Führende schließlich nach mehr als zwei Stunden Rennzeit mit viereinhalb Sekunden Vorsprung über die Linie fahren und seine WM-Führung deutlich ausbauen. Man merkte ihm die Freude direkt an, denn dass er auf Mercedes' Problemkurs in Singapur 25 Zähler auf Vettel gutmachen konnte, damit hätte er im Leben nicht gerechnet. "Das braucht etwas Zeit zum Verdauen", schnauft er durch.

"Aber solche Siege sind viel zufriedenstellender als die von Pole-Position", grinst er. Hamilton musste sich bei schwierigen Bedingungen von Rang fünf bewähren und hatte dabei auch noch das Rennglück auf seiner Seite. Er gibt zu: "Im Trockenen wäre es ein viel härteres Rennen gewesen, weil die Ferraris und die Red Bulls stärker gewesen wären. Es war das erste Mal dieses Jahr im Regen. Es war daher eine große Herausforderung, was ich liebe. Das ist für mich das Aufregendste."

Gleichzeitig konnte auch Teamkollege Valtteri Bottas trotz eines eigentlich schwachen Wochenendes noch auf das Podium klettern und Rang drei erobern, womit der Finne wohl am wenigsten gerechnet hätte. "Es war natürlich eine gute Schadensbegrenzung", lacht er. "Wir hatten definitiv das Glück, aber das Auto hat heute besser als erwartet funktioniert. Auf einem für uns schwierigen Kurs Rang eins und drei zu holen, ist fast perfekt."

Toto Wolff fühlt mit Ferrari

Da nimmt es Bottas auch gerne mit, dass es für ihn heute ein eher langweiliges Rennen war. Er kam wie Teamkollege Hamilton am Start gut nach vorne und managte dann seine Position. "Ich habe einfach auf die Möglichkeiten gewartet, aber ich hatte sowohl im Nassen als auch im Trockenen Probleme. Ich konnte Daniel von Zeit zu Zeit unter Druck setzen, aber das war es auch."

"Ich möchte meinem Team gratulieren", legt Rennsieger Lewis Hamilton nach. "Hier auf eins und drei zu stehen, sind fantastische Punkte für das Team", lobt er und sagt, dass er nicht glücklicher sein könnte. Glücklich könnte man im Deutschen auf doppelte Weise so sehen, da macht Mercedes keinen Hehl draus.

"Das ist das Unglaubliche am Sport, dass wir heute früh einfach von Schadensbegrenzung gesprochen haben, dann kam der unglaubliche Unfall, und dann dreht sich alles, und wir gehen mit 1 und 3 hier weg und bauen den Vorsprung aus", lacht Toto Wolff, der das Ergebnis gerne so mitnimmt - gleichzeitig aber auch mit Ferrari mitfühlt: "Ich kann nachvollziehen, wie schlimm es sich für sie anfühlt", sagt der Österreicher. "Das Unglück für Ferrari war unser Glück."