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  • 03.09.2017 10:10

  • von Christian Nimmervoll & Jonathan Noble

Renault: Red Bull bekommt bessere Motoren als Werksteam

Für jeden Defekt eine Gegenmaßnahme: Sportchef Cyril Abiteboul erklärt im Detail, wie Renault auf die vielen Probleme bei Max Verstappen reagiert

(Motorsport-Total.com) - Sechsmal ist Max Verstappen in der Formel-1-Saison 2017 schon ausgeschieden, und viermal ging das auf die Kappe von Motorenhersteller Renault. Speziell nach dem Ausfall beim "halben Heimrennen" in Spa-Francorchamps war der Red-Bull-Pilot so frustriert, dass er nach dem Grand Prix von Belgien klar machte: Es reicht, mehr kann ich nicht ertragen!

Titel-Bild zur News: Cyril Abiteboul, Helmut Marko

Cyril Abiteboul und Helmut Marko suchen Lösungen für die vielen Defekte Zoom

Besonders bitter: Zwar treten Renault-Defekte auch bei anderen Fahrern auf, aber Verstappen ist am öftesten betroffen. "Das gibt's", sagt Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko gegenüber 'Sky'. "Ich erinnere an 2014, als Ricciardo die Saison gegen Vettel problemlos gefahren ist, drei Rennen gewonnen hat, und immer wenn was schiefgegangen ist, war's bei Sebastian. Mark Webber war auch so ein Beispiel."

Bei Renault nimmt man die Defektserie "nicht auf die leichte Schulter", wie Cyril Abiteboul gegenüber 'Motorsport-Total.com' versichert: "Wir reagieren." Und zwar auf mehreren Ebenen: "Die erste ist", sagt der Renault-Sportchef, "dass wir für jeden einzelnen Zwischenfall eine Gegenmaßnahme eingerichtet haben. Hervorheben möchte ich zum Beispiel das Sensorversagen in Spa. Jetzt haben wir eine viel bessere Prozedur, die viel besser dokumentiert als das, was wir davor hatten."

"Es geht nicht darum, eine Entschuldigung zu suchen, denn diese Gegenmaßnahme hätte schon existieren sollen. Ich will mich nicht herausreden. Aber jetzt haben wir diese Gegenmaßnahme. Vier Tage später, und alles steht. Wir haben für jeden einzelnen Defekt, der aufgetreten ist, eine Gegenmaßnahme entwickelt", erklärt Abiteboul und ergänzt, er sei "stolz" auf diese schnelle Reaktion seiner Ingenieure.

Red Bull bekommt die besten Teile zuerst

"Zweitens geht es um die Produktion von Teilen. Wenn es darum geht, Teile für Rennmotoren zuzuordnen, kenne ich keinen anderen Motorenhersteller, der so reagiert hätte wie wir. Wir waren sogar so loyal, dass Red Bull die besten Teile bekam, auf Kosten des Renault-Teams. Wir finden, dass wir Red Bull und Max das schuldig sind", unterstreicht Abiteboul.

Drittens: "Das Personal. Bei Red Bull arbeiten großartige Leute, aber wir haben weitere Ressourcen hinzugefügt. Das ist noch nicht umgesetzt, aber es wird ab Singapur passieren. Dann geben wir ihnen zusätzliches Personal an die Hand, das sich nur um Red Bull kümmert. Und es wird auch jemanden geben, der sich speziell um das Thema Zuverlässigkeit und richtigen Betrieb des Motors kümmert."

Technisch gesehen waren alle vier Motorenprobleme, die bei Verstappen aufgetreten sind, unterschiedlich. Teilweise waren sogar unterschiedliche Zulieferer betroffen. Ein Grund, warum sich Renault für 2018 nicht auf ein viertes Kundenteam einlassen möchte, sondern bei drei die Obergrenze sieht: "Wir wollen die Anstrengungen, die wir in den Motor für nächstes Jahr investieren, nicht auf diese Weise verwässern."

Zuverlässigkeit im Fokus

Renault hat für 2017 die Architektur des Motors umgekrempelt. Das wird für 2018 nicht mehr passieren. Mit der Grundlage des Motors sind die Ingenieure zufrieden - nun geht es darum, mehr Zuverlässigkeit zu finden. Denn mehr Zuverlässigkeit bedeutet, dass über einen längeren Zeitraum mehr Leistung freigegeben werden kann, und das ist Stand heute das größte Defizit gegenüber Mercedes und Ferrari, heißt es.

Verstappens Aussage, dass es ihm lieber gewesen wäre, der Spa-Motor wäre explodiert (stattdessen stellte sich nach dem Ausfall heraus, dass er eigentlich noch funktionstüchtig ist), kann Abiteboul nicht nachvollziehen: "Das verstehe ich nicht, denn der Motor ist safe. Wir können ihn wieder einsetzen. Wenn er explodiert wäre, hätten wir mehr Motoren verwenden müssen und dafür mehr Strafen kassiert. Daher verstehe ich nicht, was Max meint."

Max Verstappen

Der Motorschaden in Spa hat Max Verstappen schwer zugesetzt Zoom

Für den Rest der Saison 2017 sind übrigens keine gravierenden Motorenupdates mehr geplant, "aber ein paar kleinere Dinge", kündigt Abiteboul an: "Ich möchte nicht ins Detail gehen, aber es wird für alle Teams mehr Leistung geben." Das wird besonders die beiden Red-Bull-Teams freuen, die zuletzt signalisiert hatten, dass sie unzufrieden darüber sind, dass keine größeren Updates mehr geplant sind ...