• 23.06.2012 21:56

  • von Dieter Rencken & Stefan Ziegler

Reifenwärmer ja oder nein: Die Formel 1 ist sich uneins

Die Formel 1 denkt über die Abschaffung der Reifenwärmer nach, was im Fahrerlager allerdings auf ein ziemlich gemischtes Echo trifft

(Motorsport-Total.com) - Es ist ein inzwischen gewohntes Bild: Erst wenige Augenblicke vor dem Herausfahren aus der Box reißen die Mechaniker die Heizdecken von den Reifen, damit die Piloten möglichst gut temperierte Pneus zur Verfügung haben. Damit könnte es aber schon bald vorbei sein, denn hinter den Kulissen denkt man ernsthaft darüber nach, die Reifenwärmer zu verbieten. Das Echo darauf fällt gemischt aus.

Titel-Bild zur News: Formel-1-Heizdecken

Heizdecken samt dazugehöriger Elektronik könnten aus der Formel 1 verschwinden

Wie bei vielen Regeländerungen in den vergangenen Jahren, so steht auch dieses Mal der Kosten-Nutzen-Faktor im Vordergrund. Zumindest für McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh, der klare Worte findet: "Es ist komplett sinnlos. Wir geben pro Jahr 300.000 Pfund (etwa 370.000 Euro) aus, um Heizdecken und Generatoren rund um die Welt zu verfrachten und in der Startaufstellung Lärm zu machen."

"Da könnten wir genauso gut mehr VIP-Gäste einladen und für die Medien mehr Platz schaffen", meint Whitmarsh. Mercedes-Teamchef Ross Brawn will dieses Argument aber nicht ohne Weiteres gelten lassen. Im Verhältnis seien die Heizdecken sicherlich keine teuren Ausrüstungsgegenstände, findet der britische Landsmann von Whitmarsh. "Ich sehe nicht, dass die Reifenwärmer zu teuer sind."

Sind Heizdecken zu laut für die Formel 1?

"Ich denke, man muss sich erst einmal darüber klar werden, ob es sich um eine sportliche oder um eine wirtschaftliche Frage handelt", sagt Brawn in Valencia und merkt an: "Billig sind diese Dinge natürlich nicht. Wahrscheinlich würden wir die Heizdecken aber eh beim Testen einsetzen, um keine Streckenzeit beim Aufwärmen der Pneus zu verlieren. Wir würden sie also wohl trotzdem kaufen."

Damit wäre also niemandem geholfen, selbst wenn man bei den Grands Prix auf die Reifenwärmer verzichten würde. Oder? "Aus sportlicher Sicht ist es eine andere Geschichte", meint Brawn. "Wenn die Autos nach einem Boxenstopp mit kalten Reifen auf die Strecke zurückkehren müssten und nicht gleich eine schnelle Runde zur Verteidigung hinknallen könnten, dann wäre das ganz interessant."

"Wir würden sie also wohl trotzdem kaufen." Ross Brawn

Die Sache hat nur einen Haken, wie Whitmarsh anmerkt: "Mit diesen Reifen geht es nicht. Das steht fest." Die aktuelle Generation von Pirelli-Pneus ist logischerweise nicht darauf ausgelegt, dass sie in kühlem Zustand auf die Strecke gebracht wird. Whitmarsh schlägt daher vor, die Reifen entsprechend anzupassen, damit die Heizdecken in der Formel 1 überflüssig werden - aus den genannten Gründen.

Braucht die Königsklasse ihre Reifenwärmer?

"Wir könnten uns die lauten Generatoren in der Startaufstellung und die Kosten für die Heizdecken sparen, die nichts zur Show beitragen. Dass es geht, sieht man ja auch in anderen Formelserien", sagt Whitmarsh und kommt für sich zum Schluss: "Es ist möglich." Die Frage ist nur, ob die Formel 1 einen solchen Schritt tatsächlich wagen sollte. Nicht jeder ist wirklich begeistert von dieser Idee.

Vor allem Michael Schumacher (Mercedes) hat kein Verständnis für diesen Vorstoß: "Mir gefällt das ganz und gar nicht. Ich sehe keinen Grund und auch keinen Bedarf, die Reifenwärmer abzuschaffen", erklärt der siebenmalige Weltmeister am Rande des Großen Preises von Europa. "Schumi" macht seine Sicht der Dinge in erster Linie am Status der Formel 1 als Motorsport-Königsklasse fest.

"Ich sehe keinen Grund und auch keinen Bedarf, die Reifenwärmer abzuschaffen." Michael Schumacher

"Ich denke, kalte Reifen sind etwas für niedrigere Kategorien mit weniger Leistung, wie zum Beispiel die Formel Ford oder die Formel 3", meint Schumacher. Einige seiner Fahrerkollegen stünden einer solchen Neuerung wesentlich entspannter gegenüber. Pastor Maldonado (Williams) hätte laut eigener Auskunft "kein Problem" mit einem Verbot der Heizdecken. Er könnte sich sogar dafür begeistern.

Kalte Reifen, bessere Rennen?

"Ich glaube, das würde für bessere Rennen sorgen", sagt der venezolanische Rennfahrer. Und auch Jenson Button (McLaren) könnte sich damit anfreunden: "Wenn das Betriebsfenster der Reifen an die Tatsache angepasst wird, dass es keine Heizdecken mehr gibt, halte ich das für eine gute Sache." Romain Grosjean (Lotus) zählt ebenfalls zu den Befürwortern. Und er hat einschlägige Erfahrungen.

"Die Sache mit den Heizdecken kenne ich aus der GP2. Wenn die Teams einen so guten Job machen wie in der GP2, ist das nicht das Ende der Welt. Der schlimmste Fall ist, dass es dir auf der Outlap nicht gelingt, die Reifen auf Temperatur zu bringen, aber dann ist es auch schon wieder okay. Zu Beginn eines Rennens fühlt es sich rutschiger an, doch daran gewöhnt man sich", meint Grosjean.

"Es fühlt sich rutschiger an, doch daran gewöhnt man sich." Romain Grosjean

Von jetzt auf gleich wird sich die Formel 1 in keinem Fall umstellen müssen. Das hat Paul Hembery, Motorsport-Direktor bei Pirelli, bereits angedeutet. 2014 wäre ein realistischer Zeitraum, um auf die Reifenwärmer zu verzichten, meint er. Einer nimmt es auf jeden Fall, wie es kommt: Kimi Räikkönen (Lotus). "Es sagen mal wieder alle: 'Das könnte schwierig werden.' Und es ist wohl auch etwas anders."

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