• 13.11.2012 11:54

Pirelli spendiert am Freitag zusätzlichen Reifensatz

Die Italiener gehen die neue Aufgabe in Austin konservativ an und holen die härteren Mischungen aus dem Regal - Hembery: "Kurs wird ziemlich anspruchsvoll sein"

(Motorsport-Total.com) - Es ist ein Schritt ins Unbekannte, den die Teams der Formel 1 und Pirelli am kommenden Wochenende beim Großen Preis der USA gehen. Auf der neu gebauten Strecke in Austin wurde bislang noch kein Rennen ausgetragen. Der italienische Reifenhersteller hat für die Premiere den harten P Zero Silver und den mittelharten P Zero White nominiert. Die konservative Wahl der Mischungen wird dadurch begründet, dass die neue Strecke für die Reifen-Performance noch einige Unbekannte aufweist.

Titel-Bild zur News: Kimi Räikkönen

Koservative Reifenwahl: Pirelli will in Austin nichts anbrennen lassen Zoom

Für die beiden Sessions des Freien Trainings am Freitag erhält deshalb jeder Fahrer einen zusätzlichen Satz der harten Slicks. Diese Maßnahme soll Fahrern und Teams helfen, den Circuit of The Americas (CoTA) besser kennenzulernen. Der Kurs in Texas ist schnell und technisch anspruchsvoll, warme Temperaturen erhöhen die mechanischen Anforderungen zusätzlich. Auf der 5,515 Kilometer langen Strecke wechseln sich Bergauf- und Bergab-Passagen sowie technisch herausfordernde Abschnitte und Hochgeschwindigkeits-Passagen ab.

Seitenführungskräfte gefragt

Die Fahrbahnoberfläche ist dabei relativ glatt. Der erste Streckenabschnitt ist eine besondere Herausforderung. Nach Kurve eins, einer Haarnadelkurve, folgt eine Sequenz von schnellen Richtungsänderungen in den Kurven vier bis sechs. Diese Passage ist eine Reminiszenz an die Strecken in Silverstone und Spa-Francorchamps. In diesen Kurven wird enorm viel Energie durch die Reifenstruktur geleitet. Dabei müssen die äußeren Reifen den Hauptanteil der Seitenführungskräfte liefern.

Auch die Traktion spielt bei der Reifen-Performance in den USA eine wichtige Rolle, insbesondere wenn es um den optimalen Grip bei der Beschleunigung aus den langsameren Kurven geht. Da keine Daten aus vorangegangenen Jahren vorliegen, auf die sich die Ingenieure hätten beziehen können, nutzte Pirelli innovative Simulations-Technologien, um das Verhalten der Reifen auf dem Kurs in Austin zu prognostizieren. Die Teams setzen ähnliche Daten und Programme ein.

Es geht darum, erste Ansätze und Ideen für die Rennstrategien zu entwickeln. Darüber hinaus spielen die Informationen aus dem Freien Training eine noch wichtigere Rolle als üblich. Die Fahrer und Ingenieure werden versuchen, möglichst viele Daten über die Fahreigenschaften mit vollen und fast leeren Tanks zu erhalten. Der zusätzliche Satz harter Slicks soll es ihnen dabei ermöglichen, im Freien Training möglichst viele Runden zu drehen.

Neuland ist bekanntes Terrain für Pirelli

Paul Hembery erklärt: "Austin ist eine der drei Strecken, auf denen wir in diesem Jahr erstmals bei einem Formel 1-Rennen starten. Dazu gehören noch die Piste in Bahrain, auf der wir kürzlich erst getestet haben, sowie der Kurs von Hockenheim, wo wir jedoch zuvor bereits mit der GP3-Serie gestartet sind", zählt der Sportdirektor auf und betont: "In vielerlei Hinsicht ist für uns das Rennen in den USA die größte Herausforderung des Jahres. Aber Neuland zu betreten, ist für uns eine vertraute Situation."

Hembery erinnert an 2011, als Pirelli als Zulieferer neu war:"Im vergangenen Jahr war uns die Mehrzahl der Strecken völlig unbekannt. Für das kommende Wochenende haben wir die harte und die Medium-Mischung gewählt. Denn angesichts der Asphalt-Proben sowie der Simulationsdaten gehen wir davon aus, dass dieser Kurs ziemlich anspruchsvoll sein wird. Wir haben uns daher für eine etwas konservativere Nominierung entschieden, um auf dem neuen Kurs auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein."


Fotos: Young-Driver-Test in Abu Dhabi


Pirelli hatte sich schon beim jüngsten WM-Lauf eher zurückhaltend gezeigt, was die Auswahl der Pneus betrifft: "Auch die Nominierung für Abu Dhabi war konservativ, und dennoch sahen wir eines der spannendsten Rennen des Jahres. Wir freuen uns natürlich sehr, mit der Formel 1 wieder in die USA zurückzukehren", meint der Brite. "Die Vereinigten Staaten sind nicht nur ein wichtiger Markt für uns, sondern auch Heimat einer Vielzahl begeisterter Motorsportfans."

Mark Webber, ein heimlicher Texaner

Die Euphorie in Texas sei greifbar, findet Hembery: "Wir spüren eine große Begeisterung vor diesem Rennen, das in der spannenden Endphase der Weltmeisterschaft stattfindet. Es könnte keinen besseren Zeitpunkt für das Comeback in den USA geben." Auch Mark Webber freut sich auf die Stadt: "Ich war 2006 nach dem Grand Prix von Brasilien in Austin, habe dort einige Freunde getroffen und erinnere mich an eine wirklich coole Stadt", so der Red-Bull-Pilot.

"Es gibt dort ein großes Angebot an erstklassigen Restaurants, die Menschen wirkten auf mich sehr entspannt und nahmen sich nicht zu ernst. Es herrschte eine sehr angenehme Atmosphäre", beschreibt der Australier die Stimmung. "Ich habe von meinen Freunden erfahren, dass alle bereits voller Vorfreude und Spannung auf das Rennen warten. Traditionellerweise ist die Formel 1 in Europa sehr populär, daher ist es gut, wieder in die Staaten zurückzukehren", so Webber weiter.

Für den US-amerikanischen Motorsport hat der Routinier ein Herz: "Wir wissen, dass es dort eine große Zahl Motorsport-Freunde gibt, sowie viele herausragende Wettbewerbe wie die NASCAR oder Indycar-Serie. Aber auch einige der so genannten Dirt-Truck-Rennen sind wirklich großartig", zeigt sich Webber begeistert. "Die neue Formel 1-Strecke scheint sehr schnell zu sein. Es gibt einige temporeiche Richtungswechsel, Links-Rechtskurven und Abschnitte für den fünften und sechsten Gang. Wir werden uns hier nicht entspannen können."

Wahrscheinlich nur ein Stopp

Die Verantwortlichen hätten allem Anschein nach großartige Arbeit geleistet: "Es gibt mehrere Schikanen, was wichtig ist. Bei einem neuen Kurs gibt es viele Unwägbarkeiten, die wir erst dann kennenlernen, wenn wir vor Ort sind. Ich denke zum Beispiel an die Feinheiten des Radsturzes in den Kurven. Am Freitag werden wir mehr wissen", glaubt Webber. Jaime Alguersuari stimmt zu, räumt aber ein: "Ich kenne den Circuit of the Americas nur von Aufnahmen und Videos."

Danach zu urteilen, sei es eine großartige Strecke, auf der das Fahren Spaß bereite. Der Pirelli-Testfahrer erklärt: "Selbstverständlich kennen die Teams mittlerweile sämtliche Reifen sehr gut. Sicher, die Kombination der nominierten Reifenmischungen ist etwas konservativ. Aber natürlich hängt sie von zahlreichen Faktoren ab", gibt Alguersuari zu bedenken. "Dazu gehört der Makro-Abrieb der Fahrbahnoberfläche."

Eine typisch US-amerikanischen Rushhour in der Boxengasse erwartet der Spanier nicht: "Wir können mit einem Ein-Stopp-Rennen rechnen, doch äußere Einflüsse wie das Wetter oder der Einsatz des Safety-Cars können dies verhindern", blickt Alguersuari voraus und hofft auf einen ereignisreichen Grand Prix, der die Fans begeistert: "Ein neuer Kurs bringt die gewohnten Dinge immer etwas durcheinander, daher können wir uns auf ein interessantes Rennen freuen."