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  • 18.06.2015 23:33

  • von Rencken, Haidinger & Nimmervoll

Oldtimer-Fieber: Warum Formel-1-Stars die alten Boliden lieben

Die Legendenparade sorgt für viel Historie, doch auch die heutigen Stars begeistern sich für die Vergangenheit: Wie Vettel & Co. die Geschichte ihrer Teams aktiv erleben

(Motorsport-Total.com) - Als die Legenden Niki Lauda, Helmut Marko und Gerhard Berger im Vorjahr in Spielberg in ihre alten Formel-1-Boliden kletterten, da leuchteten bei vielen Fans auf den vollen Tribünen die Augen. Der dreimalige Weltmeister gab in seinem Ferrari aus dem Unfalljahr 1976 Gas, der nunmehrige Red-Bull-Motorsportkonsulent Marko saß in einem BRM aus dem Jahr 1972 und Berger begeisterte im 1988er-Ferrari. Dieses Jahr lassen Lauda, Berger, Alain Prost & Co. die Turbo-Ära wieder aufleben.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel in Gerhard Bergers Ferrari von 1988

Im Vorjahr durfte Sebastian Vettel einige Runden in Bergers Ferrari drehen Zoom

Doch nicht nur die Legenden und die Zuschauer auf den Rängen schwelgen in nostalgischen Gefühlen, wenn sie das Dröhnen der alten Motoren hören und die Geschosse aus einer verwegenen Ära des Grand-Prix-Sports erleben. Auch die aktuelle Fahrergeneration begeistert sich für die Historie.

Ferrari-Museum: Vettel spitzt auf Tests in Fiorano

Sebastian Vettel wollte es sich im Vorjahr nicht entgehen lassen, in Markos BRM zu klettern und ein paar Runden zu drehen - davor hatte er auf dem Red-Bull-Ring bereits Bergers Ferrari probiert. Der viermalige Weltmeister gilt als sehr geschichtsbewusst und verehrt den ersten österreichischen Formel-1-Weltmeister Jochen Rindt, einen Jugendfreund Markos.

Und mit Ferrari tritt er nun für das Team mit der größten Formel-1-Tradition an. "Für mich wurde dieses Jahr auch in dieser Hinsicht ein Traum wahr", bestätigt der 27-Jährige. Kein Wunder, denn in Maranello kann man all die Schätze der Vergangenheit bewundern. "Es ist toll, die Historie zu sehen", zeigt sich Vettel begeistert.

Nach seiner ersten Kostprobe in Spielberg 2014 spitzt Vettel auf eine Wiederholung - und rechnet sich gute Chancen aus: "Sie versuchen, die alten Rennautos in einem guten Zustand und einsatzbereit zu behalten - wenn also Zeit bleibt, dann darf ich vielleicht in einigen der alten Autos in Fiorano ein paar Runden drehen."


Fotostrecke: Legenden in Spielberg

Geschenk für Alonso

In einen ähnlichen Genuss kam Fernando Alonso bereits dieses Jahr. Der Spanier, der nach seinem Wechsel zu McLaren-Honda zumindest vorübergehend zum Statisten degradiert wurde, durfte in Barcelona Ayrton Sennas Weltmeisterauto aus dem Jahr 1988 steuern. Dabei handelte es sich um den Boliden, dem Alonso in Kindheitstagen seine Formel-1-Begeisterung zu verdanken hat.

"Diese alten Autos zu fahren", schwärmt Alonso, "das ist immer wie ein kleines Geschenk. Wir genießen dann jede Minute." Und selbst ein Rundgang in der Fabrik sorgt bei Alonso für spezielle Emotionen. "Für mich ist es ein Privileg, für McLaren-Honda, Ferrari und auch Renault gefahren zu sein. Einige der Autos, die man dort sieht, hat man als Kind im Fernsehen bestaunt."

Fernando Alonso

Mit diesem 1988er-McLaren durfte Alonso dieses Jahr in Barcelona fahren Zoom

Nico Rosberg, der durch seinen Vater Keke Rosberg mit der Formel-1-Geschichte groß geworden ist, setzt sich auch aktiv damit auseinander: "Ich interessiere mich sehr dafür, schaue mir gern die alten Videos an und lese Bücher darüber." Er begeistert sich aber auch für historische Straßenfahrzeuge. "Erst gestern bin ich mit einem alten Mercedes 300 SL Roadster von Stuttgart nach Schaffhausen in der Schweiz gefahren", wirft der 29-Jährige ein. "Das war großartig. Es ist so eine tolle Erfahrung, diese alten Autos zu fahren, die für ihre Zeit wirklich fortschrittlich waren."

Hamilton in der "Badewanne auf Rädern"

Diese Gelegenheit hat dieser Tage auch Weltmeister Lewis Hamilton immer wieder - in Monza fuhr er gemeinsam mit Legende Stirling Moss den Silberpfeil aus dem Jahr 1955. Der Brite konnte nicht widerstehen, in der alten Steilwandkurve ein bisschen Gas zu geben und meinte ganz verblüfft: "Mut hatte in dieser Zeit eine ganz andere Bedeutung." Zudem beschrieb er das Auto als "Badewanne auf Rädern".

Er findet, dass die Formel 1 der Vergangenheit eine andere Anziehungskraft hatte. "Als ich 1996 mein erstes Formel-1-Rennen erlebt habe und den Sound hörte, da dachte ich: Wow. Das will ich umso mehr selbst mal machen. Aber diesen Lärm gibt es inzwischen nicht mehr."


Lewis Hamilton im historischen Silberpfeil

Er ist aber der Ansicht, dass der Sport mit der Zeit gehen muss: "Es geht heute um ganz andere Themen wie Effizienz und Technologie. Wir schreiten eben voran und gehen nicht zurück." Der Weltmeister 2008, der im Jahr davor sein Formel-1-Debüt feierte und ein großer Fan von Legende Senna ist, warnt davor, die Vergangenheit zu sehr zu glorifizieren.

Hamilton bricht Lanze für aktuelle Ära

"Es ist jetzt einfach ein anderes Formel-1-Zeitalter, das nach wie vor eine große Herausforderung darstellt", bricht er eine Lanze für die aktuelle Ära des Grand-Prix-Sports. "Natürlich: Wenn du hinter einem anderen Auto liegst, willst du Druck machen, damit du überholen kannst. Du musst jetzt aber in erster Linie auf deine Reifen achten. Es gibt vieles, das du dabei beachten musst."

"Es ist jetzt einfach ein anderes Formel-1-Zeitalter, das nach wie vor eine große Herausforderung darstellt." Lewis Hamilton

Das Bild, dass die Piloten dieser Tage Marionetten sind, die von ihren Ingenieuren ferngesteuert werden, will er so nicht stehenlassen. "Ich denke, die Leute suchen die Schuld nur bei irgendetwas, weil sie mit etwas unglücklich sind", sagt er. "Dabei hatten wir vor ein paar Jahren mehr Informationen. Ich weiß nicht, wie viel Sprit ich verbrauche, also benötige ich ein bisschen Hilfe. Was würde passieren, wenn mir das Team nichts über die Reifen sagen würde? Ich würde immer noch gleich fahren. Und wenn man mir nichts über den Sprit sagt, dann würden vielleicht mehr Autos nicht ins Ziel kommen. Wenn das die Sache spannender macht, dann können wir das machen."