• 05.03.2017 15:58

  • von Dominik Sharaf

Nur Motorengeräusch im Boxenfunk: Stimmt's wirklich?

Auf den Spuren der "Mythbusters" - Ausgabe 13: War die Qualität des Boxenfunks früher so schlecht, weil immer nur das Motorengeräusch zu hören gewesen ist?

(Motorsport-Total.com) - Seit Jahrzehnten ist das Formel-1-Fahrerlager eine Welt, die voll ist von kleinen Geschichten um skurrile Teamchefs, von Piloten am Rande des Wahnsinns (oder jenseits davon) und irren physikalischen Phänomenen. In unserer Serie "Stimmt's wirklich? Formel-1-Mythen unter der Lupe!" gehen wir Legenden der Szene nach, die sich hartnäckig halten - und erkundigen uns bei denjenigen, die es wissen müssen. Nach Vorbild der US-TV-Doku Mythbusters.

Titel-Bild zur News: Ron Dennis, Ayrton Senna

Ron Dennis und Ayrton Senna hatten im Funk einige Verständigungsprobleme Zoom

In unserer 13. Ausgabe beschäftigt uns eine von vielen Storys rund um das Thema Technik. Denn nicht immer war die Formel 1 die unnahbare, zuweilen etwas realitätsfremde und aseptische Atomwissenschaft, die ihr heute ihren Nimbus verleiht. Wir machen einen Zeitsprung in die frühen Achtzigerjahre und fragen uns, ob das ohrenbetäubende Rauschen im Funk wirklich den lauten Turbomotoren geschuldet gewesen ist.

Um was geht's?

In Zeiten der flüsterleisen Hybridmotoren ist im Formel-1-Boxenfunk fast jedes Wort deutlich zu verstehen. Die Piloten vernehmen unter dem Helm vom Quietschen der Reifen bis zum Jubel der Zuschauer viel mehr von der Außenwelt als vor einigen Jahren. Doch das war nicht immer so. Als in den Achtzigerjahren PS-gewaltige Turbo-Triebwerke unter der Karossiere arbeiteten, mussten die Fahrer nicht nur einen Tinnitus befürchten, es rauschte auch im Funk vornehmlich - und die Onboardkameras lieferten neben unscharfen Bilden meistens Grießel und Übertragungsausfälle.

Was ist der Mythos?

Die Erklärung für die ständigen Störgeräusche im Funk ist nahliegend: Die Motoren waren damals so laut, dass sie die Stimme des krächzenden Fahrers übertönten. Das glaubten sogar die Formel-1-Teams und arbeiteten daran, die Mikrofone unter den Helmen der Piloten zu verbessern.

Und, stimmt's nun wirklich?

Pat Symonds sagt: "Immer, wenn wir den Funk aufgedreht haben, gingen sogar wir Techniker fest davon aus, es sei nur das Motorengeräusch zu hören. Es hat Jahre gedauert, ehe wir endlich kapiert hatten, dass die Vibrationen der Grund waren." Die Unruhen, die die Turbomotoren im Auto verursachten und die die Karosserie weitergab, befanden auf genau der gleichen Frequenz. Im Endeffekt verursachten sie im Funk einen Ton, der haargenau wie ein Motor klang, aber keiner war.

Das hatte zur Folge, dass die Kommunikation zwischen dem Piloten und dem Ingenieur nur äußerst eingeschränkt funktionierte: "Wir konnten den Funk während der Fahrt praktisch gar nicht gebrauchen. Er war nur dazu gedacht, bei der Durchfahrt durch die Boxengasse ein paar Dinge zu sagen", erinnert sich Symonds, der wohl auch ohne das Vibrationsproblem wenig Freunde mit dem Funk gehabt hätte: "Damals gab es nämlich noch keinen Digitalfunk, die Qualität war also grauenhaft."


McLaren-Animation zu 50 Jahren Grands Prix

Zum Jubiläumsrennen in Monaco hat sich das Traditionsteam etwas Besonderes einfallen lassen Weitere Formel-1-Videos

Übrigens: Erstmals kam ein Funk bei Symonds damaligem Arbeitgeber Toleman im Jahre 1983 probeweise zum Einsatz. Mit Johnny Cecotto am Steuer testeten die Briten die neue Technik aber zunächst nicht auf der Rennstrecke, sondern bei einem Showevent in Goodwood.

Wer hat uns aufgeklärt?

Der studierte Aerodynamiker Pat Symonds begann seine Formel-1-Karriere 1984 bei Toleman und arbeitete mit Ayrton Senna zusammen, ehe er 1994 und 1995 bei dem Nachfolgeteam Benetton Michael Schumacher als Renningenieur zu zwei seiner sieben Titel verhalf. Symonds stieg zum Technikchef auf und blieb es im Renault-Werksteam, mit dem er 2008 in die "Crashgate-Affäre" um Nelson Piquet in Singapur verwickelt war. Nach einem Intermezzo bei Virgin kehrte Symonds 2013 bei Williams zurück, wo er bis Ende vergangenen Jahres wieder Technikchef war.

Wie geht's weiter?

Gibt es irgendeine Geschichte, von der du schon immer mal wissen wolltest, ob sie wirklich wahr ist? Wir begeben uns auf die Spuren der Mythbusters und haken für euch nach. Einfach deinen Mythos via Kontaktformular oder auf Twitter an unsere Formel-1-Spezialisten Christian Nimmervoll und Dominik Sharaf schicken! Die nächsten Folgen sind schon in Planung.

Bisherige Folgen von "Stimmt's wirklich?"

01: Dürfen McLaren-Mitarbeiter im Büro wirklich keine Frühstücksbrote essen?
02: Bestimmte Jean Todt den Ausgang der Rallye Paris-Dakar mit einem Münzwurf?
03: Sah Jacques Villeneuve per Computerspiel die Zukunft der Formel 1 voraus?
04: War Formel-1-Boss Bernie Ecclestone beim großen Postzugraub dabei?
05: Gewann Porsche den Sportwagen-WM-Titel mit Zange und Panzerband?
06: Designte Jacques Villeneuve seinen bunten Helm nach dem Vorbild eines Kleides seiner Mutter?
07: Werden die Gymkhana-YouTube-Videos von Ken Block in einem Take gefilmt?
08: Hatte der Schumacher-Benetton von 1994 eine verbotene Traktionskontrolle eingebaut?
09: Ist es im Privatflieger des McLaren-Bosses Ron Dennis nicht erlaubt, Schuhe zu tragen?
10: Fährt ein Formel-1-Auto mit Sprit von der Tankstelle?
11: Kassierte Eddie Irvine einen Bonus für Schumacher-Titel?
12: Versetzte Patrick Head aus Geldnot seinen privaten Helikopter?