powered by Motorsport.com
  • 24.07.2010 09:49

  • von Michael Noir Trawniczek

Moss: "Überholen ist kein Problem"

Interview mit Stirling Moss: Was er von Michael Schumacher hält, wie er die Lage bei Red Bull bewertet und warum Überholen kein Problem ist

(Motorsport-Total.com) - Am vergangenen Wochenende stattete Stirling Moss, der wahrscheinlich berühmteste und beste Nicht-Weltmeister aller Zeiten, der Ennstal-Classic im österreichischen Gröbming einen Besuch ab. Dabei sprach er unter anderem über das Comeback von Michael Schumacher, das er für einen schweren Fehler hält, aber auch über einige andere Themen.

Titel-Bild zur News: Stirling Moss

Stirling Moss hält Michael Schumachers Comeback für einen schweren Fehler

Frage: "Sir Stirling Moss, überall, wo Sie hinkommen, bildet sich eine Menschentraube..."
Stirling Moss: "Ja, das ist schon unglaublich. Mein Name ist auch vielen Kindern ein Begriff. Das ist schon erstaunlich, denn ich habe aktiv den Rennsport vor 50 Jahren aufgegeben. Das freut mich natürlich sehr, dass es immer noch so viele Menschen gibt, die wissen, wer ich bin."#w1#

Frage: "Wie ist das mit einem Michael Schumacher? Man hat nicht den Eindruck, dass er in diesem Maße beliebt ist. Trotz seiner sportlichen Erfolge scheinen die Menschen von seiner Beliebtheit her geteilter Meinung zu sein?"
Moss: "Der Punkt ist, dass ich, so hoffe ich, den Menschen sympathischer bin als er. Ich mag die Menschen, ich erfreue mich meines Lebens, das ich mit den Menschen gerne teile."

Ferrari wieder zum Siegerteam gemacht

Frage: "Sie haben unlängst erklärt, Michael Schumacher würde sich mit seinem Comeback sein Image ruinieren."
Moss: "Ich denke, dass Michael eine fantastische Karriere im Rennsport hatte - ich meine: sieben Weltmeistertitel! Was für mich aber noch mehr ausmacht: Er hat Ferrari wieder zu einem Siegerteam gemacht, indem er ein paar Designer von England nach Italien geholt hat. Und jetzt gehört Ferrari zu den besten Teams und ein Ferrari gehört zu den besten Autos - und davon profitieren wir alle.

"Michael Schumacher war auch bekannt dafür, dass er alle Mechanismen rund um den Rennsport verstanden hat. Nachdem er zurückgetreten ist, war es meiner Meinung nach ein großer Fehler, zurückzukehren. Aber das ist meine persönliche Meinung."

Frage: "Warum tut sich der siebenfache Weltmeister so schwer, auch im Vergleich zu Nico Rosberg? Vielleicht auch deshalb, weil wir heute ein anderes Zeitalter haben? Weil Michael damals wie ein Politiker die richtigen Leute um sich geschart hat, um dann eben sehr viel zu testen, tagelang, was er heute nicht mehr kann? Weil man heute einfach flexibel sein muss?"
Moss: "Ich denke, das Problem, das Michael hat, besteht darin, dass er bereits mit der Formel 1 aufgehört hat und er aber wieder zurückgekehrt ist."

"Ich glaube, er hat nicht realisiert, wie schnell sich die Dinge in der Formel 1 verändern. Die jungen Leute wie Vettel oder Alonso sind heute einfach schneller. Und ich denke, es ist wirklich ein schwerer Fehler, wenn du an der Spitze aufgehört hast und dann zurückkehrst. Jetzt wird es harte Arbeit, sein Image wieder dorthin zu bringen, wo es einmal war."

Frage: "Glauben Sie nicht, dass er wieder auf die Siegerstraße zurückkehren kann?"
Moss: "Nein, das glaube ich nicht. Ich habe sogar eine Wette mit meiner Frau laufen, denn ich glaube, dass er es nicht einmal auf das Podest schaffen wird. Sie denkt, er schafft es auf das Podium, aber wir werden ja sehen."

Frage: "Sie meinen in diesem Jahr?"
Moss: "Ja, in diesem Jahr."

Frage: "Glauben Sie, Schumacher wird am Ende des Jahres zurücktreten?"
Moss: "Ich denke, er wäre gut beraten, wenn er zurücktreten würde. Er war schlecht beraten darin, zurückzukehren. Er hatte eine so gute Reputation. Vielleicht gründet er ja ein eigenes Team oder er übernimmt eine Funktion im Brawn-Team. Aber ein Rücktritt wäre sehr ratsam."

Schaden größer als die Freude?

Frage: "Er hat aber gesagt, er sei deshalb zurückgekehrt, weil er einfach das Fahren mit diesen Autos liebt. Das ist doch eine legitime Begründung, oder?"
Moss: "Ich kann das verstehen. Mir ging es genauso, als ich zurückgetreten bin. Ich wollte auch zurückkehren, weil ich einfach verliebt war in diesen Sport. Doch dann habe ich erkannt, dass es falsch ist. Es funktioniert einfach nicht. Und ich denke, dass die Kehrseite der Medaille, der Schaden an seinem Image, viel größer ist als die Freude, die er beim Fahren erleben kann."

Frage: "Was denken Sie über die aktuelle Lage im Red-Bull-Team?"
Moss: "Red Bull ist fantastisch. Sie haben sehr gute Fahrer, aber vor allem ist da Adrian Newey. Und Adrian Newey hat bereits extrem gute Autos gebaut, die allesamt den Weltmeistertitel erlangen konnten - bei Williams, bei McLaren. Newey hat bei Red Bull eine enorme Wichtigkeit erlangt - und wenn man sich seine Fähigkeiten ansieht und jene der restlichen Teammitglieder, dann ist es für mich keine Überraschung, dass sie heute an der Spitze fahren. Und für den Sport ist das auch sehr gut."

Susie und Stirling Moss mit Michael Noir Trawniczek

Stirling Moss im Interview mit Redakteur Michael Noir Trawniczek Zoom

Frage: "Die beiden Piloten Sebastian Vettel und Mark Webber gerieten sich nun aber ein wenig in die Haare. Ist es Ihrer Meinung nach gut, dass die Teamführung die beiden weiterhin gegeneinander fahren lässt?"
Moss: "Ja, ich denke schon. Als ich gefahren bin - mit der Ausnahme jener Zeit, als ich mit Juan Manuel Fangio fuhr, denn da war ich bereits froh, wenn ich hinter ihm Zweiter wurde, weil er einfach der beste Fahrer der Welt war -, wollte ich niemals Zweiter werden, auch nicht hinter meinem Teamkollegen."

"Und ich denke, dass es gut ist, wenn zwischen den beiden Red-Bull-Piloten weiterhin dieser Wettkampf besteht. Sie haben zwar den Fehler gemacht, dass sie miteinander kollidiert sind, ich hoffe aber, dass sie von nun an solche Fehler unterlassen und wir gute Rennen sehen werden."

Frage: "Die Rennen sind in diesem Jahr eigentlich sehr spannend, man möchte aber im nächsten Jahr mit dem verstellbaren Heckflügel das Überholen erleichtern. Was sagen Sie dazu?"
Moss: "Wenn es so funktioniert, wie man es erklärt hat, dann denke ich, dass es eine gute Lösung ist. Je mehr Überholmanöver wir haben, umso besser ist es. In meiner Ära gab es viele, viele Überholmanöver, daher begrüße ich diese Maßnahme. Ich denke, dass alles, was den Wettkampf erleichtert, was den Windschatten im Heck des Vordermanns anbelangt, eine gute Lösung ist."

Frage: "Wie viele Autos haben Sie bei Ihren Rennen im Schnitt überholt?"
Moss: "Sie müssen bedenken, damals waren die Rennen drei Stunden lang, aber ich denke, man hat 20 oder 30 Autos überholt - und dann hast du manchmal noch das gesamte Feld überrundet. Aber Überholen ist kein Problem! Kein Problem!"