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  • 27.03.2018 19:01

  • von H. Stritzke, T. Errington & J. Newbold

Mario Andretti: Formel 1 hat IndyCar-Schritt verpasst

Die Formel 1 hätte mit dem Reglement von 2017 einen Weg beschreiten sollen wie die IndyCars mit ihrem 2018er-Regelwerk, findet US-Legende Mario Andretti

(Motorsport-Total.com) - Während der Formel-1-Saisonauftakt in Australien für seine Langeweile auf der Strecke größtenteils Kritik erntete, erlebte auf der anderen Seite des Pazifiks die IndyCar-Serie einen sehenswerten Auftakt mit einer Rekordzahl an Überholmanövern und einem äußerst dramatischen Finale. Die IndyCars haben eine gänzlich neue Aerodynamik eingeführt und den aerodynamischen Wettbewerb komplett verbannt. Formel-1- und IndyCar-Legende Mario Andretti findet, dass die Formel 1 schon 2017 denselben Weg hätte einschlagen müssen.

Titel-Bild zur News: Will Power, Marco Andretti

Dei IndyCar-Serie lieferte dank neuer Aerodynamik viel Action Zoom

"In der IndyCar-Serie hat das Management einen großartigen Job gemacht", sagt der 78-Jährige gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Sie haben es richtig gemacht, wieder zurück zu einem puren Formelfahrzeug zu gehen, wie es die Fans sehen wollen. Meines Erachtens ist das etwas, das die Formel 1 verpasst hat."

Die IndyCar-Serie hat den erst 2015 wiedereingeführten Aerodynamik-Wettbewerb schnell wieder unterbunden und eine Einheitsaero nach ganz neuen Maßstäben eingeführt: Zuerst sollte die Optik stimmen, danach besseres Racing ermöglicht werden und schlussendlich sollte die Performance auf das Niveau der bisherigen Boliden gebracht werden. Das Ergebnis: Statt wie bisher 19 werden nun 66 Prozent des Abtriebs am Unterboden erzeugt.

Der Gesamtabtrieb fällt deutlich geringer aus, trotzdem sind die Autos nicht langsamer als im Vorjahr. Der Fahrer hat allerdings nun wesentlich mehr Einfluss auf die Rundenzeit. "Sie haben guten Abtrieb über den Bodeneffekt erzeugt und dieser verursacht keine Turbulenzen", lobt Andretti, der die Ground-Effect-Ära in der Formel 1 selbst miterlebte. Einziges Unterscheidungsmerkmal bei den IndyCars sind nun die Fahrer und die Motoren. Netter Nebeneffekt: Durch deutlich geringere Kosten sind vier neue Teams eingestiegen.


Fotostrecke: GP Australien, Highlights 2017

Andretti hält Formel-1-Weg für nicht zielführend

Die Formel 1 ging 2017 einen umgekehrten Weg: Zuerst stand die Performance in den Vordergrund. Dass die zwei Meter breiten Autos optisch gefälliger aussehen als die 180-Zentimeter-Vorgänger, ist ein netter Nebeneffekt. Das Ziel von fünf Sekunden schnelleren Zeiten gegenüber 2016 wurde erreicht, allerdings zu Lasten des Racings. Dank der verwirbelten Luft, der "Dirty Air", ist Überholen noch schwerer geworden als es ohnehin schon war.

"Mit kleineren Flügeln kann man am Getriebe des Vordermanns dran bleiben und ein Überholmanöver einleiten", erklärt der Formel-1-Weltmeister von 1978. "Aber hier hat die Formel 1 etwas verpasst. Sie haben breitere Reifen eingeführt, die mehr Grip liefern und mehr Turbulenzen erzeugen. Und mit größeren Flügeln haben sie die Bremszonen nochmals verkürzt, womit die Chance auf Überholmanöver geradezu eliminiert ist."

"Natürlich hat man das DRS, das man jetzt mehr braucht als je zuvor. Aber selbst mit DRS muss man am vorigen Kurvenausgang direkt am Getriebe des Vordermanns sein." DRS hat sich auch in der Formel 1 nicht als Allheilmittel erwiesen. Ein Überholmanöver ist erst möglich, wenn man wirklich am Gegner dran ist. Die DRS-Zonen wurden seit ihrer Einführung im Jahre 2011 in den meisten Fällen so weit gekürzt, dass noch immer der Fahrer gefragt ist. Die IndyCar-Serie setzt auf ein Push-to-Pass-System, von dem jedem Fahrer im Rennen die gleiche Menge zur Verfügung steht.

Max Verstappen, Fernando Alonso

Millionenschwere Aerodynamik im Zweikampf: Überholen ist selten geworden Zoom

Die Formel 1 wiederum steht vor einer schwierigen Entscheidung: Aerodynamischer Wettbewerb ist einer der zentralen Aspekte der DNA der Königsklasse des Motorsports. Die Teams geben Abermillionen für Teile aus, die meist weder ästhetisch noch für die Serienproduktion relevant sind. Würde die Formel 1 auf Einheitsaerodynamik umstellen, müsste sie allerdings eines ihrer zentralen Unterscheidungsmerkmale von allen anderen Formelserien aufgeben. 2021 steht der nächste Schritt an. Wie dieser aussehen wird, ist momentan noch völlig offen.