• 08.08.2017 23:19

  • von Dominik Sharaf & Daniel Halder

Lance Stroll: Fan hat Sieg in jedem Rennen prophezeit

Der Kanadier zieht eine erste Bilanz seiner jungen Formel-1-Karriere und besteht darauf, anders als mancher Beobachter die Lage realistisch eingeschätzt zu haben

(Motorsport-Total.com) - Shootingstar, Chrashkid, "schlechtester Rookie aller Zeiten", und dann wieder junges Toptalent... Frei nach dem Motto "Einmal Hölle und zurück" durchlief Lance Stroll in seinem ersten Halbjahr als Formel-1-Pilot viele Tiefen und einige Höhen. Nach einem katastrophalen Start in die Formel-1-Saison 2017 sprachen ihm Experten wie Jacques Villeneuve schon die Fähigkeiten ab, doch dann strampelte sich der 18-Jährige frei. Beim Heimrennen in Kanada gelangen die ersten Punkte, zwei Wochen später stand er als Dritter in Baku sensationell auf dem Podium.

Titel-Bild zur News: Lance Stroll

Lance Stroll erlebt in der Formel 1 eine Achterbahnfahrt der Gefühle Zoom

Alle Kritiker hat der Williams-Pilot damit zwar noch nicht zum Schweigen gebracht - auch weil er nach wie vor von den Milliarden seinen schwerreichen Vaters Lawrence profitiert und beispielsweise Geheimtests in den USA absolvieren darf. Doch ein Ergebnis wie in Aserbaidschan hätten ihm wohl die kühnsten Optimisten nicht zugetraut. Mit einer Ausnahme: Im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' kommt ans Licht, dass ein Fan vor der Saison einen Stroll-Sieg in jedem Rennen prophezeit hatte. Der Anhänger stand wohl unter dem Eindruck der Ergebnisse des Kanadiers in der Formel-3-EM 2016, als Stroll 14 der 30 Rennen für sich entschied und die Meisterschaft mit großem Vorsprung gewann.

Doch solche Voraussagungen entlocken dem Zwölftplatzierten der Fahrer-WM nur schallendes Gelächter: "Ernsthaft? Also ich bin definitiv nicht mit der Erwartung in die Formel 1 gekommen, dass ich auch hier in jedem Rennen um den Sieg kämpfen kann. Ich kenne meine Situation und kann die Lage realistisch einschätzen", sagt der Youngster und setzt zu einem Loblied auf die Königsklasse an. "Das ist vermutlich mit das konkurrenzstärkste Business in der Welt. Der Entwicklungswettlauf in den Fabriken, die Stärke der Piloten - jeder ist körperlich und mental auf dem allerhöchsten Level."

Im Kampf gegen die "Besten der Besten"

Und so gehe es für ihn darum, sich Wochenende für Wochenende im Kampf gegen "die Besten der Besten" zu behaupten. "Alle Fahrer, die hier um die Mittelfeldplätze kämpfen, waren in ihren Nachwuchsklassen auch Champions und haben in verschiedenen Kategorien gewonnen", weiß er. Deshalb habe er gelernt, von Schritt zu Schritt zu denken und auch kleine Erfolge wertzuschätzen.

"Wenn ich es in der Formel 1 im Qualifying ins Q3 schaffe, dann ist das für mich so, wie wenn ich vergangenes Jahr (in der Formel-3-EM; Anm. d. Red.) die Pole geholte habe. Wenn ich im Rennen ein paar Punkte hole, ist das wie ein Sieg im vergangenen Jahr. Und selbst wenn es nur zu einem Punkt reicht, ist es immer noch so, als wäre ich vor einem Jahr Zweiter geworden", zieht er einen Vergleich.

Der Kanadier wirkt nach dem schwierigen Saisonstart demütig, will sich aber nicht nachsagen lassen, dass er die Königsklasse falsch eingeschätzt hätte. "Es ist nicht so, dass ich mir all das anders vorgestellt habe. Ich wusste schon, dass mein Traum von der Formel 1 eine riesige Herausforderung sein würde. Jetzt bin ich hier und erlebe es hautnah. Es ist nicht so, dass man dann innehält und das Ganze erst realisieren muss, sondern man lebt einfach im Moment und versucht, dem Team so gut es geht zu helfen", sagt er nach den ersten elf Grands Prix seiner jungen Karriere. Von der zum Teil harten Kritik, die auf ihn einprasselt, will er sich deshalb auch weiterhin nicht beeinflussen lassen.

Antwort auf die Kritiker: "Das Leben ist gut"

Er sei eben nicht mehr in einer unteren Kategorie, sondern ganz oben in der Spitze des Motorsports angekommen. Und hier lerne er tagtäglich hinzu - auch von den anderen Piloten. "Während des Fahrens habe ich zwar keine Zeit, mir etwas abzuschauen, aber wenn ich es von außen betrachte, erkenne ich immer wieder, wie schmal das Fenster ist, das man hier treffen muss", gibt der Rookie zu. Bereits mehrfach musste er in dieser Saison erfahren, wie groß der Abstand zu seinem routinierten Teamkollegen Felipe Massa ist, wenn er bei der Abstimmung danebenliegt oder die Reifen nicht auf die richtige Temperatur bringt.

"Hier ist es nicht wie in den Junior-Kategorien, in denen vielleicht nur die Besten Spitzenniveau haben und man es selbst an einem schlechten Tag mal in die Top-5 schaffen kann. In der Formel 1 fällt man dann gleich ganz zurück - aber genau das macht diesen Sport ja aus", so der Williams-Youngster, der nach eigenem Bekunden die engen Kämpfe im Mittelfeld genießt.


Williams feiert 40-jähriges Jubiläum

"Leider sind die drei Top-Teams etwas weit weg, aber dahinter geht es knapp zu. Plötzlich ist mal ein Haas-Pilot verdammt schnell, dann wieder die Force Indias oder Renault, die in Silverstone aus dem Nichts kamen." Nicht zuletzt wegen des packenden Konkurrenzkampfs könne er nach dem ersten halben Jahr seiner Berg- und Talfahrt durch die Formel 1 ein positives Fazit ziehen: "Es ist toll, das Leben ist gut und ich kann mich nicht beschweren."