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  • 25.12.2010 16:40

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Head: Umweltschutz oder Raketenmotoren?

Patrick Head ist noch unschlüssig, wie er zum neuen Motorenreglement stehen soll, und spricht über Technologietransfer zwischen Formel 1 und Serie

(Motorsport-Total.com) - Die FIA hat dieser Tage das neue Motorenreglement verabschiedet, das mit der Saison 2013 in Kraft treten wird. Es handelt sich dabei um 1,6-Liter-Turbomotoren, die keineswegs unumstritten sind und in den Verhandlungen bei mindestens einem Hersteller - es soll sich dabei dem Vernehmen nach um Mercedes gehandelt haben - auf Widerstand gestoßen sind.

Titel-Bild zur News: Patrick Head

Patrick Head weiß nicht, wie er das neue Motorenreglement einschätzen soll

"Besonders ein Hersteller wollte am aktuellen Format festhalten, was mich nicht wundert, denn ihr Motor ist sehr gut", erklärt Williams-Teilhaber Patrick Head. "Aber ich habe gehört, dass Jean Todt den Vorstandsvorsitzenden dieses Herstellers gefragt hat: 'Glauben Sie, dass der aktuelle Motor eine gute technische Präsentation dessen ist, woran Sie in Zukunft im Serienbereich arbeiten werden?' Und die Antwort lautete: 'Nein, da gibt es überhaupt keine Anknüpfungspunkte.'"

Head arbeitet derzeit gemeinsam mit Rory Byrne am neuen Chassiskonzept für die Formel 1, durch das in Zukunft wieder mehr überholt werden soll. Dass der Vierzylinder-Turbo nicht bei allen für Begeisterungsstürme sorgt, kann er verstehen: "Ich weiß, dass sich einige Sorgen machen - vielleicht aus gutem Grund", so der Brite. "Es gibt Stimmen, die halten einen Vierzylinder-Turbo für einen angemessenen Formel-1-Motor, aber so ein Motor hat schon 1983 die Weltmeisterschaft gewonnen."

¿pbvin|512|1419||0|1pb¿"Ich glaube, wir müssen uns die Grundsatzfrage stellen, was die Formel 1 erreichen will. Soll sie Technologieleader sein oder reine Unterhaltung? Dann sollten wir am besten Raketenmotoren einbauen", sagt er. "Niemand wird behaupten, dass die Formel 1 Innovator für die Serie ist, aber wir sollten uns auch nicht auf einem komplett anderen Planeten bewegen als herkömmliche PKW-Motoren. Da reden wir nun mal von Turbomotoren, höherer Benzineffizienz, kleinerer Kapazität."

"Dass die Formel 1 Technologien entwickelt hat, die direkt in die Serie transferiert wurden, hat es nicht oft gegeben", wirft Head ein. "Sie war aber immer ein Katalysator für Entwicklungen und ein gutes Umfeld für Ingenieure. Volkswagens elektrohydraulische Doppelkupplung, die ich persönlich ganz toll finde, ist zwar nicht in der Formel 1 entstanden, aber das technische Prinzip wurde zuerst in der Formel 1 entwickelt, bevor es von Automobilherstellern aufgegriffen wurde."

¿pbvin|512|3367||0|1pb¿"Wir haben einige sehr interessante Technologien entwickelt: Vier-Kanal-Hi-Fi-Anlagen, Anti-Blockier-Systeme, aktive Radaufhängungen und so weiter. Aber all diese Technologien sind viel zu teuer, als dass man sie direkt in die Serie transferieren könnte", gibt der 64-Jährige zu Protokoll. Doch gerade Williams ist führend, was Technologietransfer im Hybridbereich angeht. Williams-KERS-Technologie gibt es längst auch außerhalb des Motorsports.

"Die Energiespeicherung mittels Schwungrad wird sicher seinen Weg in Busse und Züge und so weiter machen. Ein Formel-1-KERS wird nie direkt in einen Bus kommen, aber durch den Wettbewerbsdruck in der Formel 1 werden die Transistoren und so weiter immer kleiner, wovon die Technologie profitiert", so Head. Daher wird KERS 2011 nach einem Jahr (freiwilliger) Pause (der Teamvereinigung FOTA) wieder eingeführt.