• 02.10.2012 19:10

  • von Timo Glock

Glock-Kolumne: "Werden wie die Löwen kämpfen"

Timo Glock über das für Marussia vielleicht WM-entscheidende Rennen in Singapur, den Vergleich mit Caterham ohne KERS und Michael Schumacher

Titel-Bild zur News: Timo Glock

Derzeit stehen wir auf dem zehnten Platz in der Konstrukteurs-WM Zoom

Liebe Leser,

ich bin gerade auf dem Weg in Richtung Japan, wo am kommenden Wochenende der nächste Asien-Grand-Prix auf dem Programm steht. Ich hoffe sehr, dass wir dort an die gute Leistung von Singapur anschließen können. Ihr könnt euch darauf verlassen, dass wir alle wie die Löwen darum kämpfen werden, diesen gerade ergatterten zehnten Platz in der Konstrukteurs-WM zu verteidigen. Ich werde weiterhin in jedem Rennen alles geben - wie in Singapur, wo wir gut belohnt wurden.

Das war schon ein ganz besonderes Ding dort auf meiner Lieblingsstrecke. Wenn ich daran zurückdenke, wie ich nach dem Mauerkontakt mit einem ziemlich verbogenen Auto bis ins Ziel gefahren bin, dann muss ich immer etwas schmunzeln. Nicht schon wieder, ausgerechnet wieder in dieser Kurve bei der Tribünen-Unterführung - das war mein erster Gedanke, als ich dort wegen meiner schnell abgefahrenen Hinterreifen an die Mauer knallte. So etwas war mir im Jahr zuvor an genau der gleichen Stelle passiert.

Für mich war im ersten Moment ziemlich klar, dass es das wohl war. Ich hätte eigentlich nicht gedacht, dass ich mit dem Wagen noch weiterfahren kann. Aber ich habe es nach dem doch harten Anprall einfach mal versucht - und siehe da: Der Koffer ging noch. Klar, rechts hinten an der Aufhängung war ziemlich viel verbogen und die Spur ziemlich neben der Spur, aber egal. Zwei Runden lang habe ich mich vorsichtig herumgetastet und per Differenzial-Einstellung und anderen Möglichkeiten das Setup angepasst.

Glück im Unglück bei Einschlag

Nach einem vorgezogenen Stopp gab mir auch das Team Entwarnung. Die hatten sich die Teile hinten rechts schnell mal angeschaut und erkannt, dass eigentlich alles halten müsste. Nach diesem Stopp war nicht nur mein Vertrauen ins Auto wieder voll da, sondern mit den frischen Reifen fühlte es sich insgesamt gleich wieder viel besser an. Ich habe die Zeit in den Rechtskurven geholt und es in Linkskurven vorsichtig angehen lassen. Ich hatte den Einschlag zwar noch im Hinterkopf, aber gebremst hat mich das nicht.

Dass ich ausgerechnet in einem solch wilden Rennen den zwölften Platz hole und das Team damit auf den wichtigen zehnten Rang in der WM bringe, passt irgendwie genau zu meiner persönlichen Singapur-Story. Irgendwie verbindet mich etwas Besonderes mit dieser Strecke. Der Erfolg hatte aber sicherlich nicht nur damit etwas zu tun. Wichtige Faktoren waren auch das verbesserte Auto und - das gebe ich ehrlich zu - das Rennglück. Es passte mal alles, nachdem wir in dieser Saison auch schon reichlich Pech hatten.

Unser Team hat in den vergangenen Wochen echte Fortschritte gemacht. Wir haben nun mehr Abtrieb, was daran liegt, dass endlich die ersten Teile aus dem Windkanal ans Auto gekommen sind. Die Zusammenarbeit mit McLaren läuft zwar schon viele Wochen, aber es mussten zunächst viele Dinge abgestimmt werden. Wir haben jetzt zwei oder drei Sessions in deren Windkanal gehabt, jetzt geht es im Zwei-Wochen-Rhythmus weiter. So etwas trägt eben Früchte.

Das erste Ergebnis dieser Arbeit im Windkanal war das größere Paket, das in Teilen in Spa und Monza am Auto war und sich dort schon anständig anfühlte. Ohne dass wir ein spezielles Monza-Paket hatten, wie es andere Teams auf dieser Strecke nutzen, haben wir dort ganz gut ausgesehen. Das liegt daran, dass unser neuer Heckflügel, der jetzt nochmal neue Endplatten bekommen hat, eine richtig gute Aero-Effizienz hat. Wir haben mehr Abtrieb und eine bessere Balance, das Auto ist schneller und fährt sich besser.

Neue Teile im Kampf gegen Caterham

Für Suzuka kommen bei uns wieder neue Teile ans Auto, zum Beispiel ein veränderter Unterboden. Das wird kein riesiges Paket, aber es geht dennoch weiter voran. Für uns ist jede Kleinigkeit wichtig, jedes einzelne Zehntel bringt uns im Zweikampf gegen Caterham voran. Die werden bestimmt auch noch nachlegen, daher müssen wir unbedingt am Ball bleiben und unseren Trend fortsetzen. Es ist erst einmal super, dass wir jetzt auf Augenhöhe agieren können.

Bei diesem Duell gegen Caterham darf man nie vergessen, dass wir ohne KERS antreten. Wenn wir also genauso schnell sind, müsste demnach unser Auto sogar besser sein als deren Wagen, weil sie eben KERS an Bord haben. Ich frage mich dann natürlich manchmal, was bei uns mit einem Hybridsystem möglich wäre. Man sagt immer, dass das System bis zu einer halben Sekunde pro Runde bringt. Aber ganz so einfach ist die Rechnung natürlich dann doch nicht.

Timo Glock

Platz zwölf: Singapur war schon immer eine meiner Lieblingsstrecken Zoom

Auch wir müssten KERS irgendwie im Auto unterbringen und dabei in Sachen Gewichtsverteilung oder Balance eventuell ein paar Kompromisse eingehen. Dann bleibt vielleicht von der halben Sekunde nur noch die Hälfte übrig - aber immerhin. Mit KERS würden wir also ziemlich gut dastehen. Aber wir haben das System eben nicht. Ich denke, vor allem in Japan und Südkorea wird Caterham durch den Faktor KERS einen Vorteil haben. Mal schauen, wie wir dort aussehen werden.

Alles redet über Schumacher

Im Fahrerlager wird nach den großen Transfernews der letzten Woche natürlich über die Cockpitwechsel gesprochen. Es ist schon extrem, was nun alles passiert ist. Ich finde es schade für Michael Schumacher. Ich hoffe, dass er irgendwie weitermacht. Er ist ein Highlight, er gehört zur Formel 1 und ich würde mir wünschen, dass er noch ein paar Jahre weitermacht. Die harte Arbeit, die er geleistet hat, hätte sicherlich im kommenden Jahr Früchte getragen. Er darf sie leider nicht mehr ernten.

Ich habe höchsten Respekt vor dem, was er seit seinem Comeback alles geleistet hat. Nicht nur die Pole-Position in Monaco hat gezeigt, dass er immer noch sehr schnell ist. Und warum geht Lewis zu Mercedes? Ich kenne die Hintergründe nicht. Ich weiß nicht, ob es dort um Geld ging oder ob er sich nicht mehr wohlfühlt und einen Tapetenwechsel braucht. Ich kann mir gut vorstellen, dass Lewis langfristig denkt und bei Mercedes die besseren Perspektiven sieht, weil es eben ein Werksteam ist.


Fotos: Timo Glock, Großer Preis von Singapur, Sonntag


All dies ist Zukunftsmusik und betrifft das Jahr 2013 - bis dorthin gibt es immerhin noch sechs Rennen der diesjährigen Saison zu fahren. Drückt mir weiter kräftig die Daumen!

Euer

Timo Glock

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